Kapitel 27 - Ein beinahe unbekümmertes Weihnachten

Es dauerte nicht lange, dann war Hogwarts beinahe leer. Die meisten Schüler fuhren während der Feiertage nach Hause und obwohl es dieses Jahr eine noch bessere Sicherung des Hogwarts-Expresses gab, wollte Jill auf keinen Fall erneut in den Zug einsteigen. Sie und alle anderen Drachenfüchse würden über Weihnachten im Schloss bleiben und sich gemeinsam eine schöne Zeit machen, auch um auf andere Gedanken zu kommen. Die letzten Tage waren für alle auf Hogwarts schwer gewesen, nicht nur wegen dem ansteigenden Prüfungsstress, sondern auch aufgrund den immer mehr auftretenden Taten der Todesser. Der Tagesprophet berichtete schon lange nicht mehr davon. Sie hatten auch den Zwischenfall in Hogsmeade nur einmal kurz angeschnitten. Wenn man irgendetwas erfahren wollte, dann musste man den Klitterer lesen, auch wenn man sich dort durch einige Artikel blättern muss, die seltsame Phänomene oder Tierwesen beschrieben, die es keinesfalls geben konnte. Jill hatte sich den Klitterer abonniert, denn wenn wieder irgendwas geschehen sollte, wollte sie es auch aus erster Hand erfahren und nicht auf den Schulfluren von den Lehrern aufschnappen.

Und um auch ja gut in Festtagsstimmung zu kommen und auf feierliche und schöne Gedanken zu kommen, hatten Jill und Adley die ganze Sache schon eine Woche im Voraus geplant. Es war auch mit Professor McGonagall abgesprochen und sie hatte ihnen sogar den Raum der Wünsche zur Verfügung gestellt. Den Tag vor Heiligabend trafen sie sich alle im siebten Stock. Pascal und Leonie hatten für Dekoration gesorgt, die sie im Raum anbringen konnten, Jill und Adley hatten die Hauselfen gebeten, ihnen Zutaten für Plätzchen zu geben und Edwin hatte mit Hagrids Hilfe einen Baum beschafft, den sie schmücken konnten. Sie warteten nur noch auf Tamara und Amanda, die sich um einen magische Musikbox kümmern wollten, dann konnten sie einen Raum erschaffen lassen. Doch die beiden Mädchen waren spät dran und auch nach einer weiteren halben Stunde des Wartens, war nichts von ihnen zu sehen. „Wir sollten nicht noch mehr Zeit verschwenden. Sie haben es bestimmt vergessen oder wurden aufgehalten. Vielleicht kommen sie ja nach", sagte Pascal und trat ungeduldig von einem Bein auf das andere.

Jill blickte zu Adley, der die Schulten zuckte, dann nickte sie und schloss die Augen. Gib uns einen Raum, in dem wir die Dunkelheit vergessen können. Gib uns einen Raum, in dem wir die Dunkelheit vergessen können. Gib uns einen Raum, in dem wir die Dunkelheit vergessen können. Die Tür des Raums erschien in langsamen und schnörkligen Kreisen auf dem glatten Stein und Adley drückte sie runter. Neugierig spähte Jill hinein und entdeckte einen geräumigen, zweigeteilten Raum mit einem hellen Kamin und einem bereitgestellten Sockel für einen Weihnachtsbaum. „Ohh, wie hübsch", schwärmte Pascal, als sie in den zweiten Teil des Raumes, einer Art Küche, blickte. „Das ist ja perfekt."

„Das ist es allerdings", sagte Jill und stellte die Backmaterialien in der Küche ab. Edwin dirigierte den Baum mit seinem Zauberstab an seinen angestammten Platz, dann schloss er die Tür hinter sich. „Was machen wir zuerst?", fragte Leonie, die sich die Küche angesehen hatte. „Zuerst wird geschmückt, ist doch klar!", rief Pascal aus und stürzte sich auf die Kartons mit den Dekorationssachen. Mit einem Kopfschütteln, aber einem Lächeln auf den Lippen folgte Leonie ihrer jüngeren Schwester und gemeinsam packten sie die ganzen Girlanden und Figürchen aus. Entgegen von Jills Erwartungen brauchten sie nicht allzu lange, um den ganzen Raum zu schmücken. Bunte und glitzernde Girlanden hingen von der Decke und waren von Wand zu Wand gespannt. Der Kamin war mit Tannenzweigen und Kugeln geschmückt und selbst die große Sitzecke wurde nicht ausgelassen und mit etwas Kunstschnee eingerieselt.

„Ta-Da!" Pascal hatte sich in die Mitte des Raumes gestellt, die Hände in die Hüften gestemmt und ein breites Grinsen aufgesetzt. Ihre Haare fügten sich dem weihnachtlichen Glanz ordnungsgemäß mit hellen Grün – und Rottönen ein. „Und jetzt schmücken wir den Baum." „Warte!", rief Edwin aus. „Es wäre doch ertragreicher, wenn wir uns aufteilen und die eine Gruppe bereits anfängt, die Kekse vorzubereiten, oder nicht?" Pascal verschränkte die Arme und murmelte irgendwas von wegen 'besserwisserische Ravenclaws, immer dasselbe mit denen'.

Doch alle waren schließlich einverstanden und so teilten sie sich auf. Pascal und Leonie würden den Baum schmücken (auch wenn Jill vorerst dagegen war, denn so wie sie Pascal kannte, würde der Baum kaum noch zu sehen sein) und sie, Adley und Edwin würden die Kekse backen. Auch wenn es einfach aussah, backen war gar nicht Jills Ding. Nachdem sie vierten Mal einfach ein ganzes Ei in die Schüssel geworfen hatte, erbarmte sich Edwin und half ihr, denn anscheinend war seine Mutter eine ganz begeisterte Bäckerin und hatte ihrem Sohn den einen oder anderen Kniff gezeigt.

„Bei Merlin!", rief Jill dann plötzlich aus und stieß beinahe die Schüssel mit dem Teig vom Tisch. Adley und Edwin schauten sie ganz verstört an. „Wir haben jemanden vergessen!" Adley blinzelte kurz, dann räusperte er sich. „Und wen?", fragte er vorsichtig. Jill sprang aufgeregt von einem Bein aufs andere. „Tatze! Noahs verfressenen Kater!" Die beiden Jungs blickten sich erneut an, dann wandte sich Edwin an Jill. „Du willst den Kater hier herholen?"

„Na klar. Er soll doch nicht die ganze Zeit nur alleine auf dem Bett rum liegen. Er braucht bestimmt auch mal ein paar Streicheleinheiten, oder nicht?" Adleys Miene hellte sich plötzlich auf. „Natürlich! Warum gehst du ihn nicht holen? Wir kümmern uns um den Rest." Jill grinste breit. „Ihr wollt mich loswerden, weil ich eine Gefahr für die Küche bin, richtig?"

„Nein!" „Nein!" „Doch." Die drei fingen an zu lachen, dann wischte sich Jill die Hände ab. „Du musst nur eine Frage beantworten, dann lässt dich der Türknauf rein. Unser Schlafsaal ist gleich der zweite auf der rechten Seite, ich bin alleine da, also wirst du keine bösen Überraschungen erleben", erklärte Edwin und Jill verließ den Raum der Wünsche. Sie war schon ein paar Mal beim Ravenclawgemeinschaftsraum gewesen, meistens, um Noah für den Unterricht abzuholen oder sich seine Hausaufgaben des letzten Jahres zu schnorren. Jetzt war es irgendwie etwas anderes, ganz alleine dort rein zu gehen. Es fühlte sich an, als würde sie eine Grenze überschreiten.

Der Adlertürknauf schlief, als Jill an der Tür ankam. „Ähm, Verzeihung?", sagte sie leise, erntete jedoch keine Reaktion. „Hallo?" Sie stupste den Türknauf an, dieser schlummerte jedoch einfach weiter. Jill verschränkte genervt die Arme und legte den Kopf schief. „Ich würde gerne in den Raum, wenn's möglich wäre." Der Knauf schnarchte einmal laut auf, dann gab er leise Schmatzgeräusche von sich. „Na, dann geh doch", murmelte er schläfrig und die Tür schwang auf. „Äh, danke schön." Jill trat vorsichtig ein. Auf einigen Sesseln saßen Sechs – und Siebtklässler, die sich unterhielten, Zauberschach spielten oder in den vielen Büchern lasen, die in den Regalen überall verteilt waren. In der Hoffnung, keine große Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, ging Jill mit schnellen Schritten auf die schmale Treppe zu, die am rechten Teil des Raumes war. Edwin und Noahs Raum war kleine, aber hell. Es standen nur drei Betten darin, aber nur eines sah aus, als wäre es benutzt worden. Die anderen wirkten kalt und unnahbar. Auf Noahs Bett, dem unter dem Fenster, konnte sie Tatze entdecken, der leise schnarchend auf den Kissen lag. Sie betrachtete den großen Kater kurz, bevor sie ihn sanft am Kopf kraulte und damit weckte. Er gab ein gequältes Maunzen von sich, als Jill versuchte ihn hochzunehmen. Jedoch hatte der Kater ganz andere Pläne und wollte schon gar nicht von einer Gryffindorzweitklässlerin hochgenommen und durchs Schloss getragen werden. Er schlug Jill beinahe die Krallen in die Hand, als sie versuchte unter seinen Bauch zu greifen und resigniert ließ sie sich auf Noahs Bett nieder. „Was machst du nur?", flüsterte sie in die Stille des Winters und spürte, wie ihre Augen wieder anfingen zu tränen. Sie wollte jedoch nicht mehr weinen. Sie wollte keine Schwäche mehr zeigen und schon gar nicht an Weihnachten, an einem Tag, an dem man fröhlich sein sollte.

Sie wusste nicht genau, wie lange sie einfach nur da saß, aber irgendwann, als der Himmel sich verdunkelt hatte und das Zimmer nicht mehr hell und freundlich wirkte, war sie energisch aufgestanden und hatte den dicken Kater ohne Rücksicht auf Verluste gepackt und aus dem Raum getragen, die kläglichen, protestierenden Maunzer ignorierend.

Völlig entkräftet und schwer atmend kam sie schließlich wieder am Raum der Wünsche an. In der Zeit, in der sie verschwunden war, waren Tamara und Amanda angekommen. Sie wurden anscheinend von Professor Aiden aufgehalten, der gedacht hatte, sie würden einen Streich planen. „Er hat die Musikbox drei Mal auseinander genommen, ehe wir gehen durften. Der Typ ist paranoid, ich sag's euch", zeterte Amanda, als sie die Musik zum Laufen brachten. „Jill, na endlich. Ich hab schon gedacht, du wärst jetzt bei uns eingezogen", scherzte Edwin und Jill legte Tatze vor dem Kamin ab, nahe dem bunt geschmückten Baum. „Nein, das nicht unbedingt, aber versuch du mal den Kater zu tragen, der wiegt bestimmt eine Tonne." Sie ließ sich erschöpft auf einem Sessel nieder und als hätte Tatze sie verstanden, sprang er auf die Lehne und schmiegte seinen Kopf an ihren Arm. Lächeln streichelte sie den Kater.

„Du kommst genau richtig, der Baum ist fertig und wir können die Kekse dekorieren!", rief Pascal aus und katschte freudig in die Hände. „Und danach kommt der beste Teil von allem!"

„Wir können essen?", fragte Leonie belustigt. „Wir können essen!" Pascal hüpfte einmal in die Luft dann sprintete sie in die Küche und sie konnten hören, wie sie alles auf den Tisch warf. Müde stand Jill auf und ließ Tatze auf dem Sessel liegen.

Die Plätzchen dekorieren entpuppte sich als äußerst schwierige, klebrige und süße Angelegenheit. Nicht nur, dass sie sich zu siebt in die Küche quetschen mussten, Pascal hatte anscheinend noch nie Zuckerguss selber gemacht und hatte beinahe eine ganze Packung Zucker verwendet, ehe man sie aufklärte. Aber es machte Spaß, sich zusammen an die vielen Kekse zu machen, sie mit farbigen Zuckerguss einzureiben und Streusel und Schokoladenherzen draufzukleben, Gesichter aufzumalen oder einfach nur süße Zuckerperlen zu naschen. Sie lachten und alberten herum und seit langem fühlte sich Jill mal wieder richtig belebt und fröhlich. Keine schlechten Nachrichten, die wie Gewitterwolken über ihren Köpfen hingen. Keine finsteren Blicke von Lehrern, die ihnen sagten, es war wieder etwas passiert. Keine mitleidigen Blicke von Schülern, die wussten, mit wem sie befreundet waren. Es war einfach nur schön, glücklich zu sein und die Dunkelheit und den Schmerz für ein paar Stunden zu vergessen.

Als alle Kekse ihre Dekoration abbekommen hatten, machten sie sich daran, die Geschenkte unter den Bau zu packen. Es war ein schöner Anblick, der glitzernde Baum und darunter die Dutzend, in buntes Papier eingewickeltes, Päckchen. Mit einem Teller Keksen und einer Tasse heißer Schokolade mit Sahne machten es sich schließlich alle vor dem Kamin gemütlich. Es war spät geworden und die meisten Schüler waren sicherlich schon im Bett, doch die sieben Freunde blieben noch lange auf, erzählten Geschichten, beschwerten sich über Professor Aiden und schwelgten in Erinnerungen, als sie noch unbekümmert waren. Als sie keine Angst haben mussten, ob sie ihre Freunde jemals wieder sehen würden.

Für einen winzigen Moment fühlten sie sich um ein Jahr in die Vergangenheit zurückgesetzt und den genossen sie wahrhaftig.






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