Kapitel 17 - Die Heulende Hütte
Halloween stand vor der Tür und mit dem baldigen Fest am 31. Oktober gab es auch das erste Hogsmeade Wochenende. Alle Schüler ab der dritten Klasse mit der Erlaubnis ihrer Eltern durften das Dorf besuchen und besonders darauf freute sich Noah. Er würde der Enge des Schlosses für ein paar Stunden entkommen und etwas Abstand bekommen. Da Jill, Adley und Edwin noch nicht die Berechtigung hatten, würde er den Tag mit Pascal verbringen, die in ihrem ZAG Jahr ebenfalls eine Pause von den Hausaufgaben benötigen konnte. Der Ausflug würde am Wochenende vor Halloween stattfinden, doch bis dahin würde er noch zwei Tage überstehen müssen.
Und das hieß, er müsste zwei Stunden Zaubertränke, zwei Stunden Verwandlung und eine Doppelstunde Geschichte der Zauberei aushalten, bis die Schule vorbei war. Besonders Verwandlung war für ihn eine Qual, da es immer noch das einzige Fach war, in dem er in allen Punkten versagte. Dass nun ausgerechnet immer noch Professor Aiden, Jades Hasslehrer, dieses Fach unterrichtete machte es nicht gerade besser. Zwar hatte er letztes Jahr einen Nachhilfekurs mit Jill besucht, doch damit hatte er auch nur gerade so die Prüfungen bestanden. Die Doppelstunde diesen Donnerstag jedoch übertraf seine schlimmsten Erwartungen bei weitem. Sie würden nun damit anfangen Verwandlungen an Menschen zu üben. Dass dieser Stoff eigentlich erst in der fünften Klasse dran kam, interessierte Professor Aiden nicht sonderlich.
"Die Verwandlungen an Menschen, wie sie bemerken werden, ist um einiges schwieriger zu meistern, als die normale Objektverwandlung. Sie müssen sich während des Zauberns immer hundertprozentig konzentrieren, was und wen sie in was verwandeln wollen. Die kleinste Abweichung ihrer Gedanken kann zu großen Fehlern führen, die nur schwer wieder gut zu machen sind. Lassen sie sich also nicht ablenken, oder sie verpassen ihren Banknachbarn vielleicht eine orangefarbene Augenbraue, die für einige Wochen nicht mehr verschwindet." Professor Aiden schaute sich in der Klasse um, bevor er weiter redete. "Nun, bevor sie jedoch an andren Personen üben, werden sie erst einmal versuchen sich selber zu verwandeln. Nehmen sie dazu diese Spiegel -" Vor jedem Schüler erschien ein rechteckiger Spiegel mit Stütze. " - und versuchen sie einfach mal, ihre Haare zu färben. Konzentrieren sie sich auf den Teil, der farbig werden soll und stellen sie sich dann die Farbe vor. Dann sagen sie den Zauberspruch, der in ihrem Lehrbuch auf Seite 47 steht. Den Zauberstab schwingen sie dafür wie bei dem Schwebezauber Wingardium Leviosa. Nun, fangen sie an. Ich werde durch die Reihen gehen und ihnen helfen."
Die ersten Schüler kniffen bereits angestrengt die Augen zusammen und murmelten vor sich hin. Bei den wenigsten war eine Veränderung zu erkennen. Noah blickte in den Spiegel und sah sein eigenes blasses Gesicht mit den schwarzen Haaren. Er schloss die Augen und stellte sich genauestens seine eigenen Haare vor und wie sie in Rot aussehen würden. "Atramento", murmelte er und machte dabei die gewünschte Zauberstabbewegung. Das Ergebnis war enttäuschend. Denn es war nichts passiert. Aber das hatte er auch nicht anders erwartet. Wenn er schon keine Objekte verwandeln konnte, dann würde es mit Menschen schon gar nicht klappen. Doch er ließ sich nicht entmutigen und versuchte es immer weiter und weiter. Bis zum Stundenende hatte er zwar keine nennenswerte Veränderung bei sich erkennen können, aber er könnte schwören, dass eine seiner Haarsträhnen für einen kurzen Moment rot verfärbt gewesen war, ehe sie wieder schwarz wurde.
Geschichte der Zauberei wurde von jedem Schüler nur noch als Extrastunde zum Schlafen verwendet. So auch Noah, der sich, kaum dass Professor Binns seinen Vortrag über irgendwelche Kobold begonnen hatte, auf sein Buch gelegt und die Augen geschlossen hatte. Er arbeitete zwar in Geschichte der Zauberei schon gar nicht mehr mit, da alle Informationen, die der Geist ihnen gab, auch im Lehrbuch zu finden waren, jedoch machte er dafür seine Faulheit in Zaubertränke wieder wett. Professor Grangers Unterricht war immer wieder interessant und Noah machte es ungemeinen Spaß, die ganzen Zaubertrankformeln auswendig zu lernen. Nicht nur, dass er damit mindestens 50 Hauspunkte für Ravenclaw verdienen konnte, er konnte so auch seinen Kopf von anderen Dingen freibekommen. So konnte er statt an seine entführte Schwester zu denken, sich mit einen Rezept zum Heilen von Drachenpocken beschäftigen. Es tat ihm nicht gut, wenn er immer nur nachdachte und sich Sorgen machte, dass hatte er bei Jill sehen müssen, die vor lauter Sorge nicht mehr schlafen konnte.
Endlich brach der Samstag an und damit auch der Tag, an dem er endlich aus dem Schloss kommen würde. Nach einen kargen Frühstück, über das Jill nur kläglich den Kopf schütteln konnte, traf er sich mit Pascal, die heute mit strahlend hellblauen Haaren glänzte, in der Eingangshalle. Während Noah nur die Wichtigsten Dinge mitgenommen hatte, die auf einem Ausflug wichtig sein könnten, sein Zauberstab, das Notizbuch welches mit Jads verbunden war, welches er seit Wochen nicht mehr aus der Hand legte, dazu, auf Anraten von Jill, ein kleines Essenspaket, die Karte der Rumtreiber und etwas Geld, hatte Pascal sich wohl entschlossen direkt nach Hogsmeade zu ziehen. Ihr Rucksack war so groß, dass Noah sich dort locken hätte hineinsetzen können. "Was hast du denn alles dabei?", fragte er vorsichtig. "Nun, alles was ich auf einem Ausflug in die fernen Lande benötige", erwiderte. Noah hatte so seinen Verdacht, dass sie wieder irgendwelchen Krempel loswerden wollte, doch er sagte nichts. Doch wie er befürchtet hatte, war Pascal zu Tode erschöpft, als sie das Dorf betraten. Sie atmete schwer und selbst als Noah ihr anbot, ihr den Rucksack für ein paar Minuten abzunehmen, wollte sie ihn nicht ablegen.
Hogsmeade bestand zum größten Teil aus Einkaufsläden, Geschäften und Pubs. Nur wenige Wohnhäuser waren zwischen den bunten Schaufenstern zu sehen und wenn man doch mal einen Einwohner des Dorfes sah, dann wirkte er mürrisch. Wahrscheinlich war es nicht gerade einfach, wenn an einigen Wochenenden hunderte Schüler das Dorf stürmten und Lärm machten. Pascal zeigte Noah die wichtigsten Läden, bevor sie sich entschuldigte. "Sorry, aber ich muss kurz was erledigen. Wir treffen uns einfach in einer Stunde im Drei Besen. Bis später!" Pascal lief die Straße weiter entlang und bog dann irgendwann ab und ließ Noah alleine stehen. Dieser betrachtete die Läden um sich herum und beschloss, einfach alle zu besuchen. Bei Derwish und Banges, dem Zauberutensilienladen, fand Noah eine wunderschöne neue Feder, die eine eingebaute Rechtschreibüberprüfung hatte. Er überlegte lange hin und her, doch am Ende kaufte er sich das gute Stück. Mit der neuen Feder bereichert und um zwölf Sickel ärmer, schlenderte er die Straßen entlang und schaute in alle möglichen Geschäfte.
Das Postamt war ein recht hohes Gebäude, mit hunderten kleinen Fenstern, aus denen Eulen herausflogen. Besenknechts Sonntagsstaat, den Bekleidungsladen, ließ er aus, denn er hatte gerade erste eine neue Garnitur Hogwartsumhänge gekauft. Am Ende der Straße konnte er bereits das Drei Besen ausmachen, doch er hatte noch genügend Zeit, also besuchte er den Scherzartikelladen Zonkos. Dort fand er einige äußerst interessante Dinge, die bei zukünftigen Streichen sehr nützlich werden würden. Im Honigtopf drängten sich die meisten Hogwartsschüler. Obwohl draußen ein leichter Nieselregen eingesetzt hatte und der Wind ihm kalt um die Ohren fegte, war es im Inneren des Ladens wärmer als er sich vorstellen konnte. Ein Schüler stand hier neben dem anderen und es war schwer sich fortzubewegen ohne jemandem auf die Füße zu treten. Noch schwieriger allerdings war es überhaupt die Regale zu sehen. Bis er überhaupt mal einige der berühmten magischen Süßigkeiten sehen konnte, musste Noah sich zwischen grimmig dreinblickenden Siebtklässlern und erschöpft wirkenden Angestellten hindurchquetschen. Noah musste jedoch den Laden vorzeitig verlassen, denn er würde es nie schaffen, sich noch Süßes zu kaufen, zu bezahlen, zur Heulenden Hütte zu gehen und dann rechtzeitig beim Drei Besen zu sein.
Aber das am meisten vom Spuk heimgesuchte Haus Englands wollte er unbedingt sehen, also verzichtete er auf einen Zuckerschock. Die Heulende Hütte lag nicht mehr auf dem Weg, der durch das Dorf führte, sondern etwas abseits. In den Büchern über das Zaubererdorf stand geschrieben, dass hier eine Horde von wüsten und aggressiven Geistern leben sollten. Obwohl wohl seit Jahrzehnten kein Geräusch mehr aus dieser Richtung kam, fürchteten sich die Dorfbewohner immer dem Haus zu nahe zu kommen. Von außen wirkte die Heulende Hütte wie ein einfacher, herunter gekommener Gartenschuppen mit zwei Etagen. Die Fenster waren mit Brettern vernagelt und einige der Dachziegel fehlten. Bei genauerem Hinhören, konnte Noah sogar hören, wie der Wind durch die kaputten Bretter jagte. Er war so fasziniert von dem alten Gebäude, dass er das Zweigknacken im Hintergrund nicht bemerkte. Erst, als es aus unmittelbarer Nähe ertönte, drehte er sich schlagartig mit erhobenem Zauberstab um und sog scharf die Luft ein, als zwei vermummte Gestalten auf ihn zukamen. Panik wallte in ihm auf und er stolperte einige Schritte rückwärts. Der Weg ins Dorf war versperrt und ihm blieb als einzige Fluchtmöglichkeit, der Trampelpfad in Richtung der Hütte. Er dachte nicht mehr lange nach, sondern feuerte einen Blendzauber auf die beiden Gestalten und quetschte sich dann unter dem Zaun durch.
Der Weg war von nassen Blättern und Schlammpfützen rutschig und der immer stärker werdende Regen machte es ihm nicht gerade leichter, voranzukommen, ohne zu stolpern. Noah wagte keine Blick nach hinten, sondern rannte einfach weiter. Die beiden vermummten Gestalten sahen genauso aus, wie die, die sie aus dem Hogwartsexpress entführt hatten und die Wächter, aus dem Versteck der Todesser. Noahs Füße trugen ihn sicher über den matschigen Boden und er kam der Hütte immer näher. Nun wurde er noch panischer. Was sollte er machen, wenn er erstmal die Hütte erreicht hatte? Er konnte ja von dort aus schlecht einfach nach Hogwarts gehen. Diese Frage musste er jedoch später beantworten, denn einer der Verfolger hatte einen Schockzauber nach ihm abgefeuert, der ihn nur knapp verfehlt hatte.
Mit einem Satz sprang er durch die halboffene Tür der Heulenden Hütte und verschloss sie noch in der Luft. "Colloportus!", rief Noah und richtete seinen Zauberstab auf die Tür. Ein Klicken ertönte und die Tür wurde magisch verschlossen. "Locomotor Mortis!" Ein Schrank und ein staubiger Tisch bewegten sich vom Boden und stellten sich vor den Eingang, während Noah weiter in das Haus lief. Schwer atmend kramte er aus seiner Tasche das Stück Pergament und musste erschreckend feststellen, dass er sein Notizbuch verloren hatte. Es musste ihm während des Laufens aus der Tasche gefallen sein, dachte er.
"Ich schwöre feierlich ich bin ein Tunichtgut", flüsterte er und sofort erschienen schwarze Linien auf dem Pergament. Mit flinken Augen suchte er die Karte und ab und hoffte einen Geheimgang ins Schloss zu finden. Er entdeckte einen, der durch den Honigtopf führte und - sein Herz setzte einen kurzen Moment aus - einer, der direkt von der Heulenden Hütte zur Peitschenden Weide führte. Wenn er diesen Weg finden würde, wäre er in Sicherheit. Er löschte die Karte und ging dann mit leisen Schritten eine Treppe hinab. Der Staub unter seinen Schuhen knirschte.
Die Treppe führte in ein kellerartiges Gewölbe, mit Fässern und einem kaputten Holztisch, sowie einem Stuhl, aus dem ein ganzes Stück gerissen wurde. Schwer schluckend musste er an die Gerüchte über die Geister denken, die hier lebten und bewegte sich schneller weiter. Über ihm wurde an der Tür gepoltert. Ein Krachen ertönte und Noah bekam langsam wieder Panik. Er musste diesen Geheimgang so schnell wie möglich finden. Er rollte ein Fass nach dem anderen von der Wand, untersuchte den Tisch und auch den Stuhl, doch er fand nichts.
Mit einem splitternden Geräusch wurde die Tür zwei Stockwerke über ihm aus den Angeln gerissen und auch die Barriere, der er aufgebaut hatte, war kein Hindernis für die Todesser. Einige Kacheln an der Wand erweckten nun sein Interesse und mit flinken aber leisen Füßen ging er auf sie zu. er tastete jede einzelne ab und klopfte auch mit dem Zauberstab dagegen, doch es passierte nichts. Die Schritte der Todesser kamen immer näher und mit jedem weiteren wurde Noah panischer und hektischer. Er stieß eine Kiste um, die ihren Inhalt auf dem Boden verstreute und die Schritte über ihm für eine Sekunde erstarren ließen. Dann bewegten sie sich schneller und kamen mehr und mehr in seine Richtung. Noah verfluchte diese Kiste für einen Moment, dann wurden seine Augen groß, als er einen runden Durchgang dahinter erblickte.
"Der Geheimgang", flüsterte er und reagierte eine Sekunde zu spät. Ein Schockzauber flog vom Absatz der Treppe und ließ den Holztisch neben ihm zersplittern und Noah aufschreien. Er wollte einen Schildzauber hochziehen, da hatte ihn schon der nächste Zauber getroffen und nach einem Moment von brennenden Schmerzen im Bauch wurde ihm schwarz vor Augen.
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