Kapitel 15 - Symbol des Mutes

Es war einer dieser Montage, an denen man einfach nur in seinem Bett liegen bleiben und gar nichts tun wollte. Seit dem Vorabend plagten Jill schon Kopfschmerzen, sie hatte dunkle Träume gehabt, in denen zuerst Casey und dann Jade in die Dunkelheit verschwunden waren und dann war sie mitten in der Nacht, schweißgebadet aufgewacht und hatte schwer geatmet. Diese Träume hatten angefangen, nachdem sie bei Caseys Beerdigung gewesen waren. McGonagall hatte denen, die ihm nahe standen, die Erlaubnis gegeben, an diesem Wochenende das Schloss zu verlassen und ihm die Ehre zu erweisen, die er verdient hatte. Auch wenn ihre Eltern zuerst dagegen gewesen waren, Jill zu einer Beerdigung zu lassen, da sie dachten es würde ihr nicht gut tun, hatten sie letzendlich nachgegeben und sie gehen lassen.

Die Trauerfeier war kurz gewesen. Es waren viele Leute anwesend gewesen, die Jill nicht kannte, die zu seiner Familie und seinen Freunden gezählt haben mussten. Nur wenige waren aus Hogwarts dagewesen. Sie, Adley, Noah und Pascal, sowie Leonie und Edwin. Und obwohl jeder von ihnen wusste, dass Casey nicht gewollt hätte, dass sie traurig waren und alle dunkle Sachen trugen, taten sie es trotzdem. Sie hatten trotzalledem geweint, hatten trotzalledem eine Schweigeminute für ihn eingehalten. Nachdem die meisten der Trauergäste gegangen waren, hatten sie sich nocheinmal an sein Grab gestellt und einen Blumenstrauß auf die frische Erde gelegt. Jill waren die Tränen stumm die Wangen hinabgeflossen und sie war froh, dass Adley sie danach in den Arm genommen hatte. Auch er hatte geweint und auch nicht versucht, es zu verstecken. Sie alle hatten zu ihrer Trauer gestanden und sie nicht vorenthalten. Als hätte der Himmel sie in diesem Moment aufmuntern wollen, verzogen sich alle Wolken und die strahlende Sonne trocknete ihre Gesichter. Trozt des Anlasses konnte Jill an diesem Tag auch lächeln. Wo auch immer Casey jetzt war, er würde nie ganz fort sein.

Am Abend ihrer Rückkehr wurden sie von den meisten Schülern mit bedächtigen Blicken beschenkt. Jeder wusste, wo sie waren, doch niemand sprach darüber. Dieses Thema war zu frisch, als das man darüber schon reden könnte. Bald würde es in die Mauern des Schlosses übergehen und ein Teil seiner Geschichte werden, doch bisdahin würde man immernoch an den tapferen Gryffindor denken, der sein Leben auch nach dem Krieg noch verloren hatte.

In der Nacht hatte Jill dann den ersten Traum gehabt. Casey war immer wieder in der Dunkelheit aufgetaucht, hatte sich dann in Jade verwandelt. Sie hatten ihr die Schuld zugeflüstert. Sie hätte sich ja nicht genug angestrengt, sie wäre froh gewesen, als sie entführt worden waren. Jill hatte ales getan, was in ihrer Macht stand, um sie zu finden, doch die Schattengestalten ihrer Freunde hatten ihr nicht zugehört, sie weiterhin verspottet und ihr die Schuld gegeben, bis sie in der Dunkelheit verschwunden waren.

Zuerst hatte sie gedacht, es läge am Schlafmangel der letzten Tage, da sie den Anschluss an die Hausaufgaben verloren hatte und dann die Nächte durchgemacht hatte, doch jede Nacht wieder erlebte sie diese Szene. Sie fürchtete sich schon davor, abends schlafen zu gehen. Immer wieder würde Jade ihr sagen, sie sei eine schreckliche Freundin und sie wäre glücklich, dass sie weg sei. Auch ihren Freunden war das aufgefallen, besonders Tamara und Amanda, die merkten, dass Jill jeden Tag später ins Bett ging und morgens immer wieder als erste aufstand. Die dunklen Augenringe betonten noch mehr, dass es ihr nicht gut ging und Adley wollte sie eines morgens partout nicht zum Unterricht lassen, sondern schickte sie zu Madam Pomfrey, damit sie sie untersuchen konnte. Die Krankenschwester hatte ihr dann einen Schlaftrank gegeben und Jill hatte das erste Mal wieder ohne Träume schlafen können. Leider wiederholte sich das ganze wieder, als sie abends ins Bett ging.

Und jetzt, wo sie eigentlich schon in der Großen Halle sein sollte, lag sie mit offenen Augen in ihrem Bett und rührte sich keinen Zentimeter. Sie wollte nicht schon wieder in den Unterricht gehen, bei dem sie jeder mit vorsichtigen Blicken bedachte, als könnte sie jeden Moment zusammenbrechen. Merlin, sie war nicht umsonst eine Gryffindor. Jill Carter war keine schwache Person. Sie würde es allen zeigen. Und wenn Jade wieder da wäre, würden sie gemeinsam lachen und sie konnte die dunklen Zeiten zusammen vergessen.

Sie kroch aus dem Bett und versuchte dabei, nicht in den Spiegel zu gucken. Sie wusste, dass sie schlimm aussah, so wenig wie sie schlief. Amanda, die es nicht mehr ertragen konnte, wenn Jill ihr Gesicht unter ihren Haaren oder einer Mütze versteckte, hatte ihr eine magische Creme gegeben, die sie frisch aussehen ließ. Jill trug etwas davon unter ihre Augen auf, damit wenigstens die dicken Ringe nicht zu sehen waren. Nach einen kräftigen Atemzug schnappte sie sich ihre Tasche und verließ den Gemeinschaftsraum, um noch etwas zu essen, bevor sie wieder in den Unterricht musste. Dass sie all ihre Freunde in der Großen Halle auf sie warten sah, überraschte sie dann. Bevor sie etwas sagen konnte, schnappte sich Adley ihre Schultasche und steckte sie in eine Abstellkammer, in denen allem Anschein nach, auch die Taschen aller anderen lagen. Dann griff er ihre Hand und führte sie nach draußen.

"Was soll das werden?", fragte Jill mit leicht geröteten Wangen. Pascal beschleunigte ihre Schritte, bis sie neben der Gryffindor lief. "Du brauchst etwas Ablenkung. Also machen wir einen kleinen Spaziergang mit dir."

"A-Aber der Unterricht...?", fing sie an, doch Tamara unterbrach sie. "Der wird auch ohne uns auskommen. Du hast dir eine Auszeit verdient. Auch wenn du es immer noch versuchst zu verstecken, sehen wir, dass du kaum noch schläfst und nicht bei der Sache bist. Wir wissen, wie du dich fühlst."

"Du darfst dir keine Schuld geben.", sagte nun Adley. "Du hast alles getan, was du konntest. Es ist nicht deine, nicht unsere Schuld, dass Casey es nicht geschafft hat und das Jade immernoch nicht da ist." Noah verschränkte die Arme und nickte. "Meine Schwester würde dir die Hölle heiß machen, wenn sie wüsste, dass du dich so gehen lässt. Was soll sie denken, wenn sie wieder kommt und sieht, wie du dich hinter einem Sessel versteckst, weil dir die Schatten Angst machen? Wenn Jade wieder da ist, will ich, dass sie nicht denken muss, dass sie uns Sorgen bereitet hätte. Es soll alles so sein, wie zuvor auch. Ich will, dass du, als ihre beste Freundin, mit ihr Albernheiten anstellst, Esswettbewerbe machst und ihr Tintenfass versteckst. Mach dich also nicht kaputt.", fügte er etwas sanfter hinzu und Jill spürte wie ihr die Tränen in die Augen stiegen.

Sie waren an Hagrids Hütte angekommen, aus dessen Schornstein Rausch quoll. Der vebotene Wald wirkte so bedrohlich wie eh und je, ein leiser und eiskalter Windhauch schien aus dem Inneren zu kommen und die Wipfel wiegten sich in ihrem eigenen, unheimlichen Takt. Sie schlugen einen Bogen ein und gingen in Richtung des schwarzen Sees. Leonie gab Jill ein Taschentuch, mit dem sie sich die Augen trocknete. Am Ufer des Sees machten sie halt und Tamara holte etwas aus ihrer Jacke hervor. Der Papierfetzen, den das Mädchen in der Hand hielt, machte für Jill einen ziemlich zerknitternden Eindruck, doch als sie ihn entgegennahm, sah sie, dass es sich um einen ausgeschnittenen Artikel aus dem Tagespropheten handelte. Zwei Menschen standen vor einem Grabstein und weinten.

Letzte Ehre für ermordeten Hogwartsschüler

Es ist eine grausame Sache, sein Kind an einen Krieg zu verlieren, mit dem man selbst nichts zu tun hat. Dieses Schicksal erlitten nun Mr. und Mrs. Alvis, Muggel die bereits während des zweiten dunklen Krieges auf der Flucht gewesen waren. Nun ist ihr einziger Sohn durch die Hand der Todesser ums Leben gekommen. Sie hatten bereits die letzten Monate um sein Leben gebangt, da er zu den Kindern gehörte die Anfang des Sommers aus dem Hogwartsexpress entführt worden waren. Ausgerechnet die erste Nachricht über sein Befinden musste die Nachricht seines Todes sein.

"Ich habe mich in meinem Leben noch nie so leer gefühlt. Unsere Tochter spricht seit Tagen nicht mehr, sie hatten ihren großen Bruder über alles geliebt."  Mit Tränen in den Augen, standen Mr. und Mrs. Alvis als erstes und dann als letztes am Sarg ihres geliebten Sohnes Casey, einen mutigen Gryffindor.

Warum genau der junge Schüler der Hogwarts Schule für Hexerei und Zauberer sterben musste, ist noch unbekannt. Die neu angelegte Abteilung zur Verfolgung schwarzmagischer Anhänger der Todesserschaft vermutet Aufklärung, sobald die restlichen entführten Schüler befreit werden können. Zur Zeit vermutet man, dass er zu einer falschen Zeit, an einem falschen Ort etwas falsches gesagt oder getan hätte.

Am Wochenende wurde Casey Alvis im Kreise seiner Eltern, Verwandten und Freunde beigesetzt. Viele der Anwesenden waren Muggel, und es schmerzt Mrs. Alvis sehr, den wahren Grund des Todes ihres Sohnes verschleiern zu müssen.

"Wir können ihnen nicht sagen, was geschehen ist. Sie würden uns für verrückt erklären, wegsperren im Glauben der Tod unseres Sohnes hätte uns den Verstand gekostet. Sie denken, es hätte auf dem Internat ein schrecklichen Unfall gegeben. Doch für uns... es ist als würden wir sein Andenken beschmutzen, indem wir seinen wahren Tod verschleiern." Die meisten Trauergäste blieben also in dem Glauben, Casey Alvis sei auf dem Heimweg an einer Gasvergiftung gestorben. Ebenfalls während der Beisetzung anwesend, waren Caseys engste Freunde aus Hogwarts, darunter auch einige die vor wenigen Wochen aus den Fängen der Todesser befreit werden konnten. Casey war zu diesem Zeitpunkt mutig eingeschritten und hatte seinen jüngeren Freunden zu einer Flucht verhelfen können. Casey schien, bis zuletzt, der mutige Gryffindor gewesen und hatte zuallererst an die anderen gedacht die seiner Hilfe bedarfen.

Zum Abschluss gab uns Mrs. Alvis noch ein letztes Statement, ehe sie an der Seite ihres Mannes und ihrer Tochter verschwunden war.

"Wenn alles stimmt, was uns erzählt wurde, dann war mein Sohn ein wahrer Held. Ich könnte nicht stolzer auf ihn sein.", sagt sie. "Ich wünschte, er wäre noch hier, doch ich weiß genauso gut, wie alle anderen, dass es nicht mehr geht. Es ist für mich und meinen Mann eine schwere Zeit. Es war für uns schon schwer genug, als er vor drei Jahren in der Schlacht von Hogwarts mitgekämpft hat, obwohl er zu jung war. Wir waren krank vor Sorge, dass er unter den damaligen Opfern war. Doch wir hatten Glück. Er war dem Tod einmal entkommen." Nach einer kurzen Pause fährt sie fort. "Doch wie es scheint, hatte das Schicksal keine glückliche Zukunft für meinen Sohn parat. Ich möchte jedoch sagen, dass, egal was passiert, ich froh bin, das er seine eigenen Entscheidungen getroffen hat. Ich bin froh, dass mein Sohn ein Held war. Und ich möchte seinen Freunden sagen, dass ich ihnen dankbar bin, dass sie in der Schule und auch in den Wochen der Gefangenschaft an seiner Seite waren. Alle, die an ihn geglaubt haben und die ihn genauso geliebt haben, wie wir es tun, möchte ich danke sagen. Ihr habt alle meine Gedanken bei euch."

Aufgrund der zunehmenden Bedrohung Muggelgeborener, musste Casey nach seinem ersten Jahr an Hogwarts die Schule verlassen und es dauerte fast 3 Jahre, bis er endlich das zweite Jahr antreten konnte. Er hatte nie die Chance, erwachsen zu werden und dennoch handelte er erwachsener als so manch ein anderer. Er hat sein Leben riskiert, um das anderer zu retten. Er ist ein wahrer Held, dessen Name in die Geschichtsbücher von Hogwarts eingehen wird. Er war ein stolzer Gryffindor und ein guter Freund gewesen.

Er wird für immer ein Symbol des Mutes sein.

Alicia Spinnet, Reporterin des Tagespropheten


Jill senkte den Artikel und blickte auf. Die Blicke ihrer Freunde lagen auf ihr. "Der war in der heutigen Ausgabe. Wir dachten uns, dass du dich vielleicht danach etwas besser fühlst.", sagte Adley zögerlich. Jill lächelte. Tatsächlich fühlte sie sich schon etwas besser. Aber nicht wegen dem Artikel, sondern wegen ihrer Freunde, die sich Sorgen um sie machten. Sie wischte sich über die Augen, gab Tamara das Blatt wieder und zog dann einen nach dem anderen in eine Umarmung. Als sie Adley in die Arme schloss, flüsterte sie ihm ein Danke ins Ohr, welches er mit dem Drücken ihrer Hand erwiederte.



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