Kapitel 34 - Vom Regen in die Traufe


Je näher die Abschlussprüfungen kamen, desto unruhiger wurde das Schloss. Besonders einige Schüler, darunter auch Noah und Pascal, hatten einen kleinen Nervenzusammenbruch, als sie feststellten, dass es nur noch knapp ein Monat zu den Prüfungen war. Noah, der eigentlich in so ziemlich allen Fächern gute bis sehr gute Leistungen hatte, musste sich eingestehen, dass er eine Verwandlungsniete war und in der Prüfung wahrscheinlich aus Versehen, den Prüfer als das Objekt verwandeln würde. Jade, die alle Hände voll zu tun hatte mit lernen, lernen und lernen, konnte ihren Bruder auch nicht helfen, und da alle Optionen, besonders Jill, wegfielen, blieb Noah nichts anderes übrig, als Professor Aiden um Nachhilfe zu beten. Das würde ihm wahrscheinlich einen ewigen Hass und einen sehr qualvollen Tod durch Jade bereiten, aber immerhin würde er die Prüfung überstehen.

Also blieb Noah nach dem nächsten Verwandlungsunterricht länger und fing den Professor ab, bevor er den Raum verlassen konnte. „Was gibt's denn, Mr. Graeham?", fragte Aiden etwas gehetzt. „Ähm, ja, Professor Aiden, ich hätte nur eine Frage.", stammelte Noah vor sich her. „Es geht um ihr Fach und die Prüfungen. Ich habe gemerkt, dass ich...ein kompletter Versager bin, was Verwandlungen betrifft. Deshalb wollte ich sie fragen, ob sie mir vielleicht ein paar Extrastunden geben könnten?" Noah fand die Maserung der Tür, vor der Professor Aiden stand, auf einmal höchst interessant und vermied es dem Lehrer in die Augen zu blicken. Dieser seufzte. „Ja, ich denke, das ließe sich einrichten. Kommen sie nachher in mein Büro, ich muss jetzt wirklich zu meinem nächsten Unterricht. Entschuldigen sie mich." Professor Aiden verließ gehetzt den Raum und Noah hatte das ungute Gefühl, dass Jade etwas mit dem Verhalten von ihm zu tun hatte. Immerhin war sie an so ziemlich allem schuld, was mit Professor Aiden zu tun hatte.

Da er gerade an sie gedacht hatte. Jade kam um die Ecke und rannte beinahe in ihn rein. „Ah, pass doch auf.", sagte sie. „Wo warst du denn so lange?" Noah wurde prompt rot und wandte den Blick ab, um die die Fugen in der Mauer zu betrachten. „Nur kurz auf Klo." "Hmhm." Jade beäugte ihren Zwillingsbruder kurz, bevor sie kaum merklich die Schultern zuckte. „Naja, jedenfalls, du musst mir helfen. Adley hat ja bald Geburtstag und wir wollen ihm eine kleine Überraschungsparty vorbereiten. Jedenfalls, der Raum der Wünsche hat grad eine kleine Trotzphase und gehorcht uns nicht wirklich, also müssen wir und was überlegen, wie wir den Raum reparieren oder einen anderen Veranstaltungsort suchen. Und da kommst du ins Spiel. Du bist ja schlau, Ravenclaw und so, dann weißt du doch bestimmt was." Jade redete wie ein Wasserfall und Noah hatte überhaupt Schwierigkeiten ihr zu folgen, da sie auch noch dazu fast durch die Gänge rannte. Ehrlich, dieses Mädchen brauchte dringend ein Hobby oder sollte mal Sport machen. Die hat viel zu viel Ausdauer und Energie.

„Was soll ich denn da machen? Das ist ein alter und magischer Raum in einem alten und magischen Schloss voller Magie. Wenn der Raum grad keine Lust hat, müssen wir halt um planen. So schwer kann das ja nicht sein." Etwas schärfer als gedacht antwortete Noah seiner Schwester und diese schaute ihn beinahe beleidigt an. „Tut mir Leid, aber ich bin nur ein minderjähriger Zauberer. Ich kann leider keinen alten, magischen und eigenwilligen Raum dazu bringen, uns einen Geburtstagsraum zu machen." Jade zog einen Schmollmund. „Na gut." Sie waren in der Großen Halle angekommen und Jade steuerte direkt auf den Gryffindor-Tisch zu, an dem zu Noahs Übel auch Jill saß. Er wollte gerade wenden und zu seinem eigenen Haus gehen, als Jade ihn energisch am Arm packte und mit sich schliff. „Oh komm schon. Ihr könnt euch nicht ewig aus dem Weg gehen. Es ist nun mal passiert, vergesst es einfach und dann ist gut." Noah entwand sich dem festen Griff seiner Schwester und packte nun ihren Arm. „Jade, das ist nichts was man so einfach vergisst! Es ist nicht gerade einfach, wenn man seinen ersten Kuss, der etwas Besonderes sein sollte, an eine gute Freundin durch einen Liebestrank verliert. Ich hab nie in dieser Weise über Jill gedacht und werde es vielleicht auch nie, aber so etwas braucht Zeit bis es verheilt. Es ist unsagbar peinlich für uns beide und ich bitte dich nur, uns Zeit zu geben. Immerhin ist der ganze Vorfall noch nicht mal zwei Wochen her."

Jade war einen Moment sprachlos, dann lächelte sie sanft und drückte Noahs Hand. „Na klar. Wir sehen uns später." Erleichtert ging Noah zum Ravenclawtisch und setzte sich. Es war nicht einfach zu vergessen, dass er eine Freundin unter Einfluss von Liebestrank geküsst hatte und das nicht nur einmal. Wer weiß was noch passiert wäre, wenn Jade und die anderen nicht eingegriffen hätten. Das würde auf jeden Fall noch Rache geben und Adleys Geburtstag kam da gerade recht. Er hatte genug Zeit, sich einen fiesen Rachefeldzug gegen Casey und Pascal auszudenken, bevor der nächste Unterricht begann und noch bevor die Glocke überhaupt läutete, hatte er die Idee. Ein fieses Grinsen umspielte seine Lippen, als er an die Gesichter der beiden dachte, die sie machen würden.

Das Läuten zum Unterricht ließ ihn hochschrecken. Er hatte zu viele fiese Pläne geschmiedet und dabei die Zeit vergessen. Jetzt musste er sich beeilen, um noch rechtzeitig zum Unterricht zu kommen. Professor Flitwick ermahnte ihn und zog Ravenclaw 10 Punkte ab, die Noah aber binnen der ersten zehn Minuten wieder reinholte, als er die Feder umfärbte, die zur Aufgabe hatten.

Der letzte Unterricht war Zaubertränke und Noah hatte Glück, dass sie an diesem Tag Vertretung hatten. Professor Zweistein, der Lehrer für Experimentelle Magie, ließ sie die Stunde machen was sie wollten und Noah konnte damit perfekt alles für seinen Plan vorbereiten. Es würde ein einfacher Trank sein, einfach aber wirksam. Er schaffte es in der Stunde perfekt das Gebräu fertigzustellen und bevor die Glocke den Tag beendete, konnte er es auch noch verkorken.

Während er also mit fiesem Grinsen und fiesen Gedanken auf dem Weg zu Professor Aiden war, lief er in die Person, der eigentlich noch meiden wollte: Jill! Für einen winzigen Augenblick herrschte Augenkontakt zwischen den beiden, doch sofort wandten sie ihren Blick ab, während sie beide knallrot wie Tomaten wurde. „Ahm. Hey." Jill brach zuerst das Schweigen. Noah konnte sehen, dass sie Jades Kette trug und musste darüber lächeln. „Was machst du hier?", fragte sie und unterbrach Noahs stilles Lächeln. „Oh, gar nichts, ich muss nur kurz zu Professor — Aiden. Und du?" Noah wagte einen Blick und stellte erleichtert fest, dass sie es schafften, nicht sofort kreischend wegzurennen. Sie wirkte aber kurz etwas panisch. Der Grund dafür, war einfach. „Oh. Ich auch." Grausames Schweigen erfüllte den Gang und Noahs eigener Herzschlag pochte viel zu laut in seinen Ohren.

„Dann, ähm, können wir ja, du weißt schon...gemeinsam hingehen." Noah scharrte mit dem Fuß auf dem Boden herum. Jill sah kurz aus, als wäre sie jetzt lieber in einer dunklen Höhle, willigte aber ein und sie gingen den Weg zu Professor Aidens Büro zusammen. Jedoch sagte keiner der beiden etwas, denn jedes Gesprächsthema würde auf ihr Liebestrank-Desaster zurückführen und das wollten beide gebührend vermeiden. Als sie dann an ihrem Ziel angekommen waren, überlegte Noah schon, ob er nicht lieber weglaufen sollte, als die Tür zum Büro sich öffnete. „Kommen sie rein." Professor Aidens Stimme hallte aus dem Büro wider und Noah wagte den ersten Schritt. Jill folgte ihm unsicher.

„Ah, Mr. Graeham und Mrs. Carter. Zufälligerweise sind sie wegen des gleichen Anliegens bei mir, nicht wahr?" Noah schluckte und sah Jill an? Das war doch jetzt ein schlechter Scherz. Sie brauchte auch Nachhilfe in Verwandlung? Na, das konnte ja toll werden.

Jills Augen hatten sich dementsprechend geweitet und sie blickte von Noah zu Professor Aiden, der sie beide mit kühlem Interesse musterte. „Hm, wie ich sehe, scheint das für sie beiden ein Problem zu sein." „Nein!", rief Noah aus. „Nein, gar nicht. Es war nur — überraschend, sonst nichts." Professor Aiden legte die Hände aneinander und musterte sie beide. „Also schön. Dann kommen sie am besten am Samstag beide nach dem Frühstück hierher und wir beginnen, damit, die Grundlagen noch einmal durchzugehen."

Noah nickte und auch Jill war einverstanden. „Dann wünsche ich ihnen noch einen schönen Abend. Wenn sie mich entschuldigen würden, ich habe noch einige Arbeit vor mir." Er deutete auf einen Stapel mit Briefen und Pergamentblättern und die beiden jungen Zauberschüler verließen das Büro. Auf dem Gang herrschte wieder Schweigen. Keiner der beiden wollte den jeweils anderen ansehen und Noah hatte das Gefühl, dass etwas Schlechtes geschehen würde, wenn sie das wirklich durchziehen würden.

„Ich hätte nicht gedacht, dass du mal Nachhilfe brauchst.", sagte Jill mit einem zittrigen Lächeln. Noah erwiderte es. „Ich bin eine absolute Niete in Verwandlung. Sozusagen, eine Gefahr für die Menschheit." Jill lachte kurz und für einen winzigen Moment war ihre Stimmung nicht angespannt, fast wieder wie sie zwischen Freunden ist. Doch eben nur kurz.

„Naja." „Jaah." „Ich muss dann mal, ich hab noch Hausaufgaben zu erledigen." Noah flüchtete vor weiteren Peinlichkeiten und ging in seinen Gemeinschaftsraum, wo er auf Edwin traf. „Oh, was ist denn mit dir passiert? Du siehst aus, als wärst du in ein Glas Tomatensoße gefallen." Edwin lachte über seinen eigenen Witz und Noah rollte genervt mit den Augen. „Ich bin einfach nur in ein nächstes Dilemma gerutscht. Jill und ich haben jetzt Nachhilfe bei Professor Aiden, zusammen." Edwin verzog schmerzhaft das Gesicht. „Ah, das ist natürlich dezent doof. Habt ihr euch denn mal ausgesprochen?" Noah lachte freudlos. „Wie denn? Keiner von uns kann doch einen vernünftigen Satz in der Gegenwart des Anderen formen ohne Öhm und Ähm darin die Hauptrolle spielen zu lassen." Edwin ließ sich auf einem Sessel nieder und Noah fiel ihm gegenüber auf einen gleichen. „Hast du Lust auf Schach?", sagte Edwin und deutete auf ein Schachbrett vor ihnen. Da Noah den Hausaufgaben gegenüber gelogen hatte, da er schon alle erledigt hatte, willigte er nur zu gerne ein, um den Kopf mal frei zu bekommen.

Glücklicherweise stellte sich Edwin als ein harter Gegner heraus, sodass Noah kaum Zeit blieb, über etwas anderes als seinen nächsten Spielzug nachzudenken. Während er also überlegt, wie seinen König schützen könnte, aber gleichzeitig Edwins besiegen könnte, verging der Abend. Vorm Fenster wurde der Himmel immer schwärzer und die weißen Wolken grauten aus. Die Wipfel des Verbotenen Waldes wogten im Wind und das gespenstische Heulen eines leichten Sommersturmes drang durch die Ritzen in den Wänden und Türen.

Während sich Hogwartsschüler Sorgen um ihre Prüfungen machten und sich kaum in die Augen sehen konnten, war in der Welt draußen ein weiterer Sturm aufgezogen, der nur schwer zu bekämpfen war. Wie ein Orkan fegte er über die Länder der Welt, hinterließ Tod und Zerstörung und Unmengen an Arbeit für die Auroren. Mütter fragten sich, ob ihre Männer und Söhne denn je wiederkommen würden, Kinder bangten nachts um ihre Eltern und Familien lebten in der Angst, dass sie die nächsten sein würden, die vom Sturm überrannt würden. Hogwarts war ein sicherer Ort, doch auch in dem alten Schloss war man vor Gefahren nicht sicher. Nicht die Gefahren, vor denen Eltern sich fürchteten, aber welche, die Kindern den Garaus machten. Sie lernten, was es heißt, erwachsen zu werden, lebten mit peinlichen Erlebnissen und schlossen neue Freundschaften. Hogwarts war ein Ort des Wachsens und egal wie viele Missgeschicke in den alten Gängen  vorfallen würden, die Magie würde diesen Ort nicht verlassen.

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