Kapitel 6...Verschlafen und der Wahnsinn lässt grüßen

Nicole saß noch lange wach. Als sie das letzte Mal auf ihren Wecker auf dem Nachtschrank sah, war es halb vier am Morgen. Sie hatte sich ein paar Kissen hinter den Rücken gelegt und sich da hinein gekuschelt. Ihre Zudecke war bis zur Brust gezogen und ihre Augen starrten in das Halbdunkel des Schlafzimmers.

Leon hatte sie ins Grübeln gebracht.
Sie konnte sich überhaupt nicht daran erinnern, dass sie eine Beziehung geführt hatte, die länger als ein halbes Jahr andauerte. Hatte sie bisher jemals richtig geliebt? Wurde sie überhaupt jemals aufrichtig von einem Mann geliebt? War sie überhaupt fähig zu lieben?

Sie vermisste es...Zweisamkeit, Liebe, Geborgenheit, sich an jemanden an die Schulter anlehnen, um sich auszuweinen, gemeinsam über Dinge lachen oder etwas zusammen unternehmen...
Das alles gedachte sie bei Kelly zu finden. Doch er verfolgte ein anderes Ziel: Molly.

Um auf andere Gedanken zu kommen, ließ sie sich auf kleinere Techtelmechtel ein. Aber das half nichts. Jeden von ihnen verglich sie insgeheim mit Kelly. Niemand reichte von denen an ihn heran.
Sie machte sich selbst etwas vor, indem sie glaubte, Kelly würde endlich aufwachen und nur SIE sehen...anstatt Molly Evans.

Sie eröffnete die kleine Boutique in diesem großen Einkaufszentrum. Und all ihre Gedanken, Träume und Wünsche, ihre ganze Energie und Motivation steckte sie in den kleinen Laden, anstatt weiter für Kelly ihre Sehnsüchte zu verschwenden.

Doch sie musste ihn küssen, an dem Tag, als er ihr die Suppe vorbei gebracht hatte. Es fühlte sich so gut an und ihn ließ es auch nicht kalt. Sie konnte seine Erregung in seinen Lenden spüren, als er sie an seinen Oberkörper gezogen und die Arme um sie gelegt hatte.

Und das war's auch schon mit der Gefühlsduselei.

Nicole verließ ihr Bett, zog sich den bunten Kimono über, der am Fußende lag, knotete ihre langen Haare zu einem Dutt zusammen und ging aus ihrem Zimmer. Sie stand im Wohnzimmer vor den langen schwarzen Vorhängen. Mit ihrer rechten Hand strich sie über den samtigen Stoff. Dann tastete sie sich vorsichtig zum Couchtisch im Halbdunkel vor und griff nach der Fernbedienung, um die Vorhänge zu öffnen. Während die Vorhänge auf gingen, hatte sie sich in der Küche verschanzt und holte aus dem Kühlschrank eine Flasche Milch und ein Glas aus dem Hängeschrank über der Spüle und goss sich etwas ein. Sie stellte die Flasche in den Kühlschrank zurück und lehnte sich an die Küchentheke mit ihrem Rücken an und genoss die Aussicht hinter den geöffneten Vorhängen. Die ganze Stadt war beleuchtet von Straßenlaternen, von Gebäuden und einer Menge großer Werbeplakate, die an den Seiten vieler Gebäude befestigt waren oder an großen, starken Masten befestigt wurden.

"Können Sie auch nicht schlafen?", hörte sie plötzlich aus der Dunkelheit seine Stimme. Nicole erschrak und ließ das Glas mit Milch gefüllt auf den Fliesen der Küche zerschellen.

Sie schaute zu ihren Füßen und sprach widerspenstig: "Scheiße!...Gehen Sie ins Bett!"

Er war schnell bei ihr und hatte sie gegriffen und auf die Küchentheke gehoben und sie dort abgesetzt.
"Was...Was tun Sie da?", fragte sie ihn verwirrt.

Er holte Handfeger, Kehrschaufel und einen Eimer aus dem Schrank unter der Spüle hervor und begann die großen Stücke von dem zerbrochenen Glas auf die Schaufel zu legen. Mit Wasser im Eimer und einem Lappen kniete er sich vor die Milchpfütze und wischte sie auf.

"Das hätten Sie nicht tun sollen!", grollte sie ihm.

"Oh doch! Ich muss das tun!... Hätte ich Sie nicht so erschreckt, wäre das nicht passiert.", entgegnete er. "Sie müssen mich wohl für ein sehr arrogantes Arschloch halten, Miss Mahoni!?"

"Da haben Sie wohl recht!...Sie sagen es!", bestätigte sie ihm ihren Standpunkt sehr deutlich. Sie beobachtete ihn dabei, was ihr schon halbwegs Spaß machte, welches Muskelspiel sein Körper trieb und es ließ sie nicht ohne Regung.

Er räumte alles auf und wollte Nicole von der Theke herunterheben, doch sie schob ihn von sich und hüpfte herab. 

"Soll ich Ihnen ein neues Glas holen?", fragte er sie.

"Nein, danke! Ich verzichte!...Kein Schluck war mehr als genug!", knurrte sie und ging an ihm vorbei.

Er berührte sie sanft mit seiner linken Hand an ihrer Hand und schloss sie in seiner ein. Nicole konnte nicht weiter gehen und blieb stehen. Dann sagte er leicht verstohlen und flüsternd: "Sie haben gewonnen, Miss Mahoni! Ich werde das Apartment verlassen!" Er wartete auf eine Reaktion von ihr.

Sie entzog ihm ihre Hand und rauschte im Kimono bis zu ihrer Schlafzimmertür und blieb dort vor der Tür stehen. Sie legte ihre rechte Hand auf die Klinke und sagte mit gesenktem Kopf: "Tun Sie, was Sie für richtig erachten! Ich werde Sie mit Sicherheit nicht aufhalten!...Gute Nacht!", und Tür knallend verschwand sie in ihrem Schlafzimmer.

Leon stand betroffen und breitbeinig mit dem Rücken zu ihrem Zimmer. Er hatte diese Reaktion von ihr erwartet. Ein kleines Lächeln umgab seinen Mund. Das hieß dann wohl für ihn: "Bleib!"

•••

Der nächste Morgen war heran. Nicole war irgendwann endlich eingeschlafen, als die Stadt durch die ersten Sonnenstrahlen und durch die ersten Frühaufsteher bereits zum Leben erweckt wurde. Ihr Handy klingelte permanent auf lautlos durch einen Anruf nach dem anderen. Jemand klopfte heftig an ihre Zimmertür, nicht nur einmal, sondern mehrmals...Es war Leon, der letztendlich, ohne auf ihre Antwort zu warten, in ihr Zimmer eintrat, die Tür laut hinter sich zu knallen ließ und vor ihrem Bettgiebel zum Stehen kam.

Nicole schreckte auf und war sofort hell wach. Ihr erster Blick fiel auf ihren Wecker auf dem Nachtschrank rechts von ihr. Ihr Gesicht sagte alles, was man wissen musste, um zu bemerken, das man verschlafen hatte und sie sprang aus den Federn und war sofort auf den Beinen. Sie bemerkte Leon zunächst noch nicht. Sie begann ihr Handy auf dem Bett zu suchen und fand es schließlich auf der anderen, freien Betthälfte. Sie schaute auf das Display. "Verdammt!", fluchte sie und erst jetzt sah sie den Schatten in ihrem rechten Augenwinkel und lenkte ihre Blicke darauf. "Sie? Wie...?"

Er stand mit verschränkten Armen vor seinem T - Shirt bedeckten Oberkörper vor ihrem Bett und hatte ein amüsantes Lächeln aufgelegt. Er verzog keine weitere Miene, sondern genoss das, was er sah.

"Ist irgendwas?", fragte sie ihn gereizt...Jetzt schon?...Und der Tag hatte noch nicht mal richtig angefangen.

Leon setzte sich in Bewegung und trat zu ihr, ganz nah und musterte sie. "Da draußen im Wohnzimmer sitzt ein Makler und will zu Ihnen."

"Wie lange wartet er schon dort?", fragte sie ihn nervös, als sie ihm über seine linke Schulter zur Tür sah.

"Sagen wir...", er sah auf seine schwarze Armbanduhr und schaute zu ihr. "...Fünf Minuten?...Wieso die geheimnisvolle Frage?...Sollte ich vielleicht irgendetwas wissen?", fragte er neugierig zurück und trat jetzt ganz nah, nein, ziemlich zu nah, an sie heran. Sie konnte seinen Atem spüren und seinen beschleunigten Puls.

"Nein!", antwortete sie ihm trocken und schnell und ging ein paar Schritte rückwärts.

"Wollen Sie das Apartment verkaufen oder vermieten? Dann muss ich Ihnen leider sagen und Sie enttäuschen, dass das leider nicht möglich ist und nicht in Ihrer Macht steht!"

Sie war verdutzt und sah ihn mit einem merkwürdigen Blick an. "Ich habe Macht? So, hab ich das?...Für wen?...Oder für was brauche ich die?...Ach kommen Sie schon!...Das soll wohl ein Scherz sein?", stellte sie ihn auf die Probe.

Begann sie ihn etwa gerade zu necken?

"Miss Mahoni...!", begann er nun zu sprechen.

"Leon!...Sehen Sie...Ich habe leider keine Ahnung, von was Sie da gerade reden!...Niemand will ein Apartment verkaufen oder vermieten, Sie Idiot!", und sie schob ihn beiseite und ging an ihm vorbei ins Badezimmer.

Er lief ihr hinterher und fragte sie gereizt. "Was will der feine Schnösel von Ihnen?", und er blieb draußen an der offenen Tür vor dem Badezimmer stehen. Er drehte sich mit dem Rücken zu ihr und wartete geduldig auf ihre Antwort.

Nicole drehte das Wasser in der Dusche auf und ließ ihren Kimono davor zu Boden gleiten. "Wenn Sie's genau wissen wollen: ICH will etwas von ihm!", kam es mit eisiger Stimme aus ihrem Mund und sie stieg in die Dusche.

"Sie wollen etwas von ihm?", und er grinste in sich hinein. Typisch Frauenzimmer!  "Ist er nicht ein bisschen zu alt für Sie?"

"Ich weiß überhaupt nicht, was Sie das angehen sollte? Können Sie Privat und Geschäft etwa nicht unterscheiden?", plapperte sie wütend drauf los und wusch sich ihre Haare.

Wie konnte sie jetzt nur ans Duschen denken, während dieser Makler da draußen im Wohnzimmer auf der Couch saß? Was für eine Arschruhe besaß sie denn?, dachte Leon. "Was genau will er von Ihnen?", hakte er nach. Er ließ einfach nicht locker.

Nicole spülte die Seife und das Shampoo ab und zog das Handtuch über sich von der Duschwand herunter und wickelte es sich um ihren nassen, frisch geduschten Körper. Sie trat aus der Dusche heraus und schaute zu ihm an die Tür. "Das Einkaufszentrum - Saticfaction - schließt zum Monatsende seine Pforten. Die Geschenkeboutíque, mein Geschäft, das Cafe - Bistro und der Schuhladen müssen leider weichen...Während die anderen Geschäfte sich da drinnen breit und es sich gemütlich machen werden! "

"...Und Sie suchen jetzt ein neues Geschäft für diese drei Läden?", fragte er sie und drehte sich zu ihr um. Er konnte sehen, wie geschmeidig sie sich ihren Körper abtrocknete und ihre Haare rubbelte. Ihm lief praktisch das Wasser im Munde zusammen. Doch er musste sich zusammen reißen.

"Ja! Das tue ich...Diese drei Geschäfte sollen wieder vereint in einem Haus arbeiten.", sprach sie und kam im Handtuch eingewickelt in ihr Schlafzimmer zurück zu ihrem Kleiderschrank.

"Wieso alle drei in einem?", überkam ihn die Neugierde erneut. 

Herrgott! Hatte er nicht schon genug gehört?

"Das Cafe macht den besten Kaffee und Cappuccino und die besten Thunfisch - Sandwiches, die ich je gegessen habe. In dem Schuhladen arbeitet ein lieber Freund von mir, der sich unter Mittags Zeit für mich nimmt, wenn ich ein paar ordentliche Schuhe brauche und er berät mich für jeden Anlass..." In Gedanken dachte sie gerade an Molly, die auch einmal dort gearbeitet und gekündigt hatte, weil sie dem Schuhkauf - Wahnsinn verfallen war. Nicole war ehrlich gesagt froh darüber, dass es so war, wie es gerade ist. Und das war auch gut so.

"Wer hat sich das Einkaufszentrum unter den Nagel gerissen, Mahoni?", bohrte er weiter nach.

"Ganz ehrlich?", und sie sah ihm in seine Augen. "Ich weiß es nicht! Aber eins weiß ich! Sollte ich herausbekommen, wer es war, dann werde ich ihm oder ihr gewaltig in den Arsch treten!", fluchte sie wütend und holte einen Zweiteiler aus ihrem Kleiderschrank und legte ihn aufs Bett.

"Der Makler ist also der Kerl, mit dem Sie gestern telefoniert haben, als Sie hier herein in mein Apartment geschneit kamen?", fragte er sie weiter.

Nicole verdrehte ihre Augen und stöhnte. "Wow! Jetzt geht das wieder los!...Ja! So ist es!...", und sie schaute ihn verschärft an. Dann kam es sehr trocken aus ihrem Mund: "Darf ich mal?", und sie schob ihn beiseite, damit sie an die Kommode heran kam, die an der Fensterfront stand, in der sie ihre Unterwäsche aufbewahrte.

Leon lachte auf und versicherte ihr, so zu bleiben, wie sie gerade angezogen war....immer noch im Handtuch eingewickelt. So würde sie den Makler noch mehr beeindrucken und betören können. Um so schneller würde der Verkauf eines passenden Gebäudes über die Bühne gehen. 

"Sie sind doch wahnsinnig! Hat Ihnen das schon einmal jemand gesagt?", bläffte sie an ihm herum.

"Nur weiter so Miss Mahoni!...Dann...!", und Nicole war auf ihn zu gerauscht und wollte ihm eine Ohrfeige verpassen, aber er hielt sie auf und stoppte ihren linken Arm vor seinem Gesicht ab.

"Was dann, Leon?", flüsterte sie ihm durch ihre Zähne verärgert zu und war ihm sehr nah an seinen Lippen.

"Holen Sie noch einmal gegen mich aus, Mahoni und ich werde Derjenige sein, der Sie dort auf ihrem Bett zur Strecke bringen wird! Ist das klar?", knurrte er sie an und sah auf ihre sinnlichen Lippen, die ihn gerade sehr dazu verleiteten und einluden, von ihnen zu kosten.

Nicole sah ihn erschrocken an. Ihr Herz raste vor Wut und würde ihren Körper verlassen, wenn es das könnte. "Drohen Sie mir etwa? Ist das das Einzige, was Sie auf Lager haben? Tun Sie das mir gegenüber noch einmal, dann sind Sie ihren besten Freund in ihrer Unterhose los. Das verspreche ich Ihnen!"

Leon lächelte verschmitzt. "OH! Das gefällt mir! Haben Sie noch mehr solcher Drohungen Impeto, Mahoni?", und er drückte ihr einen kurzen Kuss auf ihre Lippen und ließ ihren Arm los, drehte sich zur Zimmertür und verließ sie im Eilschritt und drehte hinter sich den Schlüssel um.

Nicole rannte zur Tür und versuchte sie zu öffnen. Doch sie war und blieb verschlossen. Sie hörte dahinter dumpfe Stimmen in einem Gespräch verwickelt und kurz darauf war der Fahrstuhl im Gange.

"Was?...Wo will er denn hin mit ihm?...Leon?...Leon! Machen Sie sofort die Tür auf!...Leon!", keifte sie mit den Fäusten gegen die Zimmertür schlagend.

Sie rannte ans Fenster zur Straße hin und öffnete es. Sie beugte sich hinaus, doch wich gleich wieder zurück. Die Höhenangst ließ sie herzlichst grüßen.

"Verdammt! So ein Idiot!", knirschte sie.
Sie sprang auf ihr Bett und nahm ihr Handy zur Hand und wählte eine Nummer.

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