Kapitel 4 - Der Preis

Sie waren entkommen. Sie waren frei. Und dennoch war der Preis zu hoch. Ein Preis, den Noah nicht bereit gewesen war, zu zahlen. Jade und Casey und viele andere waren noch immer in Gefangenschaft und wer weiß, was diese Verrückten ihnen antuen würde. Er war drauf und dran einfach zurück zu rennen und seine Schwester und die anderen zu befreien, doch es hätte keinen Sinn. Er war unbewaffnet und ein unausgebildeter Zwölfjähriger während dadrin mindesten zwanzig vollausgebildete und brutale Zauberer waren.

Es war unklar, wo sie waren. Alles sah gleich aus, überall waren Bäume und nirgends war ein Schild oder nur ein Hinweis, der ihren Aufenthaltsort verraten würde. Und sie waren so wenige. Pascal und Leonie hatten sich zusammen an einen der Bäume gelehnt und hatten sich die Arme um die Schultern gelegt und sie sahen so aus, als würden sie sie so schnell nicht wieder loslassen. Edwin saß mit immer noch schreckgeweiteten Augen auf dem Boden und hatte seine Arme um die Beine geschlungen. Etwas weiter entfernt waren eine ältere Slytherin-Schülerin, ihr Name war Basel und sie ging in die dritte Klasse. Mehr hatte sie nicht gesagt. Und direkt neben den beiden Hufflepuff-Mädchen hatten sich die geflohenen Erwachsenen zusammengesetzt. Zwei Zauberer und eine Hexe. Sie flüsterten leise miteinander und warfen den Schülern immer wieder merkwürdige Blicke zu. Noah konnte diese Leute nicht leiden. Nicht nur, dass sie die Schüler aus ihrem Weg geschubst hatten, nein, sie hatten auch keinen Finger gekrümmt, um etwas zu unternehmen, als einige wieder gefangen genommen wurden. Es war alleine Jades Verdienst, dass diese Personen wieder frei waren und niemand von ihnen hatte sich keinster Weise erkenntlich gezeigt. Dass Schüler ihr Leben riskiert hatten um zu fliehen und sie dabei freigelassen hatten, nahmen sie wohl als Selbstverständlichkeit an.

Sie waren den halben Tag lang durchgerannt, um weg von diesem Ort zu kommen. Noah hatte noch versucht, sich etwas einzuprägen, was ihnen bei der Suche helfen würden, wenn sie es nach Hause schaffen würden, doch das einzige was ihm in Erinnerung geblieben war, war das Gesicht seiner Schwester, als die Decke über ihnen einbrach und den Ausgang versperrte. In ihrem Blick hatte etwas flehendes aber auch glückliches gelegen. Er würde auch ihre letzten Worte nicht vergessen, die sie ihm zugerufen hatte. Sogar in so einem Moment hatte sie an andere gedacht.

"Wo sollen wir denn jetzt lang gehen? Es sieht doch alles gleich aus. Woher wissen wir, dass wie nicht in die falsche Richtung gehen.", fragte Pascal leise, aber laut genug, dass Noah sie hören konnte. Ihre Schwester wusste keine Antwort und auch er war ratlos. "Wir finden schon einen Weg.", antwortete Edwin mit einem gezwungenen Lächeln. "Keine Sorge." Ein Schnauben ertönte. Die Hexe blickte verächtlich zu den Kindern und musste sich stark ein Grinsen verkneifen. Noah beachtete sie nicht weiter. "Wir sollten abwarten, bis sie Sonne untergeht, dann können wir uns an ihr orientieren.", sagte Noah. Wieder ein abfälliges Schnauben. Dieses Mal blickte Leonie empört zu den Erwachsenen. "Wir sollten uns einen Platz zum übernachten suchen.", sagte Noah etwas lauter, damit Leonie nichts Dummes sagte.

"Da führt sich jemand wie der Anführer auf." "Ja, als hätte er irgendwas getan, dass uns geholfen hätte." Das Flüstern der Erwachsene wurde vom Wind zu ihnen getragen und nun musste Noah sich stark zusammen reißen, dass er nicht einfach einen Stein nach ihnen warf. Verlockend war es ja. "Wir können nur hoffen, dass sich in diesem Wald irgendetwas Essbares findet, sonst schaffen wir es wohl nicht gerade gesund und munter nach Hause."

"Pah. Ich wird bestimmt keine Wurzeln und Beeren essen.", sagte die Hexe und versuchte nicht mal ihre Stimme zu senken. Noah schloss die Augen und versuchte sie einfach auszublenden. "Wir sind doch keine Wilden oder leben wie die Tiere. Da wo ich herkomme, isst man noch ausgewogene Mahlzeiten und keine Waldfrüchte.", erwiderte einer der Männer. "Da geb ich dir Recht. Nur weil wir jetzt entkommen sind, heißt das nicht, dass wir weiter wie Gefangene essen müssen." An Noahs Schläfe begann eine Ader zu pochen. "Diese Rotschopf hätte sich aber auch einen besseren Plan einfallen lassen können."

Zwischen Noahs Fingern wurden gerade trockene Blätter aufs Schlimmste zerpflückt. "Keine Ahnung was die sich dabei gedacht hatte. Wegen ihr werden wir noch alle drauf gehen."

"Haltet eure dämlichen Schnauzen!" Pascal war aufgesprungen, Tränen in den Augen und die Hände zu Fäusten geballt. "Alleine wegen Jade konnten wir überhaupt entkommen. Ich habe nicht gesehen, dass einer von euch einen schlauen Plan gehabt hat, der uns in irgendeiner Weise geholfen hat. habt ihr nicht wehrlose Schüler zur Seite geschubst, nur um eure eigene Haut zu retten?" Pascals Stimme wurde immer lauter. "Ihr seid alle verachtenswert. Die schlimmste Sorte Mensch, die ein selbstloses Opfer niedermacht und sich beschwert. Macht etwas dagegen, wenn es euch nicht gefällt aber wagt es ja nicht den Namen meiner Freundin in den Dreck zu ziehen. Sonst kann ich nicht für eure Sicherheit garantieren. Dann würd ich lernen mit offenen Augen zu schlafen, habt ihr das verstanden?" Die Hexe schaute etwas irritiert drein, schien aber nicht im geringsten von Pascals Ausbruch beeindruckt.

"Da siehst du's. Kaum passt ihnen was nicht, werden sie laut.", flüsterte einer der Zauberer. Noah stand langsam auf, warf das zerrissene Blatt zu Boden und ging ein paar Schritte in Richtung der Erwachsenen. Seine Stimme war gefährlich leise als er sprach. "Verschwindet. Ich weigere mich, mit Menschen zu reisen, die so sind, wie ihr. Also geht, oder ich mache Pascals Warnung real." Edwin kam zu Noah, Leonie und Pascal schlossen sich ihm an und gemeinsam starrten sie die Erwachsene mit ruhiger Entschlossenheit und offenkundiger Verachtung an. Langsam, zu langsam für Noahs Geschmack, erhob sich die Hexe und klopfte sich Dreck von der Hose. Mit einem Blick zu den beiden Männern kehrte sie den Kindern den Rücken und verschwand zwischen den Bäumen. Die Zauberer folgten ihr rasch.

"Nun, da wir dieses Problem gelöst haben, können wir uns um die wirklichen kümmern.", sagte Noah und lächelte leicht. Er konnte hören, wie Basel leise lachte, doch als er sich zu ihr umdrehte, saß sie mit dem Rücken zu ihnen. Wenige Zeit später senkte sich der große Feuerball dann dem Horizont entgegen und Noah zeichnete mit einem Stock die Himmelsrichtungen in die Erde. "Okay, also wenn hier Westen ist," Er deutete auf die Richtung, in der die Sonne unterging. ", dann muss hier Osten sein. Das bedeutet, Norden und Süden sind jeweils hier. Hmm. Aber wo gehen wir lang? Wir kommen aus Osten, glaube ich. Es wäre also ganz gut, dass wir in Richtung Westen gehen würden, immer weg von unserem Ausgangspunkt, oder sehe ich das falsch?"

Pascal zuckte mit den Schultern. "Keine Ahnung, du bist der Ravenclaw." "Hey, das ist diskriminierend.", entrüstete sich Noah. "Jeder kann doch soweit logisch denken, dafür muss man nicht in Ravenclaw sein." Pascal grinste. Es war ihr erstes echtes Lächeln seit der Gefangenschaft und Noah war froh, sie wieder lachen zu sehen. Es passte nicht, wenn man sie ansah und keine bunten Farben und ein fröhliches Lachen einen begrüßten. Auch wenn ihre Haare noch immer braun waren, so war doch ein Teil der alten Pascal wieder da.

"Okay. Dann gehen wir morgen am besten weiter in Richtung Westen und hoffentlich finden wir jemanden der uns helfen kann. Irgendjemand, der uns sagen kann, wo wir überhaupt sind.", sagte Edwin und rieb sich die Augen. "Ja. Das wäre gut. Immerhin müssen wir uns beeilen und die anderen befreien. " Leonie legte sich auf die Seite und schaute etwas betrübt. "Keine Sorge. Das kriegen wir schon hin." Pascal nahm die Hand ihrer Schwester und schenkte ihr ein beruhigendes Lächeln. "Nehmt - nehmt ihr mich mit?", fragte ein leise Stimme und Noah fuhr herum. Basel stand halb hinter einem Baum verborgen und beobachtete die vier Schüler. "Natürlich. Warum sollten wir denn ohne dich gehen?", antwortete Pascal. "Na, weil ich nicht zu euch gehöre. Ihr seid doch alle Freunde und ich bin nur ein Niemand, der aus Versehen bei euch gelandet ist." Noah wusste nicht, was er diesem Mädchen sagen sollte. Sie wirkte so unfassbar verletzlich, als würde sie bei der leichtesten Berührung in sich zusammen fallen, wie ein Kartenhaus. "Du kommst mit uns und dann sind wir auch Freunde.", sagte Pascal und stand auf. Ohne auf die leisen Proteste zu achten, nahm sie Basel an der Hand und zog sie zu sich und den restlichen. "Wir stecken hier alle zusammen drin, also müssen wir auch zusammen arbeiten. Wir sind zwar Kinder, aber das heißt nicht, dass wir nicht kämpfen können um weiter zu kommen." Noah lächelte über Pascals Worte. Sie hatte ihren Lebenswillen schon wieder bekommen und das war etwas, was ihnen allen Hoffnung geben würde. Hoffnung, dass sie alle wieder vereint sein würden und dann die Ferien genießen konnten. Zumindest den Rest, der noch übrig war.

Am nächsten Tag, wurde Noah von Pascal geweckt. Die Sonne ging gerade auf und das musste bedeuten, dass es ungefähr um sechs war. Es war immerhin noch Sommer. Wir abgesprochen gingen sie weiter nach Westen und suchten unterwegs nach etwas, was ihnen als Anhaltspunkt dienen konnte. Leonie fand einen Brombeerbusch, den sie sofort leer pflückten. Zwar wurden sie nicht komplett satt, aber es war besser als überhaupt nichts zu essen. Doch sie fanden an diesem Tag niemanden, der ihnen helfen konnte. Noch fanden sie etwas, was ihnen helfen könnte, sich zu orientieren. Überall war Wald und es wollte nicht weniger werden.

Der nächste Tag und leider auch der darauf brachten auch keine wirkliche Abwechslung. Sie gingen den ganzen Tag, suchten nach Menschen oder Häusern, etwas Essbarem und gingen immer weiter gen Westen. Einen Tag darauf passierten sie einen kleinen Bach, den Basel entdeckt hatte. Sie konnten sich waschen und auch endlich etwas trinken. Auch der nächste Tag, war wie die anderen. Erfolglos.

"Wir groß ist denn dieser verdammte Wald?", fragte Pascal am Abend des sechsten Tags. "Das ist ja schlimmer als in diesen Horrorfilmen, in denen sich die Guten im Wald verirren und dann einer nach dem anderen geholt werden." Leonie schlug ihrer Schwester gegen den Arm. "Pascal! ich glaube nicht, dass das ein Thema ist, über das wir jetzt reden sollten." "'Tschuldigung."

Inmitten des siebten Tages hatte Noah einen Einfall. "Leonie, du hast doch schon die Apparier-Prüfung bestanden, oder?" Ihr Gesicht erhellte sich. "Oh! Ja, natürlich. Warum ist mir das nicht eingefallen? Ich kann uns doch von hier wegbringen. Mann, mein Gehirn hat in der Zeit echt zu wenig Sauerstoff bekommen." Leonie blieb stehen und schloss konzentriert die Augen, dann drehte sie sich im Kreis und verschwand. "Oh mein Gott! Sie hat uns jetzt nicht ernsthaft zurückgelassen!", schrie Pascal beinahe außer sich. "Ach du meine Güte, beruhige dich Pascal. Ich wollte nur probieren, ob ich es nicht verlernt habe.", erklang Leonies Stimme hinter ihnen. Sie grinste ihnen zu, als sie sich alle umdrehten. "Damit könnten ich uns direkt nach London bringen, zum Zaubereiministerium. Aber leider wissen wir immer noch nicht, wo wir genau sind."

"Das ist kein Problem! Du bringst dann jemanden von denen hier her und die können dann irgendeinen tollen Zauber benutzen, der sagt, wo das hier ist. Und dann finden sie auch im Nu die anderen und wir sind alle befreit!", sagte Noah aufgeregt. Leonie nickte euphorisch. "Okay, wir müssen uns jetzt an den Händen nehmen, damit ich uns alle mitnehmen kann."

Pascal nahm Leonies linke Hand und hielt dann Basel mit ihrer freien Hand. Edwin ging auf Leonies rechte Seite und Noah hielt sich an ihm fest. "Okay. Ich zähle bis drei, dann konzentriert euch alle auf das Zaubereiministerium, am besten den Besuchereingang. Ihr wart doch schon alle mal dort, oder?" Sie bekam zustimmendes Nicken. Noah erinnerte sich noch gut daran, als seine Großmutter ihn und Jade mal mitgenommen hatte, um ihre Eltern bei der Arbeit zu besuchen. Dabei waren sie mit einer magischen Telefonzelle unter die Erde gefahren und dann in einer riesigen goldenen Halle gelandet. Der Anblick war wirklich umwerfend gewesen.

"Eins." Edwins Hand klammerte etwas fester. "Zwei." Noah schloss die Augen und stellte sich die rote Telefonzelle umgeben von einigen Mülltonen vor. "Drei." Wir durch einen engen, schwarzen Schlauch gepresst fühlte es sich an, zu apparieren. Und gerade als die Luft knapp wurde und Noah schon dachte, sie würden ersticken, fühlte er festen Boden unter den Füßen. Er öffnete die Augen und sah eine rote Telefonzelle.

"Wir haben es geschafft. Leo, du bist die Beste." Pascals warf sich ihrer Schwester überglücklich um den Hals. Basel sah aus, als könnte sie ihren Augen nicht trauen. "Wir-Wir sind in London?" "Ja. Jetzt schnell, ab ins Ministerium!" Leonie öffnete die Telefonzelle und wählte eine Zahlenkombination. "Kommt schon!" Die anderen vier quetschten sich mit rein, kurz bevor eine kühle Frauenstimme sie begrüßte. "Willkommen. Bitte nennen sie ihre Namen und ihr Anliegen."

"Ähm. Leonie Livian, Pascal Livian, Edwin Booth, Basel Moore und Noah Graeham. Wir sind hier um - ähm - jemanden zu finden, der uns hilft.", sagte Leonie etwas ratlos. "Besucher, bitte entnehmen sie die Plaketten und machen sie sie an ihrem Umhang gut sichtbar fest. Das Zaubereiministerium wünscht ihnen einen angenehmen Aufenthalt." Leonie reichte kleine, leuchtend blaue Anstecker weiter. Noah Graeham, Suchmission, stand auf seinem Anstecker. Dann ruckelte die Telefonzelle und bewegte sich nach unten. Es wurde dunkler und irgendwann war es dann komplett schwarz.

"Hab Geduld Jade. Wir holen euch da raus."

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