Kapitel 36 - Überraschung


Die komplette Schule wusste in kürzester Zeit von der lautstarken Auseinandersetzung zwischen den Graeham-Zwillingen. Das hieß auch binnen einen Tages waren Noah und Jade das Gesprächsthema der Stunde. Und da Jade sich versteckt hielt, fielen alle über Noah her. Hogwartsschüler waren schlimmer als alle Paparazzi der Welt zusammen. Sie warfen sich auf die Neuigkeiten, wie Hungrige auf ein Buffet. Noah ging das alles gehörig auf den Keks, denn er hatte einfach keine einzige freie Minute mehr. Deshalb versteckte er sich auch den Großteil des Tages in der Bibliothek, wo er Adleys Geburtstag plante. Bisher würden Edwin und Jill ihn sozusagen überfallen und ihn dann in den Raum bringen, in dem sie die Party feiern wollten. Keine komplizierten Pläne, die sowieso nach hinten losgehen würden, nein, ganz einfach und schlicht. Da konnte gar nichts schief gehen. Wäre da nicht noch das Problem mit Jade. Gerade als Noah es geschafft hatte, eine sinnvolle Unterhaltung mit Jill zu führen, ohne das Gefühl zu haben, in ein anderes Land ziehen zu müssen, hatte Jade sich entschieden, einen riesigen Streit vom Haus zu lassen. Und das nur, weil er bei einem Lehrer Nachhilfe hat, den sie nicht leiden kann. Oh, und da er gerade an sie gedacht hatte.

Jade kam mit gesenktem Kopf in die Bibliothek und hob nur kurz den Blick, um zu sehen wo sie hin musste. Sie ging geradewegs auf Noah zu und dieser legte den dicken Wälzer zur Seite, in dem er gelesen hatte. „Hey.", war ihre Begrüßung, die sie ihm mit zittriger Stimmung schenkte. „Hi." Jade vermied es, ihrem Bruder in die Augen zu blicken und starrte stattdessen die überaus spannende Holzmaserung des Tisches an. „Hör mal – ich – ähm – also..." Jade rang mit den Worten genau wie mit ihren Händen. „Ich wollte – ähm – dirsagendassesmirleidtut.", nuschelte sie. „Bitte – Bitte was? Tut mir leid, ich versteh dich nicht, wenn du in deinen imaginären Bart nuschelst." Jade holte tief Luft, blickte ihrem Bruder für eine Millisekunde in die Augen und sagte dann laut: "Es tut mir Leid, dass ich so ein Idiot war. Es war falsch, meine eigenen Bedürfnisse über die deinen zu stellen und es war falsch, dich zu verhexen, weil du bei ihm Nachhilfe hast. Es tut mir leid, dass ich mich wie eine dreijährige benommen habe und es tut mir leid, dass ich diese ganzen Sachen gesagt habe."

Eine ganze Weile sagte keiner der beiden etwas. Es herrschte ein regelrechtes Blickduell. Noah starrte Jade an. Jade starrte Noahs Schulter an. Minuten, Stunden, Tage und Wochen vergingen und sie standen immer noch in der Bibliothek. Also, naja, es waren ein paar Minuten.

„Ist jetzt alles wieder in Ordnung?", fragte Jade schließlich und blickte Noah in die Augen. Dieser nickte und sagte lächelnd: „Ja, ja das ist es." „Versprochen?" Jade hielt ihm den kleinen Finger hin und Noah hakte ein. „Versprochen. Auch wenn ich dir nicht verzeihe, dass du ohne mich in den Wald gegangen bist."

Die Chaos-Zwillinge sahen sich und konnten wieder miteinander lachen. Adley Geburtstag rückte immer näher und sie mussten versuchen, eine Party zu organisieren, von der er nichts mitbekommen sollte. Und das war alles andere als leicht. Ständig passierten irgendwelche kleinen Missgeschicke doch mit der tatkräftigen Hilfe von Jade und ihren Hauselfenfreund Byddo gelang es dann auch, alles fertig zu planen und vorzubereiten, ohne das die Schule in die Luft flog.

Kühle Luft wehte in den Gemeinschaftsraum der Ravenclaw und die anwesenden Schüler genossen sie. So langsam wurde es im Schloss sehr heiß und jede Kleinigkeit zur Abkühlung war gern erwünscht. Noah und Edwin verpackten die letzten Geschenke und dekorierten dann den Klassenraum mit Luftballons und Girlanden in bunten Farben.

Und zum krönenden Abschluss der Veranstaltung hatte Noah auch zwei Phiolen mit seinem Zaubertrank dabei, mit dem er sich an Pascal und Casey für die Sache mit dem Liebestrank rächen würde.

Und dann war es schließlich soweit. Edwin ging los und traf sich mit Jill vor der großen Halle, Tamara und Amanda, Jade, Pascal, Casey und andere Erst – und Zweitklässler warteten im Raum auf Adleys Ankunft. Und sie warteten. Eine geschlagene dreiviertel Stunde verhielten sie sich ruhig und blieben an ihren Positionen bis endlich die Tür aufging und Jill und Edwin mit Adley in ihrer Mitte auftauchten.

„ÜBERRASCHUNG!", schrien alle gleichzeitig und Adley brach doch tatsächlich in Freudentränen aus und umarmte alle seine Freunde. Den Kuchen den Jade organisiert hatte, toppte dann sogar die ganzen Geschenke. In Form eines Quidditchspielers brachten zehn Hauselfen ihn in den Raum und dieses majestätische Meisterwerk aus Sahne und Schokolade krönte die Party. Leider war sie ein bisschen viel für en gerührten Adley, sodass er mit allen Gästen teilen konnte. Die Party war ein voller Erfolg. Es wurde gelacht und geschrien, alle hatten Spaß und die Geschenke, unter anderem unsichtbare Tinte, ein Dauerlutscher und eine riesige Box voller Süßigkeiten aus dem Honigtopf, sind waren bei ihrem Empfänger sehr gut angekommen.

Und dann begann Noahs Racheplan. Er schlich sich hinter Pascal und Casey, öffnete die Phiole mit dem Zaubertrank und wollte ihn gerade einsetzen, als die Musik anfing zu spielen und seine beiden Opfer anfingen zu tanzen. Mehrere Versuche waren nötig um endlich zu treffen, aber dann hatte er es geschafft. Mit diesem unendlichen Klebetrank hatte er Casey in die Seite getroffen und dann noch Pascal gezielt dagegen geschubst und schon waren die beiden aneinander geklebt. „Was zum-? Was ist das denn?" Verzweifelt versuchte Casey sich von Pascal  zu lösen doch gegen einen unendlichen Klebetrank half keine rohe Gewalt. Man konnte ihn nur mit einem Lösungsmittel entfernen, was Noah schlauerweise im Schlafsaal gelassen hatte. Mit einem diabolischen Grinsen beobachtete er, wie die beiden versuchten sich gegenseitig kein Bein zu stellen und gleichzeitig noch versuchten, das klebrige Zeug loszuwerden.

„Nett. Dein Verdienst, nehm ich mal an?" Jill war zu ihm getreten und nickte anerkennend. Die beiden hatten ihren peinlichen Zwischenfall endlich vergessen und konnten sich wieder wie Freunde miteinander unterhalten. „Ja. Für den Liebestrank. Das werden sie hoffentlich als kleine Warnung ansehen." Die beiden lachten und sahen zu, wie die aneinander Geklebten gerade über einen Stuhl stolperten. „Wann wirst du sie erlösen?" „Vielleicht nach den Prüfungen?", fragte Noah und grinste fies. „Nein, wir wollen doch keinen Ärger mit der Schulleitung bekommen."

Am Ende der Party mussten Pascal und Casey beinahe herausgeschoben werden, weil sie sich sonst gegenseitig die Beine wegtraten und Adley war für diesen Tag der glücklichste Junge der Welt gewesen.

„Danke Leute, wirklich. Das war der beste Geburtstag meines Lebens.", bedankte sich ein Adley mit glühenden Gesicht bei den beiden Zwillingen. Beide grinsten einfach nur als Antwort.

Casey und Pascal wurden leider schon am nächsten Tag von Professor Granger voneinander gelöst, aber immerhin sahen es die beiden als kleinen Partystreich an und planten nicht, sich bei Noah dafür zu rächen, da sie nicht wussten, wem sie das zu verdanken hatten. Die letzten normalen Unterrichtsstunden standen nun bevor und die Lehrer bewarfen sie förmlich mit Hausaufgaben. Wenn Noah nicht in der Bibliothek war, im Gemeinschaftsraum oder in der Großen Halle, schlief er seinen Schlaf der Gerechten. Die Hausaufgaben für jedes Fach bestanden aus mehreren Aufsätzen, Zauber üben oder Zauberformeln auswendig lernen. Es wurde wirklich schwer, im Unterricht noch mit alles mitzukommen, denn die Lehrer hielten es wohl für das Beste, alles noch einmal zu wiederholen.

Selbst Musterschüler wie Jade und Noah, die in fast allen Fächern Bestnoten hatten, bekamen die ein oder andere schlechte Note, wenn sie einfach Hausaufgaben aufgrund der schieren Anzahl vergaßen oder für einen Test nicht mehr lernen konnten. Mehrere Schüler mussten schon einen Beruhigungstrank von Madam Pomfrey bekommen, als sie mitten im Unterricht schreiend verkündet hatten, sie wären zu dumm für alles und würden lieber Gemüse verkaufen gehen, weil sie das noch schaffen könnten.

Ohne die Angst von Jade tödlich verflucht zu werden, konnte Noah sich auch auf den Nachhilfeunterricht von Professor Aiden konzentrieren. Er und Jill gingen jeden Abend für eine Stunde zu dem Verwandlungslehrer und Noah hatte es sogar geschafft, die Aufgaben der ersten Klasse zu meistern, hatte aber noch ein paar Schwierigkeiten bei den fortgeschrittenen Verwandlungen. Während einer dieser Stunden schafften Noah und Jill es irgendwie den Holzstuhl, den sie zusammen in einen Sessel verwandeln sollten, in einen Schwarm wilder Strauße zu verwandeln und Professor Aiden benötigte den ganzen Abend um die Wildvögel einzufangen und zurückzuverwandeln. Jade amüsierte sich köstlich darüber.

„Achten sie bitte diesesmal darauf, sich zu konzentrieren. Hogwarts braucht keinen Zoo, Hagrid hat schon genug gemeingefährliche Monster auf dem Gelände, wir können auf ein paar trampelnde Vögel und wütende Tiere gerne verzichten." Professor Aiden stand vor der Tafel und auf einem Tisch hatte er zwei Vasen gestellt. Ihre Aufgabe bestand darin, den Vasen eine Verzierung zu geben. Möglichst schöne und ohne Strauße, wie der Verwandlungslehrer noch einmal betont hatte.

Noah zielte mit dem Zauberstab auf die linke Vase, schloss die Augen und stellte sich die hässliche Vase im Wohnzimmer seiner Großmutter vor, die Jade und er bestimmt schon zwanzig Mal kaputt gemacht hatten. Sie war zwar unglaublich wertvoll, aber wer kommt denn bitte auf die Idee, schlängelige Schörkellinien über die ganze Vase kreuz und quer verlaufen zu lassen? Der musste ja keine Ahnung von Kunst haben.

In einer kleinen Rauchfahne erschien Noahs Vase wieder und war mit einigen goldenen Ornamenten geschmückt. Nicht das, was er sich vorgestellt hatte, aber auch ganz nett. Jills Vase war mit leuchtenden Ovalen verziert und Professor Aiden entließ sie beide, da sie nun genügend für die Prüfung vorbereitet seien.

„Das hat doch besser geklappt als gedacht. Auch wenn ich mir das Ergebnis meiner Vase etwas anders vorgestellt hatte.", gab Jill zu, als sie gemeinsam den Korridor entlangliefen. „Meine sollte eigentlich auch nicht so aussehen." Die beiden sahen sich an und lachten dann frei und offen.

 Noah machte sich dann auf in den Ravenclaw-Turm, damit er die restlichen Hausaufgaben erledigen konnte. Er wusste, dass die älteren Schüler sogar noch mehr aufhatten und konnte sich schon jetzt nicht vorstellen, wie er die denn alle erledigen sollte. Manche erzählten von sieben Rollen Pergament für einen Aufsatz und davon drei bis vier Stück am Tag. Die Hausaufgaben, die Noah noch wachhielten waren immerhin schnell erledigt und so konnte er zu einer normalen Uhrzeit schlafen gehen. Tatze, der Kater, der sich das ganze Jahr lang kaum bewegt hatte, nahm immer noch die Hälfte des Bettes ein und Noah musste sich mal wieder dazu quetschen. Dass die Sommerhitze und dazu der heiße Katzenkörper ihn unerträglich schwitzen ließen und kein kühler Wind den Schlafsaal erfrischte, machte die Gesamtsituation irgendwie unangenehm.

Zum Glück war am nächsten Tag ein Samstag, das hieß er konnte mal wieder so richtig ausschlafen. Das hatte er auch bitter nötig, denn jeden Morgen stand Noah früher auf um noch für die ganzen Tests zu lernen, die sie am Tag schrieben und unerledigte Hausaufgaben zu machen.

Das Frühstück war eine willkommene Erholungspause und mit einem eisgekühlten Glas Kürbissaft startete man gleich viel besser in den Tag. Jade und Jill waren ebenfalls schon anwesend, also gesellte er sich zu ihnen. Die beiden jungen Mädchen lieferten sich mal wieder ein Wettessen, welches Jill wie immer gewann und Jade ihr daraufhin die Freundschaft für ganze zehn Minuten kündigte, ehe sie sich einen Schale mit Erdbeeren teilten. Ein schriller Schrei kündigte die Post an und Noah war überrascht, als eine große Schneeeule mit einem Brief und einer Ausgabe des Tagespropheten vor ihm landete. Die Zeitung war erst ein paar Tage alt und auch in dem Brief waren nur die normalen Grüße und Floskeln enthalten, die Eltern ihren Kindern schickten. Das musste wohl heißen, dass es wieder Informationen für McGonagall waren. Mit einem schlechten Gefühl im Bauch, fing Noah dann auch an zu essen und beschloss, den Brief später abzugeben.

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