Kapitel 3 - Die Schüler von Hogwarts
Mit größer werdenden Augen beobachtete Jade, wie sich die goldenen Platten vor ihnen füllten und fast augenblicklich begannen die älteren Schüler ihre Teller vollzuladen. Die verblüfften Erstklässler brauchten jedoch einen Moment um sich überhaupt ansatzweise einen Überblick verschaffen zu können.
Jade gab es ziemlich schnell auf und ohne darauf zu achten, was sie überhaupt griff, belud sie ihren Teller. Neben ihr tat es das Mädchen mit dem Namen Jillian Carter gleich und sofort verspürte Jade eine gewisse Sympathie für dieses Mädchen. Ihnen gegenüber saßen das dunkelhäutige Mädchen, die offenbar Amanda Patil hieß und ein schwarzhaariger Junge mit fülligem Gesicht, schmalen, braunen Augen und einem breitem Mund, der sich als Lionel vorstellte. Die anderen Erstklässler beachtete Jade nicht weiter, da ihre Aufmerksamkeit zunehmend von dem Essen vor ihr gefordert wurde. Sie hatte gerade ein drittes Kalbssteak verdrückt und wollte sich ein viertes Nachnehmen, da wurde sie von Jillian angesprochen, die nebenbei an einem Hackbraten arbeitete.
„Sag mal, Jean-"
„Jade."
„Ok, Jade. Was genau hat der sprechende Hut dir eigentlich ins Ohr geflüstert, dass du kurzzeitig so wirktest, als wolltest du auf der Stelle und zu Fuß zurück nach London laufen?" Jillian hob ihre Gabel und Jade verlor erneut ein wenig an Farbe.
„Er... oh Merlin." Jade musste einmal tief Luft holen, ehe sie dem Mädchen antworten konnte. „Er wollte mich nach Slytherin stecken!" Als Antwort bekam Jade nur ein freudiges Grunzen von Jillian. „Wäre das so schlimm gewesen?", kam es von der anderen Seite des Tisches. Amanda hatte sich interessiert vorgebeugt und musterte Jade aus ihren hellen, grünen Augen. Die junge Graeham biss sich auf die Lippe.
„Naja, ich weiß nicht. Ich glaube schon, so viel Schlimmes wie man über das Haus der Schlangen hört. Ich meine, allein dass sie als Wappentier eine Schlange haben..." Amanda zuckte mit den Schultern und lehnte sich dann wieder ein wenig zurück.
„Ich glaube, du überdramatisierst da ein wenig. Aber andere Frage, habe ich das vorhin richtig mitbekommen, dass dein Bruder nach Ravenclaw gekommen ist?"
Jade nickte nur stumm und stocherte etwas bedrückt in ihren Kartoffeln herum. „Ja. Ich hätte nicht gedacht, dass wir getrennt werden. Ich meine... also..." Sie räusperte sich einmal. „Aber egal! Ich seh ihn ja trotzdem jeden Tag." Amanda nickte und lächelte sanft. „Ja, das befürchte ich." Jade runzelte die Stirn, doch Lionel, der die ganze Zeit stumm gelauscht hatte, mischte sich nun ein. „Warum das?"
Amanda drehte sich zur Seite und ergriff den Arm eines blonden Mädchens, welches Jade bereits vor der Einweisung aufgefallen war, als sie panisch vor ihrem Bruder geflüchtet war.
„Das ist Joan. Und man könnte sagen, dein Bruder hat einen etwas ruppigen ersten Eindruck hinterlassen." Joan, offensichtlich zutiefst verwirrt, schaute mit dunklen grünen Augen in die Runde, ehe sie ein schwaches Lächeln zustande brachte.
„Wie hat er das denn geschafft?", fragte Jade verblüfft und konnte sich nicht wirklich vorstellen, wie ihr sonst so ruhiger Bruder Noah es geschafft hatte, gleich am ersten Tag so in ein Fettnäpfchen zu treten. Joan öffnete gerade den Mund und wollte etwas sagen, doch in diesem Moment konnte Jade hören, wie ihr Bruder nach ihr rief und mehr, als ein spitzer Schrei, verließ in diesem Moment nicht die Lippen des blonden Mädchens.
„Ey Jade!", rief er laut und konnte sich erstaunlicherweise über die lautstarken Unterhaltungen der anderen Schüler hinwegsetzen. Jade musste sich ein wenig zur Seite drehen, um einen Blick auf ihren Bruder werfen zu können, der neben dem Mädchen saß, das als erste aufgerufen worden war.
„Was gibt es?", rief sie zurück und einige Schüler drehten sich zu ihnen um. „Ich wollte dich nur fragen, ob du schon etwas von den Rippchen probiert hast." Jade riss die Augen auf, schürzte die Lippen und sah ihren Bruder mit ungläubigen Blick an.
„Es gibt... Rippchen?!" Tatsächlich konnte sie neben Joan eine Platte mit in Soße triefenden Rippchen entdecken.
„Oh Merlin, Noah! ES GIBT RIPPCHEN!", rief sie glücklich aus und stürzte sich sogleich auf die Platte, wobei sie Joan nur mit ungefähr drei Litern Soße bespritze. Ein lautes Gelächter ertönte um sie herum, doch Jade ignorierte dieses vollkommen und wandte sich ihrem Teller zu, dem sie am heutigen Abend definitiv noch einen Heiratsantrag machen würde.
„Achja, darf ich euch bitten mich einfach nur 'Jill' zu nennen?" Jillian sah hoffnungsvoll in die Runde und alle, mit der Ausnahme von Jade, nickten mit einem Lächeln.
„Warum das denn?", schmatze Jade vergnügt und drehte sich zu dem braunhaarigen Mädchen um, mit dem sie sich wohl die nächsten Jahre ein Zimmer teilen durfte. „Ich finde Jillian ist ein wundervoller Name." Jill blickte sie mit einem traurigen Welpenblick an, woraufhin die junge Graeham anfangen musste zu grinsen. Dann schlang sie einen Arm um Jills Schulter und steckte ihr ein Rippchen in den Mund.
„Iss und vergiss, Jill!" Die anderen hatten die Szene stumm beobachtet und brachen nun in Gelächter aus und Jade war sich in diesem Moment ziemlich sicher, dass sie eine gute Zeit an Hogwarts haben würde. Während die anderen anfingen, sich über ihre Familien zu unterhalten, oder mutmaßten wie der Unterricht wohl werden würden, ließ Jade ihren Blick über die vielen Schüler gleiten. Etwas weiter Tisch abwärts konnte sie den anderen Jungen, Casey, ausmachen, der sich laut lachend mit anderen Dritt oder Viertklässlern unterhielt.
Tatsächlich kamen Jade einige andere Gesichter der älteren Schüler ebenfalls bekannt vor und erst im zweiten Moment erkannte sie einige der Schüler, die in der Schlacht um Hogwarts gekämpft hatten und vorher bereits eine Art Rebellion im Schloss angeführt hatten.
In der Nähe von Noah zum Beispiel konnte sie eine gewisse Luna Lovegood ausmachen, neben ihr hatten sich zwei Gryffindor eingefunden, die verdächtig nach Ginny Weasley und Neville Longbottom aussahen.
Jade hatte viele Artikel im Tagespropheten verfolgt, auch wenn sie vieles nicht verstanden hatte. Auch jetzt wusste sie nur so viel, als das ein schwarzer Magier mit dem Namen Voldemort zwei mal versucht hatte, die Macht über die magische Welt an sich zu reißen und viele gute Hexen und Zauberer dabei in den Tod gerissen hatte.
Ihre Großmutter hatte ihr die Zeitungen immer wieder aus der Hand gerissen und sie geschimpft, solche Themen sollten sie nicht beschäftigen.
Jade hatte dann gefragt, warum denn so etwas schlimmes passieren durfte und warum denn niemand etwas tat. 'In diesen Momenten mein Kind', hatte Agatha dann gesagt und die kleine Jade auf den Schoß genommen. 'Musst du immer auf die Menschen achten, die sich gegen das Böse stellen und kämpfen. So wie deine Mama und dein Papa.'
Also hatte das Mädchen, das von ihrem besten Freund Adam viel zu oft ein freches Füchschen genannt wurde, angefangen sich die Gesichter der Guten zu merken. Die aufgetaucht waren als jene, die gegen die dunklen Mächte aufbegehrten. Adam hatte sie verstanden und hatte ihr viel geschrieben und erzählt, von den Guten die in Hogwarts die Stellung gehalten hatten.
Eine Gänsehaut hatte ihre Arme überzogen und kurz war sie traurig, dass ihr bester Freund nun, da sie auch endlich nach Hogwarts durfte, nicht da war.
„Haben dir die Rippchen den Magen verdorben, oder warum schaust du, als hättest du einen Geist gesehen?", ertönte plötzlich Amandas Stimme und Jade schreckte zur Seite und lächelte schwach.
„Nein. Ich hab gerade nur an etwas gedacht. Naja, eigentlich an jemanden." Amanda schenkte ihr ein sanftes Lächeln und griff nach ihrer Hand.
„Schon gut", sagte sie mit freundlicher Stimme und drückte Jades Finger leicht. „Das mit dem Heimweh kennen wir alle mehr oder weniger. Du wirst dich schon noch dran gewöhnen", erklärte sie dann und strich sich eine Strähne ihres dunklen Haares zurück, dass sich aus ihrer Frisur gelöst hatte.
In diesem Moment leerten sich die Platten und Teller und eine Sekunde später waren sie von bergen aus Nachtisch und Süßigkeiten umgeben und augenblicklich waren alle Gespräche vergessen und selbst diejenigen, die gejammert hatten, sie würden platzen, griffen nach Pudding und Sahnetorten.
„Nun", erhob sich die Direktorin und auf ihren Lippen war ein Lächeln zu erkennen. Jade war sich sicher, dass Professor McGonagall sehr sparsam mit dieser Emotion umging und doch konnte man spüren, dass sie in diesem Moment, in dem sie in die Gesichter dieser vielen Schüler blicken konnte, vom Herzen her ehrlich mit Freude erfüllt war. Doch in ihren Augen glänzte Schmerz. Fast unscheinbar, verborgen hinter einer Maske, hinter einem Mantel. Und doch war er da.
'Wie viele Gesichter sie wohl gerade sucht, und nicht findet?', schoss es Jade durch den Kopf und sie bekam einige der nächsten Worte nicht mit. 'Wie viele Schüler mag die Professorin wohl überlebt haben?' Jade konnte und wollte sich nicht vorstellen, wie es sich anfühlen musste.
„- eine gute, für einige die erste, Nacht. Und sie wird die erste von vielen sein. Ich wünsch Euch allein einen angenehmen Schlaf!" Mit diesen Worten entließ Professor McGonagall ihre Schüler und ein reges Treiben wurde laut. Die Schüler erhoben sich und wuselten wild durcheinander. Einige riefen im Kanon 'Erstklässler hierher! Erstklässler zu mir!' und so schloss sich Jade Jill und Amanda an, die sich zwei älteren Schülern näherten, die ebenfalls die Erstklässler zu sich riefen. Durch die vielen, weitaus größeren und älteren Schüler, die sich in die andere Richtung bewegten konnte Jade zunächst erkennen, dass sie sich tatsächlich Ginny Weasley und Neville Longbottom näherten.
Als sich anscheinend alle Gryffindorerstklässler vor den beiden versammelt hatten, klatschte die Weasley einmal in die Hände und ihr Pferdeschwanz wippte und hüpfte bei dieser Bewegung.
„Hallo zusammen! Ich bin Ginny Weasley und das hier ist Neville. Neville Longbottom", stellte sie sich und Neville zunächst vor und schenkte den Erstklässlern ein breites Lächeln. „Nicht wundern, eigentlich sind wir beide gar nicht die Vertrauensschüler, aber da die beiden eigentlichen Verantwortlichen noch etwas zu tun haben, dürfen wir euch jetzt ein wenig erklären, wie es hier so läuft.", erklärte Ginny weiter und stemmte dann die Hände in die Hüfte. Nun erhob Neville das Wort.
„Wir werden euch jetzt in den Gemeinschaftsraum bringen, aber Achtung: Die Treppen sind ziemlich eigensinnig und haben die Angewohnheit, dass sie neue Schüler ärgern. Also bleibt bitte eng beisammen. Folgt uns!" Und damit setzte sich der Trupp in Bewegungn. Am anderen Ende der Halle verließen gerade die Ravenclaw den Raum und Jade schaffte es noch, ihrem Bruder einmal zu winken, ehe dieser hinter der großen Tür verschwand.
Auf dem Weg zum Gemeinschaftsraum, der in einem Turm im siebten Stock lag, erklärten die beiden Siebtklässler den Neulingen so einiges über Hogwarts und seine Eigenarten, die vielen Gemälde und einige Hausregeln. Anscheinend hatte jedes Haus seine eigenen Schutzmaßnahmen um zu verhindern, dass andere Schüler einfach so in die Gemeinschaftsräume und Schlafsäle marschieren konnten. Der Gryffindorturm wurde von dem Portrait einer kräftigen Frau bewacht, die allgemein den Namen 'Die fette Dame' trug. Sie war eine aufgeweckte Frau, die offensichtlich einen verqueren Modegeschmack besaß, aber dennoch freundlich erschien.
„Wöchentlich am Sonntag ändert sich das Passwort, das wird dann im Gemeinschaftraum am schwarzen Brett aufgehangen. Ohne das Passwort kommt ihr nicht rein und die fette Dame macht keine Ausnahmen. Wisst ihr das Passwort nicht, müsst ihr warten bis jemand kommt, der es weiß. So einfach ist das." Neville und Ginny tuschelten kurz, dann wandte Neville sich an das Portrait und Ginny sich an die Schüler.
„Das Passwort für heute bis einschließlich den kommenden Sonntag ist Löwenträne. Merkt euch das!" In diesem Moment öffnete sich das Portrait in dem es zur Seite schwang und gab den Blick auf einen Einstieg frei. Bevor die ersten Erstklässler sich jedoch voller Tatendrang durch das Loch quetschen wollten, hielt Neville sie noch einmal zurück.
„Und bitte tut euch und uns den gefallen: Drinnen hängen noch einmal die Hausregeln. Wenn ihr unbedingt dagegen verstoßen wollt, tut es so, dass sich niemand genötigt fühlt unserem Haus Punkte abzuziehen. Immerhin wollt ihr doch auch am Ende des Jahres den Hauspokal nach Gryffindor holen, oder?" Und mit diesen Worten trat Neville bei Seite und ließ die Schüler eintreten.
Der Gemeinschaftsraum war rund und ziemlich groß. Die Wände waren mit rot-goldener Tapete behangen und durch die hohen Fenster hatte man, wenn es nicht gerade stockduster draußen war, bestimmt einen fantastischen Blick über die Länderein. Die Möbel im Raum wirkten alles andere als zusammenpassend und doch erzeugten die Stoffe und Polster eine warme, einladende Atmosphäre und in einem Kamin nahe des Eingangs knisterte ein Feuer. An einigen Stellen des Teppichs auf dem Boden konnte man Brandlöcher ausmachen. An den Wänden hingen desweiteren einige Gemälde, es stand eine große Kommode neben einem Treppenaufgang so wie einige Tische und Stühle zwischen den Polstern verteilt.
Es gab zwei Treppenaufgänge, einmal zu den Schlafräumen der Mädchen und einmal zu den, der Jungen. Ginny erklärte, dass die Treppen zu den Räumen der Mädchen gesichert waren und sich zu einer Rutsche verwandelten, sollte ein Junge versuchen sie zu erklimmen.
Der Junge Namens Lionel versuchte dies fast augenblicklich und nach einigen Schritten, die nichts passiert war, klappten die Stufen unter seinen Füßen zusammen und er kugelte den Weg in den Gemeinschaftsraum zurück und erntete Gelächter. Dann führte Ginny Jade, Jill, Amanda und Joan zu ihrem Zimmer und wünschte den vier Mädchen noch gute Nacht.
Müde traten die vier Mädchen in den ebenfalls runden Raum und ohne groß noch ein Wort zu wechseln oder sich umzuschauen, suchten die Mädchen ihre Betten raus und Jade fiel schnell auf die weiche Matratze und schaffte es nur noch mit Müh und Not einen Schlafanzug aus ihrem Koffer zu klauben und sich umzuziehen, ehe sie in einschlief.
Der Mond ließ die Ländereien von Hogwarts in einem mystischen Silber leuchten. Mit geschlossenen Augen lehnte Jade an der kühlen Steinmauer des Fensterbogens. Sie hatte sich in die weiche Decke ihres Himmelbetts gekuschelt und eine ganze Weile stumm hinaus geschaut.
Einige Gedanken beschäftigten sie in diesem Moment und hatten ihr relativ schnell den Schlaf geraubt.
Sie musste an ihre Eltern denken und an Adam. Dann war der Schock gewesen, warum sie und Noah nicht im selben Haus gelandet waren. Natürlich freute sie sich, dass ihr Bruder in seinem Wunschhaus gelandet war und doch war sie traurig. Aber nun würde sie jeden Moment mit ihrem Bruder nur noch unvergesslicher gestalten und kein Trübsal blasen. Irgendwann hatte es dazu kommen müssen, dass es jemand schafft, die Zwillinge zu trennen.
Sie dachte an die anderen Mädchen, Jill, Amanda und Joan die ihr gleich sehr freundlich erschienen waren und sie hoffte, sie würde sich mit ihnen gut anfreunden können. Und vielleicht fand Noah in seinem Haus ebenso gute Freunde? Vielleicht würde sie sich auch noch mit Adley anfreunden können, denn sie war sich sicher, dass Noah diese Freundschaft suchen würde.
Sie hatten Glück, dass das Schuljahr erst einmal mit einem Wochenende begann, vielleicht hatten Noah und Adley ja Lust, die nächsten Tage mit ihr gemeinsam das Schloss zu erkunden.
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