Kapitel 35 - Verrat unter Geschwistern
„1271 kam es dann zur ersten Sitzung des Internationalen Verbundes zum Schutze junger Hexen und Zauberer. Das erste Gesetz, welches erlassen wurde, war die Schulpflicht. So sollte die einheitliche und gleichrangige Bildung der nächsten Generationen gesichert werden, sowie eine Kontrolle darüber welches Wissen an die Kinder weitergegeben werden sollte. So konnte man bis ins 16 Jahrhundert den Wachstum von Kriminalität und dunklen Hexen und Zauberern rapide stoppen. 1390 wurden vier weitere Schulen in die Liste der verifizierten Lernorte aufgenommen, sodass vor allem in Amerikanischen und Asiatischen Gebiet eine extreme Entlastung der Schulen stattfinden konnte. Zudem wurde das Trimagische Turnier eingeführt, welches die Freundschaft und Verbundenheit der drei großen Zauberschulen Europas fördern sollte. Zunächst fand dieses Turnier alle fünf Jahre statt, da die Todesrate allerdings Exponentiell stieg, wurden die Abstände größer. Um 1730 wurde eine allgemeine Kontrolle der Schulen durch entsprechende Mitglieder der Ministerien eingeführt, die die Qualität der Lehrer und Gebäude sowie Unterrichtsmittel überprüfen sollte. Viele Schulen überlebten die schlechten Zeiten zwischen 1760 bis 1854 nicht und mussten schließen, ein Großteil dieser konnte bis in das heutige Jahr nicht mehr eröffnen." Während Professor Binns einen mehr als langweiligen Vortrag über die Entwicklung der Zauberschulen der Welt runterleierte, schlossen sich Jades Augen immer und immer mehr. Sie hatte keine Ahnung, wieso dieses Thema in den Prüfungen so wichtig sein sollte und sie konnte sich besseres vorstellen als hier zu verenden. Jade schaute durch die Klasse, Casey sabberte gerade seine Aufzeichnungen voll, Oliver Freeman lehnte sich gegen April Destini und schnarchte leise vor sich hin. Neben Jade schlummerten Dale Kiandra und Geffard Kimberley. Ja, Jade hatte es endlich mal geschafft sich die Namen ihrer Mitschüler zu merken. Sie warf noch einen letzten Blick auf Casey, bevor sie in die fernen Lande ihrer Träume entschwand.
„Jade." Ein seltsam vertrauter Duft von Honig und Erdbeeren stieg ihr in die Nase, langsam öffnete Jade die Augen und fand sich auf einer grünen Wiese wieder. Unter ihren Füßen knirschte das Lakritzgras und die Watte-Wolken verdeckten immer wieder die Lolli-Sonne. Jade hob ihre Hand und versuchte sich vor dem grellen Licht zu schützen und schaute sich verwundert um. Gummibären und Gummischmetterlinge tanzten über die Wiese und der blaue Limonadenhimmel strahlte hell und freundlich.
„Jade." Vorsichtig drehte Jade sich um. Erschrocken stolperte sie einige Schritte zurück, fiel über einen Schokomarienkäfer und landete im Lakritzgras. Vor ihr stand ein weißer Hengst mit langer goldener Mähne und kräftigen Schwingen auf dem Rücken. Ein großes, pinkes, Horn ragte auf seiner Stirn und Jade verstand sofort, dass sie einem Pegasus zu Hufen lag.
„Was... was ist hier los?" Sie brachte kaum ein Wort richtig hervor und krabbelte in Richtung des Pegasus. Doch je näher sie ihm kam, desto verschwommener wurde er, bis schließlich Professor Aiden vor ihr stand und sie abfällig angrinste. Jade japste und griff einen Zitronenstein, den sie nach dem jungen Mann warf. Seine Kontur verschwamm und aus Aiden wurde Adam. Mit traurigem Blick beugte er sich vor und half Jade auf um sie dann an sich zu drücken.
„Es tut mir leid, dass ich nicht mehr für dich sein kann." Plötzlich schrumpfte Adam und wurde zu Noah, der sie frech angrinste. „Na, bereit für den nächsten Streich? Die anderen sind auch schon da, guck!" Er deutete zum Himmel und Jade folgte seinem Blick. Etwas mit langem Cape flog durch die Luft und hinterließ einen Regenbogen, aus dem es Glitzerpulver regnete, der auf der Zunge knisterte. Plötzlich rollte eine riesige Erdbeere über die Wiese, auf ihr tanzten Jill und Adley einen grazilen Schwanensee. Hinter ihnen schwebten Tamara und Amanda an Luftballons aus Honigtöpfen und Jade musste sich abwenden. Noah war inzwischen verschwunden und nun stand Casey neben ihr mit einer Gitarre und sang 'All i want for Christmas, is you!' Eine Horde wilder Zwerge kam angerannt und schleppte Casey fort, sein Gesicht war plötzlich seltsam weiß geworden und ein frischer Wind kam auf. Der Himmel verdunkelte sich urplötzlich und dann stand Jade alleine inmitten einer verdorrten Wüste, ein dunkles Gewitter kam aufgezogen. Ein Zischen ließ sie herumwirbeln, eine riesige Schlange bäumte sich vor ihr auf und Jade ging schreiend in die Knie. Ein lautes Brüllen und ein majestätischer Löwe sprang über die zusammengekauerte Jade und griff die Schlange an. Plötzlich lösten sich beide in hellen Rauch auf, der sich zu einem Adley formte und zwischen den Gewitterwolken verschwand. Ein Blitz zuckte über den Himmel, gefolgt von einem Donner und wenig später ergoss der Himmel seine Tränen über das tote Land.
„Jade..." eine leise Stimme rief nach ihr, doch der Regen machte es ihr unmöglich etwas zu sehen.
„Jade." Verwirrt versuchte sie der Stimme zu folgen, ein dichter Nebel zog auf und sie stolperte nun mehr Blind über den immer feuchter werdenden Boden. Dann blieb ihr Schuh stecken, sie musste ihn zurücklassen, dann auch den anderen. Barfuß rannte sie durch den kalten Schlamm, spitze Holzsplitter bohrten sich in ihre nackten Sohlen. Ein helles Licht tauchte vor ihr auf. Jade musste die Augen zusammenkneifen um etwas zu erkennen. Ein einfaches Tor stand vor ihr, mehr nicht. Die alten Holztüren waren nur leicht geöffnet, doch ein helles und warmes Licht kam aus dieser Lücke und lockte Jade an. Langsam ging sie darauf zu und ergriff den Türgriff. Sie erkannte Schemenhaft eine Gestalt, ihre Augen gewöhnten sich gerade an das Licht. Gleich würde sie sein Gesicht erkennen.
Das Läuten der Glocke riss die gesamte Klasse aus ihrem Schlaf und mit panischen Blicken schauten die Schüler sich um. Anscheinend hatte Professor Binns nicht gemerkt, dass ausnahmelos jeder Schüler in einen tiefen Schlaf gefallen waren. Müde, mit zerzausten Haaren und dem Abdruck ihres Tintenfasses auf der Stirn machte Jade sich gemeinsam mit einem leise murmelnden und genauso verschlafenen Casey auf zum Mittagessen. Dort traf sie auf Jill und Adley, die sich anscheinend stritten. Casey verabschiedete sich und verschwand an den Hufflepufftisch zu Pascal. Jade nahm neben ihrer besten Freundin Platz und hatte große Mühe, nicht erneut einzuschlafen. Vergeblich versuchte sie sich daran zu erinnern, was in ihrem Traum passiert war. Seltsamerweise hatte sie Appetit auf Erdbeerpudding und Zuckerwatte. Jade bekam kaum etwas von dem Streit zwischen den beiden anderen mit, es ging um irgendetwas was in Zaubertränke passiert war. Es endete damit, dass Jill grummelnd und ohne eine Wort aufsprang und davonrannte.
„Jill warte ich..." Doch die Gryffindor war schon verschwunden. Jade warf Adley einen bösen Blick zu, der nur entschuldigend die Schultern hob und sich dann Pommes und Steak auf den Teller stapelte. „Sag mal, warum gibst du eigentlich deinem Bruder keine Nachhilfe in Verwandlung, sondern Professor Aiden." Jade verschluckte sich an der Erdbeere, die sie gerade gegessen hatte und prustete kleine Essensstückchen und Spucke auf den Tisch und einige Schüler ihr Gegenüber.
„WAS?!" Sie schaute Adley fassungslos an, der so aussah als würde er gerade einer Todesfee gegenüberstehen. „Oh." War seine Antwort und er rutschte etwas nach hinten. „Hat Noah noch nicht mit dir gesprochen?" Jade schüttelte den Kopf und ihre Lippen wurden zu einer schmalen Linie. Wie konnte ihr EIGENER Bruder, ihr eigen Fleisch und Blut, ihr Handlan... Geschäftspartner ihr das nur antun? Hatte sie nicht alles für ihn getan? Theatralisch fasste Jade sich ans Herz und spielte einen Herzinfarkt nach.
„Wo ist er?" Jades Stimme war einige Oktaven nach oben gerutscht und langsam stand sie auf, während Adley immer kleiner wurde. „Un...Unterricht." Stotterte er nur und Jade schnappte sich ihre Tasche und rauschte ab. Vor dem Klassenzimmer für Verwandlung fand sie ihren Bruder sitzend über ein Buch gebeugt. Sonst war niemand im Gang anwesend, die meisten Schüler waren noch beim Mittag. Als Noah Schritte hörte, schaute er auf und lächelte Jade an.
„Hey. Tut mir Leid, dass ich nicht beim Essen war, ich hatte keinen ...." Doch Jade ließ ihn gar nicht erst ausreden und warf ihm ihre Tasche an den Kopf. Ihr Bruder sprang an und schrie sie wütend an.
„Sag mal, spinnst du? Was geht denn bei dir falsch?!" Aufgebracht ging Jade auf ihn los und schlug ihm so kräftig wie sie konnte auf die Schultern.
„Du...mieser...Verräter!" Zwischen jedem weiteren Schlag presste sie die Worte heraus. Sie hob ihre Tasche erneut auf und schlug sie Noah gegen die Schienbeine. Ihr Bruder war total überrumpelt und starrte sie nur verstört und verängstigt an.
„WIESO...KOMMST...DU....NICHT...ZUERST...ZU...MIR?!" Jade zog ihren Zauberstab und schoss einen Schockzauber, einen Kitzelfluch und einen Fesselfluch auf Noah. Dieser hatte inzwischen seine Fassung wieder erlangt und blockte die Zauber ab. Es kam zu einem kleinen Duell, welches damit endete, dass Noah von einem Haarzauber getroffen wurde, der ihm einen stattlichen Schnauzer verpasste. Jade setzte erneut an, doch jemand griff von hinten an ihren Zauberstab und entriss ihr eben diesen. Wie ein wütender Drache wirbelte sie herum, ihre Augen spien Feuer und waren hochrot, ebenso wie ihr Kopf. Vor ihr stand, wie sollte es auch anders sein, der Grund ihrer Wut. Der Verwandlungslehrer schaute sie wütend an.
„Miss Graeham. Sind Sie eigentlich eine völlig lernresistente hohle Nuss?" Seine Stimme überschlug sich fast, so aufgebracht war der junge Lehrer. Jade schrie wütend auf und wollte ihm einen Tritt verpassen, doch er trat einfach einen Schritt zur Seite, sodass sie nur gegen die Wand lief und sich dabei die Nase brach. Während ihr Blut über die Lippen lief und der brennende Schmerz ihr Gesicht betäubte, schrie sie sowohl ihrem Bruder als auch Professor Aiden eine Handvoll Beleidigungen entgegen, die damit endeten, dass Professor Aiden sie mit einem Zauber zum Schweigen brachte. Zunächst sorgte er nun, dass Noahs Bart verschwand, der ihm bereits bis zur Brust gewachsen war.
„Was sind Sie nur für ein unmögliches Kind! Kennt ihre blinde Wut denn gar kein Ende? Schämen Sie sich denn nicht, ihren eigenen Bruder dermaßen anzugehen! Kein Wunder, dass er bei ihnen keine Hilfe erwarten kann.
„Es geht um das Prinzip! Geschwister haben zusammenzuhalten, das ist Hochverrat!" Der letzte Teil war an Noah gerichtet der sie fassungslos anschaute. Professor Aiden schob sich in das Blickfeld der beiden, um weitere Schäden an Noah zu verhindern.
„Sie sind einfach nur unglaublich. Ist ihnen solche Kinderlei wichtiger, als der Abschluss ihres Bruders? Es wundert mich nicht ein bisschen, dass ich Sie halbtot aus diesem Wald holen musste. Einfach nur unglaublich, man sollte ihnen verbieten außerhalb des Unterrichts einen Zauberstab zu tragen. Sie sind eine wilde Furie ohne Selbsteinschätzung und ohne jeglichen Anstand. Ich werde dem nun Einhalt gebieten, anscheinend hilft nur Nachsitzen ihrem Gemüt nicht im Geringsten. Ich ziehe ihnen nun 100 Punkte ab, des Weiteren werden sie die nächsten Wochenenden den Hauselfen in der Küche helfen und den Rest des Schuljahres jeden Donnerstagnachmittag die Ställe und Gewächshäuser von Mist bereinigen. Außerdem..." Doch weiter kam Aiden nicht, denn Noah schob sich vor ihn. Nachdem er kurz starr gewesen war, hatte er die Information verarbeitet und alles zusammengesetzt.
„Du willst mich doch verarschen. Das mit dem Schlafwandeln war eine Lüge? Du warst im verbotenen Wald? MITTEN IN DER NACHT UND OHNE MICH? DAS IST VERRAT!" Noah hob die Hand und gab Jade eine Ohrfeige, die sich gewaschen hatte. Eine bedrückende Stille herrschte im Gang. Jades Mundwinkel zitterten, das Blut benetzte ihren Umhang und nun kamen auch Tränen dazu.
„Sie hatten nicht das Recht, diese Information weiterzugeben!" Zitternd entriss sie Professor Aiden ihren Zauberstab und rannte davon. Die Blicke der Schüler auf den Gängen ignorierte sie und zu ihrer Erleichterung fragte Madame Pomfrey nicht einmal nach. Sie schien zu spüren, dass Jade ihr eh keine Antwort geben würde. Sicherheitshalber behielt sie Jade über die Nacht im Krankenflügel, doch niemand kam sie besuchen. Plötzlich fühlte Jade sich seltsam einsam, von allen verraten. Doch irgendwie hatten sie ja auch Recht. Doch es tat weh, sehr sogar, das nicht einmal ihr eigener Bruder oder ihre beste Freundin nach ihr sahen. Nach einer mehr als schlechten Nacht fand sie einen Brief von Professor McGonagall, die die von Professor Aiden festgelegten Arbeiten noch einmal wiederholte und Jade ihren genauen Ablaufplan beschrieb. Außerdem eine letzte Verwarnung, sonst bestünde trotz der ausgezeichneten Noten nur noch der Auswege des Rausschmisses. Verheult und tief in Gedanken versunken verließ Jade am nächsten Morgen den Krankenflügel und verbrachte den Rest des Samstages damit, alleine unter einem Baum am Ufer des Sees zu sitzen und den anderen Schülern zuzusehen, wie sie lachten, alberten und Spaß hatten. Das Abendessen ließ sie ganz ausfallen und war bereits in den Schlaf gefallen, bevor Jill, Tamara und Amanda in den Schlafsaal kamen.
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