Sieben
Mit einem Nicken schicke ich die Zofe weg, nachdem sie das Frühstücks Tablet vor mir abgestellt hatte. Der Geruch von frischer Marmelade und gebratenen Speck stieg mir in die Nase. Heute könnte ein herrlicher Tag sein. Die Sonne schien und es war bereits zu solch früher Stunde angenehm warm. Vögel zwitscherten sich die ersten Melodien zu und Bienen und Schmetterlinge schwirrten eilig umher. Ein frischer Strauß Blumen aus dem Garten stand in einer Vase auf dem steinernen Tisch und verströmte einen betörenden Blick. Alles wäre perfekt wären da nicht meine angeschwollenen Augen, mein dröhnender Kopf und die Tatsache das in meinem Leben momentan alles schieflief.
Von ihnen ertönte gelegentliches Scheppern. Zimmermädchen waren so eben dabei die Scherben zu beseitigen und eine Kommode vor den Rotweinfleck zu schieben, dies sollte ihn verdecken bis morgen der Maler kam um ihn zu überstreichen. Wenn ich nach meinem Mahl das Zimmer wieder betrat, wurden einzig und allein meine zerkratzen Finger an meinen Gefühlsausbruch erinnern. Zum Glück würden auch diese bald verschorfen und verheilen, sodass ich die gestrige Nacht getrost verdrängen konnte. Ich stocherte in der Eierspeise umher und schnitt mir ein Stück Speck ab um es mir in den Mund zu schieben, da unterbrach mich ein ungebetener Gast.
„Loretta, Liebes", ertönte ihre glockenhelle Stimme. Reika betrat meinen Balkon, dicht gefolgt von meiner aufgebrachten Zofe. Schlagartig verflog mein Hunger.
„Die Prinzessin ist noch nicht angekleidet", murmelte sie, doch ein Hand Wink von der schwarzhaarigen Frau, deren dichtes Haar wie immer zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden war, brachte sie zum Schweigen. Aber tatsächlich, ich war noch nicht angekleidet. Über meinen seidenen Nachtkleid trug ich einen Morgenmantel, der von ebenso leichtem Stoff war.
„Dann wird sie sich wohl beeilen müssen, wenn sie pünktlich zum Frühstück erscheinen will". Ihre eisblauen Augen musterten mich und ein spitzes Lächeln stahl sich auf ihre Lippen.
Ein mulmiges Gefühl machte sich in mir breit. „Aber ich esse doch schon".
Ihr Lächeln wurde breiter. „Es ist eine Anordnung des Königs. Glaub mir, wenn ich die Wahl hätte, würde ich auf dein missmutiges Gesicht verzichten". Ihre Beleidigung prallte an mir ab. Es war nichts im Vergleich zu den Demütigungen der vergangen Tage.
„Aber-",setzte ich zu einem schwachen Versuch des Protests ein, wurde jedoch brüsk unterbrochen.
„Eieiei, du wirst dich doch nicht etwa deiner Königin entgegensetzen?" Mein Blick verdüsterte sich, dennoch ging ich auf ihre freche Behauptung nicht ein. Die einzig wahre Königin war meine Mutter, und die ist tot. Reika war bloß eine falsche Schlange die sich diesen Titel nicht verdient hatte. Wohl enttäuscht darüber das ich ihr keine Parole bat, schwirrte die Frau, deren schwarzes Kleid sich wie flüssiges Metall an ihren Körper schmiegte, ab, jedoch nicht ohne mich nochmal an das Essen zu erinnern.
„Wenn ein Gegner Informationen von dir in der Hand hat, die dir Schaden könnten, sieh zu das du ebenfalls etwas über ihn in Erfahrung bringst", pflegte mein Großvater stets zu sagen. Als Kind hatte ich seine Worte natürlich nicht verstanden, jetzt aber leuchteten sie mir ein. Leander wusste über meinen Gefühlsausbruch Bescheid, also musste ich ebenfalls etwas finden das ihn belasten könnte. Eine Zeit lang beobachtete ich der Zofe, während sie mir Rouge und Lippenstift auftrug, meine Augenringe überschminkte und glitzernde Bände in mein Haar einflocht, dann räusperte ich mich, nahm all meinen Mut zusammen und fragte: „Was weißt du über meinen Leibwächter".
Überrascht hob sie den Kopf, senkte ihn aber sofort wieder, als unsere Blicke sich trafen. „Ich bedaure, aber ich habe nicht viel mit ihm zu tun".
Ich seufzte, aber genau das hatte ich schon befürchtet. „Dann wirst du dich wohl unauffällig umhören müssen. Im geheimen natürlich". Das Mädchen nickte und half mir anschließend in ein blassblaues Kleid, mit enger Taille und weitausgeschnittenen Armen. Sie schnürte mein Mieder so eng, dass ich glaubte ersticken zu müssen, doch das Ergebnis war berauschend. Ich sah wieder aus wie die Prinzessin und ich werde dafür sorgen das weder ich, noch sonst jemand das in Zukunft vergessen wird.
Als ich mein Gemach verließ, konnte ich nicht verhindern das mein Gesicht heiß vor Scham, angesichts von Leanders stechenden Blick wurde. Ich hatte überlegt in auf die gestrige Nacht anzusprechen, befürchtete aber, dass mich dies noch jämmerlicher wirken lässt, also Strafe ich ihn mit Ignoranz. So wie vor dem Zwischenfall. Der Weg zum kleinen Esszimmer war äußerst unangenehm. Bei jedem Räuspern seiner Seitz, befürchtete ich das er mich Anspruch, was er glücklicherweise nicht tat. Die Palastwachen die vor der Tür positioniert waren, öffneten mir die helle Tür mit Bronzebeschlägen, und ich Schritt vom Regen in die Traufe. Da saßen sie, die vier Personen die ich als letzter wünsche zu sehen, geschweige denn mit ihnen zu speisen.
Die Familie hatte sich um einen runden Tisch in mitten des Raums, dessen mannshohen Fenster einen wunderbaren Ausblick in den Garten boten, versammelt. In den Nischen standen Diener bereit um, sollte einer von uns nur mit der Wimper zu zucken, bereit zu stehen. Glücklicherweise war der Leibwächter vor der Türe stehen geblieben, wo er sich mit einem der Palastwachen zu unterhalten schien, ansonsten hätte Sorea bereits eine spitze Bemerkung fallen gelassen. Bis auf Sorea, die mich mit ihren eisblauen Augen musterte, und Davian der versuchte mit einem Lächeln mein Vertrauen zurück zu gewinnen, schien niemand mein Eintreten zu beachten. Mein Vater beachtete mich nicht, seine kleinen Schweinsaugen ruhten einzig und allein auf seinem Spiegelei auf dem Teller vor ihm. Reika warf mir ebenfalls bloß einen kurzen Blick zu, ehe sie damit anfing des Königs Hand zu tätscheln. Dennoch knickste ich vor dem König und setzte mich auf den einzig freien Platz, zwischen Sorea und meinem Bruder.
Sofort heilte ein Diener herbei um meinen Stuhl zurecht zu Rücken. Als er mir eine Kanne Kaffee hinhielt, schüttelte ich den Kopf. Ich habe den bitteren Geschmack der schwarzen Flüssigkeit noch nie gemocht, auch Milch und Zucker half da nicht. Stattdessen bevorzugte ich mit Honig gesüßten Kamillentee, denn mir ein weiterer Diener sogleich in eine filigrane Tasse groß. Ich nippte daran und konzentrierte mich ganz auf die Wärme die mir den Rachen hinunterläuft, dabei versuchte ich Davian zu meiner rechten auszublenden, der ganz so wirkte als wollte er ein Gespräch beginnen. Zu meiner Enttäuschung tat er es.
„Ich freue mich das du mit uns isst".
Ich nahm mir ein Gebäckstück, das sich warm und weich in meinen Fingern anfühlte. „Ich bin nicht freiwillig hier".
„Natürlich nicht". Er klang enttäuscht während ich mir Butter auf die Semmel strich. „Wollen wir nach dem Essen, vielleicht den Rosengarten besuchen", er klang so schrecklich verletzlich während er diese Worte aussprach.
Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. „Ich denke nicht". Die Worte kamen bloß mühsam über meine Lippen. Vor ein paar Tagen noch hätte ich mich gefreut, wenn er mir dieses Angebot machen würde, aber ich wusste, wenn ich ihm so schnell verzieh, würde ich es bereuen. „Wirklich nicht? Ich –"
„Ja, wirklich nicht", fuhr ich ihm über den Mund. Ich hatte Angst, dass wenn er weitersprach, ich es mir anders überlegen könnte. Aus dem Augenwinkel nahm ich war wie Davian seine Gabel in eine Tomate stieß, rotes Fruchtfleisch drang heraus.
Eine Zeit lang herrschte Stille im königlichen Speisezimmer. Vater und Reika hatte nur Augen für einander und Davian hing seinen eigenen, seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, trübsinnigen Gedanken nach. Bloß Sorea startete ein, zwei Mal den Versuch ein Gespräch zu beginnen, in dem sie davon berichtete wie schön das gestrige Picknick war und wie viel Spaß sie nicht hatten. Doch bei ihren Sticheleien konzentrierte ich mich ganz auf das große Gemälde an der Wand mir gegenüber das Szenen einer Hirschjagd zeigte, nahm all meinen Anstand und gratulierte ihr zu dem gelungen Abend.
Allen in einem war es ein äußerst trostloses Familienessen das durch die Botschaft, die ein Botenjunge mit hochrotem Gesicht, übermittelte, nicht angenehmer wurde. Vater nahm sie entgegen, brach das Siegel und begann das Lesen. Es war das Siegel des Anführers der Stadtwache, zwei gefaltete Hände die die Treue der Wache zum König symbolisieren sollte. Wage habe ich ihm Gedächtnis das der Name ihres Anführers Sir Willbold Werlam war, ein untersetzter Mann mit Hackennase. Meine erste und auch letzte Begegnung mit ihm war vor drei Jahren, als es er seinen Eid an die Krone leistete und zu seinen Ehren ein Festessen abgehalten worden war. Damals kam er mir ziemlich überheblich vor, ich fragte mich ob es keine fähigeren Männer als ihn gab. Momentan frage ich mich was es so Wichtiges gab, dass es wert war, den König beim Essen zu stören. Anscheinend nichts Gutes, angesichts dem wulstigen Gesicht meines Vaters das sich dunkelrot verfärbte.
„Diese Saubande", stieß er aus. Sein Atem ging heftig und Schweißperlen standen, trotz der angenehmen Temperatur, auf seiner Stirn.
„Aber mein Liebster, was ist denn los?", säuselte Reika und strich beruhigend über die Hand ihres Gatten. Ich zweifelte keine Sekunde daran das sie die Botschaft, egal was es sein mochte, kalt ließ. Solange sie Königin war und eine Krone ihr Haupt zierte, konnte sie nichts bekümmern.
„Ein Aufstand in der Stadt," lautete seine knappe Antwort. Immer und immer wieder flog sein Blick über die Botschaft.
Davians Haltung war angespannt, die Gabel hing schlaf in seinen Fingern. „Was habt Ihr jetzt vor?", fragte er mit großen Augen.
Vater schwieg einen Moment. Er hatte ein weißes Tuch herausgeholt und fuhr sich nun damit über seine vor Schweiß glänzenden, kahlen Kopf. „Ich werde den Befehl erteilen den Aufstand niederzuschlagen und die Verantwortlichen gefangen zu nehmen um an ihnen ein Ensemble zu stationieren."
„Das ist eine gute Idee, mein Liebster", bestätigte Reika, die sich schon wieder dem Essen auf ihren Teller zugewandt hatte. Ihre Tochter ließ der Aufstand ebenfalls kalt, sie war ebenso so einfältig und Macht besessen.
„Was ist der Grund des Protests?", fragte mein Bruder, sein Ton war sachlich und kühl, doch seine angespannte Haltung ließ mich schließen das ihn der Aufstand wahrhaft mitnahm.
„Zu wenig Brot, zu hohe Steuern? Wie auch immer, allesamt undankbares Gesindel". Mit diesen Worten stand der König auf, warf seine Serviette schwungvoll auf den Tisch und verschwand.
Nach der Aufregung heute Morgen, war ein ruhiger Gartenspaziergang alles was ich brauchte. Mich der frischen Luft und den Geräuschen der Natur hinzugeben, half mir die pochenden Kopfschmerzen, die mich seit dem Aufstehen begleiteten, für einen Moment zu vergessen. Die Sonnet schien rücksichtslos auf mich herab, als ich aus dem schützenden Blätterdach des kleinen Wäldchen trat. Allein der kleine Sonnenschirm den ich mit mir trug, spendete mir Schutz.
Durch den Wald war ich in einen abgelegeren Teil, im Norden des Palastgartens, gekommen. Ich war lange nicht mehr hier gewesen, auchjetzt kam ich nicht bewusst. Dennoch folgte ich dem schmalen Kiesweg.Vielleicht waren es die letzten Tage, Davians Angebot heute Morgen oder eineMischung ausbeiden. Nach wenigen Metern erreichte ich den quadratförmigenRosengarten, der hinter einer, penibel genau, geschnitten Hecke, verborgen lag.
Als ich durch den, von Efeuüberwucherten Eingangsbogen schritt, war ich vor Schrecken kurz sprachlos. DieBlüten waren klein und ihre Farbe blass. Nichts zeugte auf die prachtvollen Rosendie zur Zeit meiner Mutter ihr wuchsen. IhrGarten war von Andorien, im Norden bis Remsa hin bekannt. Ich drückte Leandermeinen Sonnenschirm in die Hand und bückte mich dann um die Blumen zubegutachten. Mein Herz zog sich zusammen als ich sah in welch schlechtemZustand sie waren. Es gab keine Rose deren Blätter nicht von Käfern angeknappert worden sind. Schnell wandte ich mich von den Pflanzen auf, meinBlick fiel auf die Marmorskulptur die eine Frau mit einem Blumenstrauß in derHand zeigte. Auf dem Sockel auf dem sie thronte stand: In Gedanken an meine geliebte Ehefrau und Königin Elvira Pita Julaikavon Kremera, die aufgrund einer Krankheit viel zu früh von uns wich.
Ich zögerte damit, näher zu treten.
„Kannst du bitte gehen?", fragte ich den Soldaten, dessen Blick die Gegend mustern zu schien.
Es überraschte mich, als Leander nickte. Ich hatte nicht gedacht, dass er meinen Befehlen Folge leistet, da seine Meinung über mich so schlecht war.
Nachdem das Knirschen von Kies verklungen und ich nach langer Zeit endlich wieder alleine war, spürte ich wie all die Anspannung von mir abfiel. Ich ließ mich auf die Knie sinken und achtete nicht darauf das der Boden mein Kleid schmutzig machen konnte. Der Stein fühlte sich kalt und leblos unter meinen Fingern an, doch ich wusste das hier, in jeder einzelnen Blume, der Geist meiner Mutter lag. Sie hätte hier begraben werden sollen und nicht in der Familiengruft unter dem Schloss. Mutter hatte die Gruft nie gemocht, sie war ihr zu dunkel und trostlos.
Hier an diesem Ort, an dem ich mich ihr so Nahe fühlte, packte mich plötzlich heiße Scham. Es fühlte sich falsch an den Garten zu betreten, wo ich mich doch solange von ihm Fern hielt. Ich hatte Angst, dass der Anblick der Rosen, Salz in die Wunden streuen würde. Und nach dem Vater Reika zur Frau nahm, fühlte es sich so an, als hätte ich sie verraten. Ich wurde wütend auf mich, die ich Reika anfangs sehr nett fand, und auf Vater, da er Mutter einfach ersetzte. Ich hatte Angst das sie mich hassen würde, und hasste mich deshalb selbst. Aber wenn ich mich hier und jetzt bei ihr entschuldige, kann ich meine Schuld begleichen um meine Seele zu reinigen. Also fing ich an zu sprechen und erzählte ihr von den vergangen drei Jahren. Anfangs kamen die Worte bloß brüchig über meine Lippen, doch nach und nach verschlug ich mich fast vor Aufregung. Als meine Erzählung bei heute Morgen endete, verstummte ich. Mit jeder Silbe, jedem Wort spürte ich wie mein Geist freier wurde. Ich ertappte mich sogar dabei, wie ich lächelte.
Als ich mich wieder erhob, meinen Sonnenschirm nahm und zurück zum Ausgang schritt, fiel mir zu allererst Leanders skeptischer Blick auf, der mein Kleid musterte, Verwirrt blickte ich an mir herab und entdeckte auch schon bald den Grund seiner Verwunderung. Unterhalb meiner Knie war das einst blassblaue Kleid grau, von Staub bedeckt. Eine Spitze Bemerkung lag mir auf der Zunge, doch der Besuch im Garten hatte mich so entspannt, fast so als wären alle schlechten Gedanken mir ausgetrieben worden, deshalb schwieg ich. Es fiel mir wahrhaft nicht leicht, besonders nicht als die Verwunderung, wieder der altbekannten Verachtung Platz machte. Zusätzlich fehlte mir die Zeit. Ein Blick auf die Sonne verriet mir das bereits Mittag war, wenn ich pünktlich zum Gartenfest erscheinen will, sollte ich mich beeilen.
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