Kapitel 12 - Amena Black
Hätte Jade gewettet, nie eine schlimmere Person als McKinnon zu treffen, hätte sie diese Wette haushoch verloren. Nachdem man sie aus dem großen Sitzungsraum gezerrt hatte, wurde sie in einige Flure entlang geführt und dann in ein kleines Zimmer gestoßen. Es war spärlich eingerichtet und erinnerte an ein kleines Empfangszimmer, von dem aus mehrere Türen abzweigten. Natürlich waren alle verschlossen gewesen und auch sonst gab es aus diesem Raum kein Entkommen, wie Jade schnell feststellen musste.
„Bei Merlin! Diese Haare, wie schrecklich ungepflegt und chaotisch. Das wird das erste sein, was wir bei dir ändern werden, Schätzchen." Erschrocken fuhr Jade herum, bereute es kurz darauf aber, da ihr schwindlig geworden war. In einem Türrahmen stand eine Hexe, kaum größer als Jade, gekleidet in ein grässliches grünes Kleid und mit langen, aschblonden Haare. Es war ein Malfoy-blond, wie Jade feststellen musste. Die Frau näherte sich ihr nun und schnalzte mit ihrer Zunge und verzog dabei ihre roten Lippen zu einer Grimasse. Sie wirkte allgemein wie eine hässliche Schminkpuppe als alles andere.
„Lass dich mal näher ansehen. Hach ich bin so aufgeregt, endlich hab ich ein kleines Püppchen nur für mich!" Unsanft griff sie nach Jades dünnem Oberarm, die langen lackierten Fingernägel bohrten sich unsanft in ihre dünne Haut.
„Lassen Sie mich los, ich bin keine Puppe!" Aufgebracht entwand Jade sich dem Griff der Frau und bereute es sofort. Ehe sie reagieren konnte durchfuhr ein altbekannter Schmerz ihren Körper und das schrille Lachen der Frau erfüllte den staubigen Raum.
„Mach keine Mätzchen. Ich habe kein Problem damit dich einfach zu töten, wenn du nicht das machst, was ich wünsche! Haben wir uns verstanden?" Keuchend rappelte Jade sich wieder auf, doch außer einem hasserfüllten Blick konnte sie der Hexe nichts entgegenbringen.
„Mein Name ist Amena. Du wirst mich ab jetzt aber immer mit Mutter ansprechen, ist das klar?" Amena schien auf eine Antwort zu warten, doch Jade funkelte sie nur weiterhin wütend an. Der blondhaarige schien das aber zu genügen, ihre Lippen verzogen sich zu einem breiten Grinsen, dann fuhr sie damit fort, Jade näher zu begutachten. Dabei hob sie Jades Arme an, warf ihr immer wieder abfällige Blicke zu, griff sie unsanft am Kinn und betrachtete ihr Gesicht genauer, zerrte einmal an einer Haarsträhne herum Jade fühlte sich einfach schrecklich, wie Fleisch, welches gehandelt und vorher gut betrachtet wurde.
„Na Gut. Du bist keine völlige Katastrophe, aber wir haben noch viel Arbeit vor uns. Hach, das wird ein Spaß." Amena sprach, als würde sie über einen Familienausflug reden, oder über eine Hausaufgabe. Jade wurde leicht übel und sie musste schlucken, da zückte Amena erneut ihren Zauberstab und wie aus Reflex zuckte Jade fürchterlich zusammen.
„Herrje! Keine Angst Mädchen, wenn du alles tust was ich will, wird dir schon nichts weiter passieren. Jetzt pass gut auf!" Ein kleines Buch erschien in ihren Händen, unsanft drückte sie es dann Jade in den Arm.
„Da steht alles drin, was du von nun an zu beachten hast. Dein Blick wird immer gesenkt bleiben, du sprichst nur wenn du etwas von mir oder meinem Mann gefragt wirst. Du darfst dich frei bewegen, wenn ich in der Nähe bin ansonsten bleibst du in unserer Wohnung, zu dieser werden wir uns gleich begeben. Du hast dich immer gut zu kleiden, dafür werden wir bald in die Winkelgasse reisen, zunächst muss ich mir aber sicher sein, dass du alles tust was ich wünsche und wir... dieses kleine Problem in den Griff bekommen haben." Während Amena ihre dummen Regeln und Vorstellungen erläuterte, schlich sie um Jade wie ein Löwe um seine Beute. Bei dem letzten Absatz griff sie Jade an den Kopf und machte ein abschätzendes Geräusch.
„Wenn ich bemerke, dass du etwas planst oder ähnliches wird das harte Konsequenzen für dich haben. Meinen Mann wirst du immer mit 'Mylord' ansprechen. Nun, komm." Amena wandte sich einer Tür auf der anderen Seite des Raumes zu, nur widerwillig folgte Jade und verfluchte diese Frau mit allen bösen Wünschen, die sie kannte. Sie würde sie weder mit Mutter ansprechen, noch irgendjemand anderes mit respektvollen Titeln. Diese ganze Gesellschaft bestand doch nur aus Irren und verrückten! Doch eine kleine böse Stimme in ihrem Hinterkopf flüsterte ihr Dinge zu. Dinge, die bei Merlin leider stimmten. Jade wollte leben, überleben und entkommen. Und das konnte sie nur, wenn sie nicht in einer kleinen Zelle verrottete. Vielleicht konnte sie ja das treue Hündchen spielen und im richtigen Moment zubeißen. Aber es würde ihr vieles abverlangen und ihrem Stolz immens schaden.
Ihre Vermutung hatte sich bestätigt, sie waren in keinem einfachen Heim, es wirkte wie drei oder vier magisch vergrößerte Häuser, die zusammenhingen. Und das erschreckendste an dem Ganzen war, dass Jade aufgeschnappt hatte dass sie sich in London befanden. In London, wo das Zaubereiministerium stand, wo die Aurorenzentrale war, wo ihre Eltern arbeiteten. Sie war vielleicht nur einen Katzensprung von der Rettung entfernt, doch sie konnte einfach keinen Fluchtweg finden. Amena überwachte sie ständig, Jade musst putzen, Bedienen, Wäsche machen und bei anderer Tätigkeiten helfen. Immerhin bekam sie nun die Tage und Wochen mit, und nach fast einem Monat unter der strengen Aufsicht Amenas, konnte Jade sich sogar einen Tagespropheten ergattern. Wie versteinert starrte sie auf das Datum. 13 Oktober. Sie war nun schon 4 Monate in Gefangenschaft. Der letzte davon war wohl der bisher schlimmste gewesen. Amena war eine durch und durch böse Frau. Sie liebte es andere zu ihrem Vergnügen zu foltern, nicht selten auch Jade. Und sie genoss es, Jade zu Dingen zu zwingen, die sie niemals tun würde.
„Und lass mein Püppchen holen, ich möchte sehen ob wir den ersten Schritt wagen können." Jade zuckte zusammen, als sie die Tür zur unteren Eingangshalle hörte. Amena war wieder zurück. Hastig entsorgte Jade die Zeitung und machte sich wieder daran, die Bücherregale und Tische in dem kleinen Arbeitszimmer zu entstauben. Knarzend öffnete sich eine Tür und atmenlos wirbelte Jade herum. Sie stand jedoch nicht der blonden Hexe gegenüber, sondern der kleinen Hauselfe Gibby gegenüber.
„Gibby wollte sie nicht erschrecken. Gibby soll sie zu Meisterin Amena bringen." Jade versuchte schwach zu lächeln und legte den Staubwedel beiseite. Sie hockte sich vor Gibby und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Keine Sorge, du hast mich nicht erschreckt, ich dachte nur du seist..." Die Augen der kleinen Hauselfe zitterten leicht, als sie verständnisvoll nickte. „Ich bringe Sie jetzt zu Meisterin Amena." Für ihre Größe war Gibbys Griff extrem fest, eine Tatsache die Jade immer wieder erstaunte. In dieser kleinen Hauselfe, egal wie viel sie schon erlebt haben musste, steckte dennoch so viel Kraft und Jade hatte sich entschlossen, nicht nur die anderen zu retten, die noch in Gefangenschaft waren, sondern auch jede einzelne Hauselfe aus diesem Haushalt. Amenas Mann, Immanuel Delvier, war sie bisher nur wenige Male über den Weg gelaufen, und darüber war sie auch froh. Er schien ein eiskalter Mann zu sein, der andere mit seinen Augen durchleuchtet und in die Seele schaut um sie ebenfalls in die Dunkelheit zu ziehen. Jedes Mal hatte sie Gänsehaut bekommen und Angst verspürt, wenn sein Blick auf ihr gelegen hatte, während Amena von ihrer vortrefflichen Entwicklung sprach. Innerlich spottete Jade, schmiedete Pläne oder schwelgte in Erinnerungen um nicht tatsächlich aufzugeben, tatsächlich nur noch eine leere Hülle zu werden. Eine Puppe. Gibby öffnete die Tür zum Salon, Amena unterhielt sich mit einer anderen jungen Frau, die Jade schon mehrmals getroffen hatte. Es war Isabelle Greengrass, gerade mit der Schule fertig geworden und schon in solch perfide Machenschaften eingewickelt. Die Augen der jungen Frau waren leer, eiskalt und berechnend. Sie war genauso emotions- und Mitleidslos wie alle anderen, die Jade in diesem Haus getroffen hatte. Jade senkte den Blick und musterte die Musterung des gestickten Teppichs unter ihren Füßen.
„Ah, da bist du ja. Hast du alles soweit erledigt? Die Wäsche, der Staub und die Vorbereitungen für das Abendessen?" Amenas Schritte klangen dumpf auf dem Teppich, während sie sich Jade näherte. Mit leicht zitternder Stimme, für welche sie sich hätte selbst Ohrfeigen können, antwortete Jade.
„Ja." Einen kurzen Schmerz später lag Jade wieder zitternd auf dem Boden. Und mit ruhiger Stimme erklärte Amena:
„Das heißt: Ja, Mutter." Dann wandte sie sich anscheinend an Isabella. „Mit diesem Detail haben wir leider noch kleine Probleme, aber ansonsten macht sie alles was ihr gesagt wird. Vielleicht haben wir noch ein kleines Halbblut für dich, ich kann ja mit meinem geliebten Mann sprechen." Zitternd richtete sich Jade wieder auf, die Gewalt war sie inzwischen gewohnt und außer dem ziehen in der Wange blieb meistens auch nicht mehr. Ausdruckslos starrte sie zu Boden und ballte die Fäuste.
„Nun denn. Heute wollen wir mit dir in die Winkelgasse gehen und endlich richtige Kleidung besorgen. Bald finden ein paar Bälle und Anlässe statt, bei denen ich mein Püppchen dabei haben möchte um zu zeigen, wozu wir imstande sind. Aber es wäre ja dumm von uns, dich einfach so mitzunehmen. Diese ekelhaften Suchplakate überall." Jades Herz machte einen Sprung. Raus? Würde sie wirklich aus diesem Haus rauskommen! Doch ihre Freude klang schnell wieder ab, es würden Zauber über ihr liegen, sie würde vermutlich unter dem Imperius stehen. Sie hätte keine Chance, etwas zu unternehmen.
„Zuerst einmal diese schrecklichen Zotteln. Ich habe sie schon mindestens vier Mal geschnitten, und schau sie dir an! Und diese Farbe ist auch furchtbar." Amena zückte ihren Zauberstab und richtete ihn auf Jade. Angst keimte in ihr auf.
„Wie wäre es mit...hm... lang und braun?" Ehe Jade sich versah, hatte die Hexe ihren Stab geschwungen und aus ihren orangeroten Locken wurden lange, dicke braune Strähnen die ihr über die Schultern und leider auch ins Gesicht fielen. Isabella schnalzte mit der Zunge und klemmte sich eine eigene hellbraune Locke hinter das Ohr.
„Nein, das ist ja noch furchtbarer. Wie wäre es mit schulterlangen schwarzen Locken?" Gesagt, getan. Es dauerte fast eine halbe Stunde bis sich Amena und Isabella auf Hüftlange aschblonde Haare geeinigt und Jades Sommersprossen hatten sie auch verschwinden lassen. Als sie in den Spiegel blickte, erkannte sie sich selbst nicht wieder und wurde blasser, als sie so oder so schon war.
„Ich denke, damit können wir gut leben." Amena griff nach einer fürchterlichen Lederhandtasche und winkte Gibby zu sich heran.
„Sorg dafür, dass hier alles glatt läuft. Ich wünsche, dass das Essen pünktlich um 7 auf dem Tisch steht. Und bringe meinem Mann ein wenig Gebäck und Tee, es ist bald 2 Uhr." Gibby nickte und eilte dann davon.
„Bevor ich es vergesse. Wenn du nur eine Anstalt machst, zu fliehen oder etwas zu sagen, wirst du schneller Tod sein als dein kleiner Schlammblutfreund. Außerdem werde ich dich als meine Tochter Talia ausgeben. Da wir aus Amerika hierhergekommen sind, werde ich einfach sagen du bist die letzten 10 Jahre dort aufgewachsen und jetzt nachgekommen. Hast du mich verstanden?"
„Ja, Mutter." Jade antwortete klar und deutlich und sprach das Wort Mutter mit soviel Abscheu wie nur möglich aus.
„Und wirst du dich benehmen?"
„Ja, Mutter."
„Und wirst du Anstalten machen, zu fliehen?"
„Nein, Mutter."
„Perfekt, dann lasst und losgehen!"
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