~16~

[2493 Wörter]

_________________________________

Ich weiß nicht so genau, ob es Tränen der Freude oder Überforderung waren, die auf die Uniform meines Bruders tropfen, noch während ich mich an ihn klammerte wie ein ertrinkendes Äffchen und mich einfach an ihm festhielt. Ich spürte seine breiten Arme um meinen Körper und seine Hände, die immer wieder über meinen bebenden Rücken strichen.

>Ich brauch noch Luft zum Atmen, Kleines.<, lachte er leise in meine Schulter und sofort drückte ich mich noch enger an ihn, löste jedoch meine Beine um seine Taille und versuchte, den Boden mit meinen Füßen zu erreichen. Er beugte sich ein kleines bisschen nach vorne, bis meine Füße den Boden berührten, wagte es jedoch nicht, sich von mir zu lösen. Ich konnte es kaum fassen, dass er endlich wieder hier war.

Hier, bei mir.

Die letzten Monate waren eine wahre Achterbahn der Gefühle für mich gewesen - Angst, Sorge und Sehnsucht haben mich begleitet, während Kwon im Ausland seinen Dienst verrichtet hat.

>Du bist endlich zurück.<, flüsterte ich, meine Stimme von Emotionen erstickt.
>Ich habe dich so sehr vermisst.<, weinte ich in seine Schulter und spürte, wie er mich noch fester an sich drückte.

>Ich habe dich auch vermisst, Kleines.<, sagte er mit einer Stimme, die vor Erleichterung und Liebe gerade so bebte. Ich spürte das Zucken seiner Muskeln unter der Jacke seiner Uniform.

>Es war wirklich nicht leicht, so lange und so weit von dir entfernt zu sein, aber ich bin echt froh wieder hier zu sein.<, er löste sich langsam von mir und ich konnte nicht anders als ihn eingehend zu betrachten. Er hat sich verändert - seine Augen wirken müde und seine Haltung schwer. Doch trotz allem strahlte er eine Stärke aus, die ich schon immer an meinem großen Bruder bewundert habe. Ich strich einmal neckend über die Bartstoppeln an seinen Wangen und blickte ihm direkt in die Augen. Ich konnte vieles auf einmal in ihnen sehen und würde ihn am liebsten sofort mit all meinen Fragen bombardieren, doch sah er unglaublich müde aus.

>Geht's dir gut?<, fragte ich leise, worauf er kurz tief durchatmen musste und die Augen für einen kurzen Moment schloss.

>Mir ja.<, er sah mich wieder direkt an. >Aber dir nicht. Ich habe gehört, was zwischen dir und Jonghyun vorgefallen ist.<, ich spürte meine Unterlippe verdächtig beben und schüttelte leicht meinen Kopf.

>Komm erst mal an. Mach dich frisch, iss etwas. Dann können wir darüber reden.<, hauchte ich, drückte ihn ein weiteres Mal an mich, drückte ihm einen Kuss auf die Wange und bückte mich schließlich nach unten, um seine schwere Tasche vom Boden aufzuheben. Ich führte ihn an der Hand durch den mittlerweile leeren Flur, durch die offenstehende Wohnungstür und führte ihn, nachdem er die Tür geschlossen hat und sich die schweren Stiefel von den Füßen gezogen hat, in den großen Wohnbereich wo er von unserer Tante in eine feste Umarmung gezogen wurde. Ich ließ seine Tasche neben der Küchenzeile auf den Boden fallen, strich mir kurz über die Augen und blickte hinaus auf die Terrasse, auf der die Jungs sich gerade mit Jae unterhielten. Mir war erneut zum Weinen zu mute. Die Jungs haben, trotz der vielen Termine, die sie haben, sich die Zeit für mich genommen, hierher zu kommen und mir bei diesem Schritt zu helfen, mich zu unterstützen. Wie viel Glück konnte ein einzelner Mensch haben, solche Freunde gefunden zu haben? Keine Worte der Welt würden beschreiben können, wie dankbar ich diesen sieben Seelen war.

>Alles in Ordnung?<, Luna tauchte neben mir auf und reichte mir grinsend ein Taschentuch, das ich dankbar annahm. Ich nickte leicht, während ich mir die Tränen von der Wange wischte.

>War das deine Idee?<, fragte ich sie in leisem englisch und wollte die Unterhaltung zwischen meinem Bruder und Ryu's Eltern nicht unterbrechen.

>Tatsächlich nicht.<, die amerikanerin schüttelte den Kopf.

>Die Idee stammt von Kwon selbst.<, sie lächelte mich breit an. >Ich habe nur Beihilfe geleistet.<, ich schüttelte leicht meinen Kopf und nahm die etwas kleinere Fest in meine Arme.

>Das bedeutet mir wahnsinnig viel.<, hauchte ich in ihre Schulter und schloss für ein paar Atemzüge die Augen.

>Bedanke dich bei deinen Jungs dafür, dass sie da so toll mitgemacht haben.<, ich löste mich sofort von ihr und sah sie mit großen Augen an.

>Die Jungs?<, ich warf einen Blick über ihre Schulter auf die Terrasse. Luna nickte nur lächelnd und zwinkerte mir zu.

>Eigentlich haben sie sich darum gekümmert, dass das alles so schnell passiert ist.<, sie zuckte mit den Schultern, griff nach ihrem Glas neben sich und nahm den Strohhalm in den Mund, während sie sich tänzelnd von mir wegbewegte. Ich lächelte leicht und sah ihr kurz hinterher, ehe mein Blick wieder auf die Terrasse glitt. Ich wollte mich gerade auf den Weg auf diese machen, als ich von meinem Bruder aufgehalten wurde.

>Ich würde mich gerne etwas frisch machen.<, er legte mir einen Arm um die Schulter und griff nach seiner Tasche am Boden. Ich nickte leicht und führte ihn ins große Badezimmer meiner Wohnung.

>Handtücher sind da. Duschgel und alles kannst du gerne auch nehmen. Ich habe auch welches für Männer da, keine Sorge.<, grinste ich leicht, als ich seinen fragenden Blick bemerkte.

>Nein, nein. Ich rieche gerne nach Lavendel und Zitrone. Das ist männlich.<, ich begann laut zu lachen, als er versuchte, in seiner tiefen Männerstimme zu sprechen.

>Die Frage sollte eher lauten, warum hast du Duschsachen für Männer da, Ahri?<, sagte ich laut und verschränkte meine Arme, während er damit begann, sich die schwere Jacke auszuziehen.

>Ich kann mir denken warum.<, grinste er und schüttelte leicht den Kopf. Unter dem weißen Shirt, das er trug, konnte ich sehen, wie viel Muskelmasse er in den letzten Monaten zugelegt hat.

>Du siehst gut aus.<, sagte ich, nickte bestätigend und sah ihm in die Augen. >Du musst mir später alles erzählen.<, ich wollte gerade aus dem Bad gehen, als er mich ein weiteres Mal aufhielt.

>Und du musst mir erzählen, wie sehr ich Jonghyun verprügeln muss.<, ich stoppte in meiner Bewegung und drehte mich vorsichtig zu ihm um.

>Er ist dein bester Freund.<, versuchte ich gerade ernsthaft, Jonghyun vor meinem Bruder in Schutz zu nehmen?

>Ja. Ist er. Beziehungsweise war er.<, er senkte seinen Kopf etwas und zog sich das weiße Shirt über den Kopf. Ich erschreckte mich einen Moment, als ich die große, klaffende Narbe über seine Brust bemerkte. Ich schluckte nur hart und sah ihm wieder ins Gesicht.

>Lass uns da ein ander mal drüber reden.<, er schien meinen Blick bemerkt zu haben und strich sich unangenehm über die Narbe. Ich nickte leicht.

>Ich leg dir etwas zu Essen weg, bevor Kookie alles aufisst.<, ich begann leicht zu lächeln und konnte nicht anders als ein weiteres Mal meine Arme um ihn schlingen und mich an ihn zu drücken.

>Es ist so schön, dass du wieder da bist.<, hauchte ich und lächelte breit, als er mir einen Kuss auf den Kopf hauchte.

>Es ist schön wieder hier zu sein.<, antwortete er genauso leise und drückte mich ebenfalls kurz an sich.

>Jetzt geh aber duschen. Du stinkst.<, grinste ich breit und wich gerade so dem Shirt aus, das er nach mir warf. Ich hörte ihn hinter der verschlossenen Tür lachen. Meine Tante hatte Tränen in den Augen, als ich zurück ins Wohnzimmer kam. Sie sah mich strahlend an und kam mit offenen Armen auf mich zu.

>Ach, es ist so schön, die Familie wieder zusammen zu haben.<, ich nickte in ihre Schulter und löste mich sofort wieder von ihr.

>Es wäre noch besser, wenn alle hier wären, aber..<, ich zuckte leicht mit den Schultern, worauf sie mir kurz über die Wange strich.

>Sie sind alle hier.<, ihre Hand stoppte über der Stelle, an der mein Herz saß und nickte mir leicht zu.

>Ich geh mal zu den Jungs.<, sagte ich leise und ehe ich wieder anfing zu weinen, wandte ich mich von meiner Tante ab und ging auf die Terrasse, auf der die anderen alle versammelt saßen und ausgelassen lachten.

>Ihr Jungs macht mich echt fertig.<, rief ich, gespielt wütend über die Terrasse und stoppte so die Gespräche, die stattgefunden haben.

>Erst sagt ihr, ihr schafft es nicht rechtzeitig hierher zu kommen, weil ihr noch viel zu viel zu tun habt. Dann steht ihr plötzlich vor meiner Tür, mit einem riesigen Strauß Blumen in den Armen und habt zu allem Überfluss auch noch meinen Bruder dabei!<, rief ich weiter, während ich auf die kleine Gruppe zugelaufen kam. Jungkook verschluckte sich an einem Stück Steak, das er sich eben in den Mund gesteckt hat und sah mich aus weit aufgerissenen Augen an. Er saß mir am nächsten.

>Das Steak schmeckt echt köstlich.<, ich sah ihn von oben herab blinzelnd an und konnte nicht anders als breit anfangen zu grinsen.

>Ihr seid echt der Wahnsinn.<, sagte ich ruhiger und ließ mich direkt neben Jungkook auf dem letzten Stück Möbel nieder, das frei war und schlang meine Arme um den Jüngsten.

>Danke.<, hauchte ich und blickte jeden meiner Jungs einmal direkt an.
Jeder von ihnen hatte ein breites grinsen auf den Lippen und Jimin ließ es sich natürlich nicht nehmen, Teil dieser Umarmung zu werden. Er erhob sich und schlang von hinten seine Arme um mich.

Tja, das Ende dieses Liedes war es, das wir alle in einer kuscheligen Gruppenumarmung auf Jungkook landeten, der irgendwann wegen Luftmangel anfing zu protestieren.

>Da musst du jetzt durch, Kookie.<, hat man Hoseok nur lachen gehört und tatsächlich wurde der Abend noch schöner, als ich es mir hätte vorstellen können.

~~

Seit meinem Einzug in die Wohnung in Hannam sind bereits ein paar Tage vergangen. Die kleine Einweihungsparty war wirklich ein voller Erfolg gewesen und ich konnte mich nun die 'perfekte Gastgeberin' schimpfen, wie Yoongi mich genannt hatte. Ich konnte nicht anders als leicht zu lächeln und mich auf die Seite zu drehen. Mein Blick glitt auf die Uhr neben meinem Bett. Es war mitten in der Nacht und obwohl ich Todmüde war, war für mich an Schlaf nicht zu denken. Der heutige Tag war anstrengend und ziemlich aufbrausend für mich gewesen. Ich fühlte mich von allem, was in den letzten Monaten passiert war, emotional einfach nur noch erschöpft. Wie viele Tränen hatte ich vergossen? Ich wusste es nicht.

Ich wusste eine ganze Zeit lang nicht, wo mir der Kopf steht.

Angefangen hat das alles an dem Tag, an dem ich aus meiner gemeinsamen Wohnung mit Jonghyun ausgezogen war und einen Schlussstrich für unsere dreijährige Beziehung gezogen habe. Es war schmerzhaft, die Trennung, aber die Misshandlungen und all die tiefen Wunden, die er auf meiner Seele und meinem Herzen hinterlassen hat, haben mir die Entscheidung weitaus leichter gemacht. Von der Abtreibung die ich wegen ihm durchmachen musste, mal ganz abgesehen.

Es gab aber auch Lichtblicke in diesen dunklen Zeiten.

Jin, der mir nach unserem Gespräch im Park noch angeboten hat, mich zum letzten Kontrolltermin bei der Frauenärztin zu begleiten, war immer mit offenem Ohr und guten Ratschlägen an meiner Seite. Seine Unterstützung und Fürsorge in dieser Sache haben mir sehr geholfen, das alles gut zu überstehen. Er hat auch sein Versprechen bisher gehalten und niemandem etwas davon erzählt. Und Jimin, der jeden Tag nach mir sieht, mich anruft oder mir schreibt, zeigt mir einfach, dass ich nicht alleine war.

Wie würde er wohl reagieren, wenn er das alles herausfinden würde? Seine Freundschaft, die bereits am Tag unserer Geburt begann, und sein Interesse an meinem Wohlbefinden, trotz ihrer vollen Terminkalender, bedeuten mir sehr viel. Die Vorbereitungen für das kommende Comeback von Bangtan Sonyeondan beschäftige mich ebenfalls. Die sieben Jungs stecken alles, was sie haben, in ihr Training, in ihre Vocal Lessons.. in alles. Mindestens einer von ihnen, sie wechseln sich jeden Tag irgendwie ab, hinterlassen jeden Abend eine kleine, kurze Nachricht in unserem Gruppenchat, um mich über ihre Fortschritte zu informieren. Die Vertragsvereinbarungen mit Hybe und Big Hit laufen auch tatsächlich besser als ich es erwartet habe. Ich arbeite momentan sehr eng mit den Managern und vielen der Stylisten zusammen, um das Konzept für das Comeback so perfekt wie möglich zu gestalten. Erst vor einem Tag war ich gemeinsam mit Jae und Ryu an einem ihrer Sets, damit wir uns ein Bild von ihrer Arbeit machen konnten. Es sah vielversprechend aus und ich hoffte wirklich inständig, dass ich vielleicht bald mit meiner kleinen Firma einen Vertrag unterzeichnen kann, der uns allen weiterhelfen kann.

Dieser Vertrag wäre unser Sprungbrett auf den internationalen Markt! Gemeinsam mit Hybe und Big Hit, könnten wir es tatsächlich schaffen. Auch wenn meine Firma eigentlich ein Unternehmen für Schmuck ist, haben sie mir neben der Anfrage als Stylist auch noch die Anfrage gestellt, ob ich nicht nebenbei eine kleine Kollektion an Merchandise für sie veröffentlichen könnte. Die Nachfrage an Schmuck, der im Stil von BTS gemacht wurde, war wohl riesengroß. Während ich fast jeden Tag ein Gespräch mit einem Angestellten bei den Labels habe, kümmern sich Jae und Ryu um die Firma und halten sie am Laufen und informieren mich über alles, während ich gemütlich von zuhause aus arbeite. Ich konnte und wollte nicht immer ins Büro pendeln, das wäre bei den aktuellen Terminen eine Zumutung.

Jae's und Ryu's Unterstützung und ihr Engagement sind unbezahlbar. Und natürlich sind auch unsere Angestellten fleißig dabei, all die Kundenanfragen an Schmuckstücken abzuarbeiten. Wird wohl mal wieder Zeit für eine kleine Dankesparty bei uns im Büro. Die größten Sorgen, die mich in den letzten Monaten eingenommen haben, waren die, die meinem Bruder galten. Er war Monate lang, fast ein ganzes Jahr als Soldat des koreanischen Militärs in Amerika stationiert. Die Ungewissheit über seinen Zustand und sein Wohlergehen haben mich fast zerstört. Ich konnte nicht anders, als mir ständig Gedanken darüber zu machen.

Wie geht es ihm? Ist er gesund? Ist er verletzt? Was macht er gerade? Isst er genug? Wieso kann ich ihn nicht erreichen? All diese Gedanken haben meine Work-Life-Balance immer wieder aus dem Gleichgewicht gebracht. Doch jetzt, da er zurück ist und nur einen Raum weiter in meinem Gästebett lag und friedlich schläft, nehmen diese Gedanken von Tag zu Tag mehr ab. Jedoch scheint er noch immer in Gedanken dort zu sein. In Amerika. Doch was ist dort passiert? War er überhaupt in Amerika? Er hat mir viele meiner Fragen noch nicht beantwortet und ich hoffe wirklich, dass er bald darüber reden kann. Er versicherte mir, dass es ihm gut ginge, doch ich konnte ihm genau ansehen, dass es nicht so war. Ich rechnete schwer damit, dass mein Bruder mit einer posttraumatischen Belastungsstörung zu kämpfen hat. Es war nicht das erste Mal, dass wir in so einer Situation waren, jedoch...

Die Erleichterung, ihn wieder bei mir zu haben, ist unbeschreiblich. Ich weiß, dass ich noch einen langen Weg vor mir habe, um all die Schmerzen und Sorgen der vergangenen Monate zu verarbeiten. Aber ich bin dankbar für die Menschen, die mich immer unterstützt haben und für die kleinen Momente des Glücks, die ich trotz allem erleben durfte. Ich hoffe, dass die kommenden Monate ruhiger und positiver werden und dass ich endlich wieder zu mir selbst finden kann.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top