Kapitel 37 - Auf der Koppel
Man braucht zwei Dinge, um normale 11 und 12 jährige Mädchen zum Kreischen zu bringen: Einen freien Samstag und einen liebevollen Halbriesen mit einer Herde Einhornfohlen. Und zufälligerweise war dies Anfang Juni der Fall. Am schwarzen Brett im Gemeinschaftsraum war ein Aushang befestigt gewesen, der darüber Informierte, dass eine Herde Einhörner in den verbotenen Wald gesiedelt worden war und man einige der Fohlen zur Pflege auf einer Koppel in der Nähe von Hagrids Hütte hielt und fleißige Schüler und Schülerinnen suchte, die Extrapunkte für ihr Haus verdienen konnten indem sie diese pflegte. Nunja, Punkte hin oder her: Das Herz junger Hexen (und auch einiger Zauberer) brauchte keine Punkte um ein Einhorn zu sehen, geschweige denn es gesund zu pflegen. Und da nicht bekannt war, wie viele Plätze frei waren, hatte selbst der Morgenmuffel Jade Graeham es geschafft, am Samstagmorgen um 5 Uhr vor Hagrids Hütte zu stehen. Anscheinend waren sie, Pascal und eine Slytherin Drittklässlerin, mit dem Namen Fedora Cherri, die einzigen die so verrückt waren um diese Uhrzeit schon aufzutauchen. Zu ihrem Glück war es schon warm und hell draußen und Hagrid war bereits wach. Jade traute sich nicht zu fragen, wieso sein Bart leicht an gekokelt war und nach einigen Hin und Her konnten die drei Mädchen den Wildhüter überzeugen, schon zur Koppel zur dürfen. Kleinere Bäume standen auf der anderen Seite der Koppel und warfen einen Halbschatten auf die leicht feuchte Wiese. Jade hielt für einen Moment den Atem an. Sie war noch nie in ihrem Leben wirklich verliebt gewesen, doch in der Sekunde, in der sie das helle Fell, das wehende Haar und diese Augen erblickte, verlor sie sich und ihr Herz vollkommen an dieses Majestätische Tier. Vorsichtig betraten die Mädchen die Koppel und Jade sah, dass Pascal und Fedora sich ebenfalls Hals über Kopf in eines der Tiere verguckt hatten. Langsam und unsicher näherte sich Jade dem Fohlen, seine Augen waren wie ein tiefer Ozean aus grünem Licht und eine Gänsehaut überkam sie am ganzen Körper. Das Gras knirschte leise unter ihren Schritten und als sie drei Meter von diesem wunderschönem Tier entfernt stand, hob es den Kopf und schaute ihr direkt in die Augen. In diesem Moment hätte Jade wie heiße Schokolade zerfließen können.
„Hey. Ich bin Jade und ich bin hier um dich wieder gesund zu machen!" Jade hielt vorsichtig eine Hand nach vorne und nach kurzem Zögern, kam das Fohlen einige Schritte auf sie zu und schnupperte interessiert an ihrer Hand. Plötzlich schmiegte es sich mit seinen warmen und weichen Nüstern an ihren Fingern und ein Kribbeln durchströmte ihren ganzen Körper. Es war einfach ein unbeschreibliches Gefühl. Hagrid zeigte ihnen genauestens, wie man diese magischen Wesen pflegte, fütterte und beschäftigte. Wo das Futter stand und wie welche Verletzung versorgt werden musste. Jades Fohlen hatte eine leichte Wunde oberhalb der linken Vorderhufe, vermutlich vom Transport. Insgesamt waren es nur sechs Jungtiere und ihr könnt euch vorstellen, wie enttäuscht Jill war, dass vor ihr genau das letzte zugeteilt wurde. Jade hatte zu der Zeit bereits das Fell ihres Schützlings gesäubert, die Mähne gebürstet und einen kleinen Spaziergang mit dem schüchternen Wesen unternommen. Sie hatte sich dabei sehr vorsichtig und langsam bewegt, immer wieder den Atem angehalten und versucht dem jungen Einhorn nicht in die Augen zu blicken. Sie arbeite bedacht und mit Respekt, denn Einhörner waren selbst in diesem jungen Alter höchst respektable Wesen. Die folgende Woche kapselte Jade sich immer mehr ab und verbrachte jede freie Minute draußen auf der Koppel, umsorgte das Fohlen und schaffte es, ihren Schützling soweit wieder aufzupäppeln, dass er als erstes wieder zu seiner Herde entlassen werde konnte. Einerseits war Jade sehr stolz auf sich, andererseits hatte diese Arbeit eine Milderung ihres Nachsitzens bekommen. Sie hätte sogar ganz Verzicht drauf bekommen, wenn sie sich in aller Form bei Professor Aiden entschuldigt hätte, und man es ihr auch abkaufen würde, aber auf diese Stufe wollte Jade sich wahrlich nicht hinablassen. Sie hatte Fehler gemacht und war nicht perfekt, ja, aber niemals im Leben würde sie bei diesem schmierigen Professor ankommen und sich für irgendetwas entschuldigen. So vergingen die Tage mit lernen, essen, ein paar kleinere Streiche spielen, essen, Briefe zu Professor McGonagall bringen, essen, lernen und schlussendlich in der Sonne liegen und das Wetter genießen. Es war Mitte Juni, eine Woche vor den Prüfungen, und der Rest der Schüler verfiel in absolute Panik. Es war gerade Unterricht, Jade hatte eine Freistunde da einer ihrer Mitschüler es geschafft hatte sich einen Furunkeltrank um die Ohren zu pfeffern und vorsichtig schlich sie den Gang im vierten Stock entlang. Sie wusste, dass Professor Aiden gerade Unterricht mit den sechsten Klassen hatte und hatte eine Kleinigkeit vorbereitet. Eigentlich hatte sie die letzten drei Tage dafür ihren Strafdienst in der Bibliothek genutzt und einen alten Federkiel so verzaubert, dass er dauerhaft seine Form ändern würde bis der richtige Zauber ihn treffen würde. Schlau, wie sie nun einmal war, hatte sie zudem eine kleine Sperre eingebaut, sodass niemand über 18 Jahre den Zauber lösen konnte, schließlich sollten Aidens Schüler etwas zu tun haben! Böse kichernd trat sie aus dem Geheimgang, der sich hinter einer alten Ritterrüstung befand die alten Muggelschlager summte. Vorsichtig vergewisserte sie sich, dass auch ja niemand im Gang war, bevor sie den Federkiel unter der Tür zum Klassenzimmer hinunterschob.
„Incipere!" murmelte sie leise und hörte nur einen Moment später den Schrei, eines Raben. Laute Stimmen wurden im Raum laut und Jade schaffte es gerade noch so, hinter einen Vorhang zu hechten bevor die Tür aufgerissen wurde und ein wütender Professor Aiden den Flur genauestens musterte. Er wusste genau, wer dahinter steckte. Aber wie so oft hatte er keinen Beweis dafür. Plötzlich begann der Rabe zu singen, es war Pascals Stimme, die Jade nur rein zufällig genommen hatte.
„Wenn ihr des Rätsels Lösung nicht bis zum Abend find,
wird erstrahlen das Reich des Verwandlungsmeisters in strahlend pink.
Nur wer würdig ist und die Magie in voller Hand besitzt,
weiß, wo des Rätsels Lösung sitzt.
Der Zauber euch allbekannt,
doch niemals genutzt, absolut verkannt!"
Jade schlich sich den Gang hinab und konnte nun den Rest des Unterrichtstages entspannt genießen. Die Neuigkeit des Rätselzaubers im Verwandlungsklassenzimmer machte seine Runde, niemand wusste von wem er kam, oder was die Lösung war. Selbst Schüler wie Hermine Granger und Ginny Weasley fanden die Lösung nicht. Zugegeben, Jades Lösung war auch ziemlich fies, da es ein einfaches 'Reparo' war und einige Schüler sogar in den Büchern der verbotenen Abteilung suchten. Es waren an die 50 Schüler anwesend, als sich Professor Aidens Klassenzimmer dann in einen dichten Nebel hüllte, welcher alles was er berührt hatte in einem hellen pinkton erstrahlen ließ. Pascal wäre so stolz auf sie, wenn sie wüsste dass dies Jades Werk war. Beim Abendessen war sie gut gelaunt und auch später im Gemeinschaftsraum hatte sie keine Selbstmordgedanken beim Anfertigen der Hausaufgaben. Der Himmel vor dem Fenster war bereits tiefschwarz und graue Wolken verdeckten den Mond und die Sterne. Das Feuer im Kamin glomm nur noch vor sich hin und die wenigen Schüler murmelten leise. Jade musste eingeschlafen sein, denn sie konnte sich nicht erinnern, einen Federkiel und Tinte als neuen Gesichtsschmuck auserkoren zu haben. Da sie sich in eine verwinkelte Ecke beim Fenster zurückgezogen hatte, schien niemand sie bemerkt zu haben. Müde gähnte Jade und wollte ihre Sachen zusammensammeln, als sie einige flüchtig gemurmelte Wörter aufschnappte.
„Nach dem Abschluss werden wir sofort ins Aurorenbüro gerufen. Kingsley übernimmt persönlich die Ausbildung." Sie erkannte die Stimme und ordnete sie dem Siebtklässler mit den schwarzen strubbeligen Haaren und der runden Brille zu: Harry Potter. Seine besten Freunde Hermine und Ron saßen weit vorgebeugt, damit die anderen im Raum nichts mitbekommen konnten.
„Aber warum das? Was ist los Harry, du bist seit einigen Tagen schon wieder so komisch und ständig bei McGonagall im Büro." Hermine schaute ihren besten Freund besorgt an, dieser griff in seine Tasche und holte einige Briefe hervor, die Jade unschwer als die ihrer Eltern entziffern konnte. Vorsichtig schaute er sich um bevor er sie Hermine reichte, die sie gemeinsam mit Ron ansah.
„Der Orden wird ein zweites Mal wieder erweckt. Da draußen gibt es größere Probleme als wir dachten und der Sturz von Voldemort hat es nicht gerade zum Guten gewendet." Er deutete auf einen der Briefe.
„Professor McGonagall nutzt einige Schüler als Zwischenstation für geheime Informationen, denn sie steht in Kontakt zu vielen Auroren und auch Kingsley hat da seine Hände im Spiel." Hermine schüttelte den Kopf, während Ron mit gerunzelter Stirn die Briefe überschlug. „Aber warum wir?" Harry schaute sie zweifelnd an.
„Fragst du das wirklich? Hermine, du bist wahrscheinlich die talentierteste junge Hexe unserer Generation! Kingsley möchte dich im Ministerium und Ron und ich haben nun einmal Erfahrung damit..." Hermine unterbrach ihn. „Wie man sich duelliert? Ja Harry, das habt ihr großartiger Weise schon in unserem ersten Jahr zeigen wollen. Aber wir können nicht wie Kaninchen aus dem Hut gezogen werden, wenn man Helden braucht." Jade sah, wie Harry leicht errötete und eine unwirsche Handbewegung machte, während er etwas von „Ich und Held? Niemals!" murmelte.
„Was bedeutet dieser Absatz hier?" Ron zeigte Harry den Brief, der setzte eine undefinierbare Miene auf. Es schien eine Mischung aus Zweifel, Unglaube und Hass zu sein. „Das, mein lieber Ron, bedeutet dass Herr von und zu Malfoy auf unserer Seite steht. Nachdem sein Vater nach Azkaban gekommen ist, steht Draco als Oberhaupt der Familie dar. Und er hat sich netterweise entschlossen, mal die richtige Seite zu unterstützen. Im Gegenzug geht Kingsley nicht gegen die mehr als fragwürdigen Geschäfte in Malfoy Manor vor." Hermine hatte erklärt und sowohl Harry als auch Ron schauten sie erstaunt an. „Was ist? Ich steh in Briefkontakt mit Kingsley und er hat ein wenig erwähnt. Außerdem lese ich Zeitung, solltet ihr auch mal, ist echt informativ." Ron hob den Kopf und schnaubte.
„Ich les den Klitterer!" entgegnete er und schaute seine beiden Freunde mit Todernstem Blick an. Hermine wusste anscheinend nicht, was sie antworten sollte und schlug Ron dann gespielt theatralisch die Briefe um die Ohren.
„Du bist so ein Idiot, Ronald Weasley." Grinsend küssten die beiden sich und plötzlich fand Harry das Portrait eines fetten, norwegischen Eisbaders anscheinend höchst interessant. Im folgenden konnte Jade nicht mehr viel aufschnappen, da die drei sich entschieden ins Bett zu gehen und dieser Gedanke war auf einmal höchst attraktiv. Müde rieb Jade sich die Augen, gähnte erneut, streckte sich und packte dann ihre Sachen zusammen. Im Schlafsaal schlich sie zu ihrem Bett und fiel ohne weiteren Umweg auf die Decke und schlief dann auch schon fest ein.
Während die Schüler in ihren Betten lagen und schliefen, von den Prüfungen träumten oder dem nächsten Mittagessen, Quidditchweltmeister waren oder andere große Abenteuer unternahmen, hatte der Sturm draußen vor den Toren des Alten Schlosses an Fahrt aufgenommen. Die Winde waren unerschütterlich und überall im ganzen Land schlugen die Blitze ein, gnadenlos und unaufhaltbar. Nicht wenige würden am nächsten Morgen Post bekommen, von verletzten Verwandten, von besorgten Familienmitgliedern oder Freunden. Noch mehr würden die schrecklichen Nachrichten im Tagespropheten sehen:
Todesser sind zurück! Kleine Schottische Dorf Slamannen ausgelöscht: Zaubereiministerium versucht zusammen mit britischem Verteidigungsministerium eine Erklärung für über 300 Tote zu finden.
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