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[2311 Wörter]

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Ich starrte Gedankenverloren in mein volles Glas und schwenkte die Eiswürfel darin leicht hin und her, während ich dem gelegentlichen Fluchen von Luna aus der Küche lauschte. Ein leichtes Grinsen bildete sich auf meinen Lippen, als sie damit begann, das Gemüse mit den wüstesten Schimpfwörtern zu verfluchen, die ihr in den Sinn kamen.

>Ahri, ich liebe dich. Aber könntest du bitte deinen Arsch hierher bewegen und mir helfen?<, Luna steckte ihren Kopf aus der Balkontür, auf dem ich mich befand und sah mich fast schon flehend an. Ich nickte leicht, trank einen großen Schluck, während ich mich erhob und zu ihr in die Küche ging.

>Das sieht super aus.<, sagte ich ruhig, während ich die zwei Platten bewunderte, die Luna so kunstvoll dekoriert hat. Sie hat das Gemüse nicht nur in mundgerechte Stücke geschnitten, sondern es auch noch zum Teil in Kunst verwandelt.

>Luna, ich muss dich was fragen.<, fing ich ruhig an, während ich das Fleisch in der Marinade wendete. In etwa einer Stunde würden meine ersten Gäste kommen und wir haben bereits alles vorbereitet, um meinen Einzug zu feiern. Luna sah mich neugierig an, während sie sich hinter mir auf die Arbeitsplatte schwang und sich ein Stückchen Karotte in den Mund schob.

>Ich.. ich weiß nicht, ob ich schon bereit bin für diesen Neuanfang. Ich war so aufgeregt, dass ich fast schon vergessen habe, wie viel momentan um mich herum passiert. Meinst du, ich hätte doch noch etwas länger warten sollen? Was, wenn dieser Neustart.. völlig daneben geht? Was, wenn die ganze Sache größer wird als wir denken?<, ich drehte mich vorsichtig zu ihr um und lehnte mich mit dem Rücken gegen die kleine Kochinsel. Luna starrte mich einige Momente einfach an, während sie weiter auf ihrer Karotte herum kaute.

>Ahri. Du hast diesen Neuanfang mehr als jeder andere Mensch verdient. Es ist völlig normal, dass du Zweifel hast, aber du hast so hart dafür gearbeitet, da zu stehen, wo du jetzt stehst. Diese Veränderungen bieten dir völlig neue Chancen.<, sie sprang von der Arbeitsplatte herunter und legte mir die Hände an die Schultern.

>Ich weiß. Aber was, wenn ich mich mit all dem überfordere? Was ist, wenn ich nicht bereit bin, all die neuen Sachen, diese ganzen Verantwortlichkeiten und Beziehungen anzunehmen?<, ich seufzte schwer und griff hinter mir nach einem Stück Paprika.

>Was genau meinst du mit Verantwortlichkeiten und Beziehungen?<, sie führte mich an den Schultern zurück auf die Terrasse und drückte mich sanft in die Polster auf den Möbeln, die wir die letzten Tage aufgebaut haben.

>Naja, wir wollen auf den internationalen Markt einsteigen. Wir haben das alles vorher schon diskutiert, bevor ich mich von Jonghyun getrennt habe. Dann steht da noch die Vertragsvereinbarung mit Hybe beziehungsweise Big Hit an und dann wäre da..<, ich seufzte tief und ließ mich tief in die Polster sinken.

>Was wäre da?<, Luna lehnte sich gemütlich neben mich an und sah mich neugierig an.

>Naja. Die Anzeige bei der Polizei. Ich habe bis heute noch nichts Neues gehört und habe wirklich Angst einfach so alleine auf die Straße zu gehen. Ich sollte mich in meinem eigenen Zuhause, in meiner Heimat doch sicher fühlen. Aber ich fühle mich so, als würden mich ständig irgendwelche Leute verfolgen oder so. Ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll.<, ich begann an dem Cropped Top, das ich zur schwarzen Röhrenjeans trug, herum zu spielen.

>Was meinst du mit verfolgen? Meinst du, du hast einen Stalker oder so?<, sie sah mich besorgt an und ich konnte nur leicht nicken.

>Ich hab dir doch erzählt, dass ich gemeinsam mit Hoseok spazieren war. Oder mit Jin. Ich weiß nicht, ob es an den Jungs lag oder an mir. Aber ich habe mich irgendwie beobachtet gefühlt.<, ich setzte mich etwas auf und verschlang meine Beine direkt vor mir. Luna schien lange zu überlegen und es schien fast so, als wüsste sie nicht, was sie sagen soll.

>Ich weiß echt nicht, was ich darauf jetzt sagen soll, aber hast du mal mit jemandem darüber geredet? Mit deinem Onkel oder einem der Jungs?<, ich schüttelte leicht den Kopf.

>Mit den Jungs kann ich da nicht drüber reden. Sie haben Momentan zu viel um die Ohren und sie haben mich schon bei sich aufgenommen. Sie haben mir schon viel zu sehr geholfen. Und mein Onkel.<, ich atmete einmal tief durch.

>Er macht sich genug Sorgen um seine Frau. Da will ich ihn nicht noch zusätzlich mit meinen Problemen belasten.<, ich sah ihr direkt ins Gesicht und konnte nichts als Verständnis in ihren Augen sehen.

>Ahri, du musst dir mit all dem Zeit lassen. Niemand erwartet von dir, dass du direkt alles nach all den Dingen, die dir passiert sind, perfekt machen wirst. Es ist in Ordnung, sich mal unsicher zu fühlen oder überfordert. Aber wenn du dich beobachtet fühlst, dann bitte rede mit jemandem darüber. Du hast doch die Nummer von dieser Polizistin, bei der du deine Aussage gemacht hast. Vielleicht solltest du sie informieren.<, Luna klopfte mir ein paar Mal auf das Bein und erhob sich schließlich.

>Niemand wird dich wegen deiner Unsicherheit verurteilen. Wir sind alle hier, weil wir dich lieben und wollen, dass es dir gut geht.<, sie drückt mir einen Kuss auf die Stirn, was mich sofort zum Lachen bringt.

>Ich geh mir nochmal die Nase pudern..<, sie wurde durch das Klingeln an der Haustür unterbrochen. 

>..und du empfängst deine ersten Gäste.<, sie zog mich an den Händen auf die Beine und schob mich durch die offene Terrassentür.

Ich wusste, dass Luna recht hatte mit dem, was sie sagte. Ich sollte mich nicht von meinen Ängsten zurückhalten lassen und sollte diesen Neuanfang so nehmen, wie er kam. Ich weiß, dass es nicht leicht werden würde, doch ich wusste, dass ich auf die Unterstützung meiner Familie und meiner Freunde zählen kann. Ich sollte das Beste aus dem machen, was auf mich zukommen würde.

>Hey.<, begrüßte ich meine Cousine und ihre Eltern sowie ihren Bruder und drückte jeden von ihnen kurz an mich.

>Bitte sag mir, dass du deinen berühmten Tomaten Salat gemacht hast.<, grinste mich meine Tante an und brachte mich damit zum Lachen.

>Ja, extra für dich.<, ich drückte ihr einen Kuss auf die Wange und gerade als ich die Tür schließen wollte, öffnete sich die Tür zum Fahrstuhl und Jae kam zum Vorschein.

>Du bist pünktlich. Dass ich das noch erleben darf.<, grüßte ich ihn mit einem verwirrten Blick auf meine imaginäre Uhr an meinem linken Handgelenk.
>Haha, sehr witzig.<, er kam grinsend auf mich zu und drückte mich kurz an sich, zwängte sich im nächsten Moment schon an mir vorbei und ging geradewegs zu meiner Cousine in die Küche, wo er überschwänglich von meinem Onkel begrüßt wurde.

Ich warf einen kurzen, fast sehnsüchtigen Blick auf die verschlossene Fahrstuhltür und hoffte immer noch, dass die Jungs es schaffen würden, rechtzeitig zurückzukommen.

Allerdings haben sie mir in unserem Gruppenchat versichert, dass sie es leider nicht schaffen würden. Sie drehten noch ein weiteres Musikvideo, mussten noch einige Interviews halten und drehten zwei Folgen Run!BTS. Sie befinden sich aktuell in Tokyo, nicht in China. Ich seufzte stumm, schloss die Tür hinter mir und lief mit gedrücktem Gesicht zurück in meine Küche.

Ich sah mich einen Moment um. Meine Tante unterhielt sich gerade mit Luna in perfektem Englisch, während mein Cousin sich an Jae hielt. Er bewunderte ihn aus irgendwelchen Gründen. Ryu stand gerade bei ihrem Vater und half ihm, den Grill aufzustellen.

Ein glückliches Lächeln bildete sich auf meinen Lippen und ich kam nicht umhin, einen kurzen glücklichen Schluchzer entkommen zu lassen.

>Ahri, wir brauchen Drinks!<, rief mir mein Onkel zu und sofort entkam ein Lachen meiner Kehle.

>Es ist viel zu früh für Alkohol.<, rief ich zurück und gesellte mich zu ihm auf die Terrasse.

>Ach was.<, winkt er ab. >Irgendwo auf der Welt ist bereits fünf Uhr. Komm schon, mach mir einen Drink.<, ich schüttelte lachend den Kopf, als er mich kurz an seine Seite drückte und nickte schließlich ergeben.

>Na gut. Sonst noch jemand einen Drink?<, rief ich in die Runde und sofort kamen mehrere Antworten zurück.

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Ausgelassenes Lachen hallte über die Terrasse und jeder von uns ließ sich das frisch gegrillte Fleisch, die frischen Salate und die kalten Getränke schmecken. Wir redeten über alles mögliche, lachten viel und es floss bereits jede Menge Alkohol.

Tante Ji-Yeon war die einzige, neben ihrem Sohn, der erst vierzehn Jahre alt war, die die Finger von den hochprozentigen Getränken ließ.

>Es wäre so unfassbar cool, wenn dein Bruder... oder deine Jungs noch hier wären.<, lallte Ryu bereits leicht und brachte mich breit zum Lachen. Ich war noch nicht betrunken und hatte auch nicht vor mich heute komplett abzuschießen, jedoch spürte ich den Alkohol bereits deutlich durch meine Venen fließen.

>Du weißt, ich versuchte Kwon schon seit Monaten zu erreichen. Keine Chance. Er ist irgendwo in Amerika, glaube ich.<, Onkel Jin-Ho nickte bestätigend.

>Mhm. Seine Truppe hat seit ein paar Monaten einen Einsatz dort. Es geht nur um die nationale Sicherheit. Nichts gefährliches oder so.<, er trank einen großen Schluck seines Bieres.

>Solange sie nicht nach Nordkorea, in den Iran oder nach Afghanistan geschickt wird, ist es mir auch egal, wo er sich befindet. Solange ich nicht irgendwann einen Anruf bekomme, er wurde von einer Landmine oder von einem Panzer zerfetzt.<, ich schüttelte mich kurz und lehnte mich zurück, spürte Jae's Arm hinter mir auf der Rückenlehne.

>Aber es wäre schön, wenn er hier wäre. Ja.<, hauchte ich weiter und blickte in mein halbleeres Glas nieder.

>Und die Jungs? Was ist mit denen?<, Tante Ji-Yeon blickte mich über den Rand ihres Wasserglases an und lehnte sich wieder gemütlich in die Arme ihres Mannes.

>Sind irgendwo in China und Japan unterwegs und drehen hier und da ein paar Interviews, machen Fotoshootings. So übliches Idolen Zeugs eben.<, grinste ich leicht und stellte mein Glas zurück auf den Tisch.

>Hast du vorhin nicht erwähnt, dass du einen Vertrag mit ihrem Label bekommst?<, warf Ryu ein, während sie sich erhob, um sich ein weiteres Glas zu mixen. Ich nickte leicht.

>Da wurde mal was erwähnt. Du weißt das doch.<, ich warf ihr einen verwirrten Blick zu und erkannte ihr wissendes Grinsen.

>Es betrifft unsere Firma. Ja. Aber wir sind keine Firma, die sich so einfach verkaufen lässt.<, sie ließ sich wieder neben Luna fallen und schlug die Beine übereinander.

>Nein, sind wir nicht. Und die Leute bei Big Hit kennen mich mittlerweile sehr gut.<, ich lehnte mich grinsend nach vorne, um in die kleine Snackschale zu greifen.

Unterbrochen wurde unsere Unterhaltung vom Klingeln an der Tür und sofort wurde ich von einem seltsamen Gefühl durchflutet.

>Erwarten wir noch jemanden?<, Tante Ji-Yeon sah mich fragend an. Ich konnte nur den Kopf schütteln und erhob mich von meinem Sitz neben Jae.

>Eigentlich nicht. Nein.<, sagte ich und ging geradewegs auf die Tür zu. Ich konnte hören, wie mein Onkel hinter mir ebenfalls aufstand und mir zur Tür folgte.

Ich blickte für den Bruchteil einer Sekunde durch den Türspion, ehe ich die Tür aufriss und die Jungs vor dieser erschreckte.

>Ich fass es nicht!<, gab ich halb wütend, halb amüsiert von mir.

>Überraschung?<, Jungkook zog die Schultern nach oben und hielt einen nicht gerade kleinen Blumenstrauß vor mein Gesicht. Ich schüttelte leicht den Kopf und blickte die sieben Jungs nacheinander an.

>Ihr seid.. seid ihr gerade erst gelandet?<, fragte ich, noch während ich sie analysierte. Sie sahen müde aus und irgendwie total erledigt.

>Wir waren erst kurz in der Wohnung um uns umzuziehen und uns frisch zu machen und sind dann direkt hierher gefahren.<, ich strich mir einmal durchs Gesicht.

>Warum? Ihr hättet nicht kommen müssen.<, sagte ich sanfter und nahm dem Maknae den Blumenstrauß aus der Hand, legte ihn über meinen Arm und sah zu Namjoon, der ein breites Grinsen auf den Lippen hatte.

>Wollten wir aber. Wir haben dir schließlich was mitgebracht.<, der Leader der Gruppe nickte mehrmals, wohl um sich selbst klar zu werden, was er da eben gesagt hat.

>Mhm, das erwarte ich auch. Ihr wart ohne mich in Japan und in China. Ein Souvenir ist da schon angebracht.<, grinste ich breit und sah sie abwartend an.

>Es ist aber weder etwas aus Japan, noch aus China.<, Hoseok grinste mich breit an und ein dummes Gefühl durchflutete mich.

>Was ist es dann?<, ich zog eine Augenbraue nach oben und hörte den Fahrstuhl, wie er sich ein weiteres Mal öffnete.

>Nicht was. Sondern wer.<, Jimin zog mich am Arm aus der Tür und stellte mich direkt so hin, dass ich zur Tür zum Fahrstuhl sehen konnte, aus dem gerade jemand ausstieg.

>Oh mein Gott.<, konnte ich nur atemlos von mir geben.

Er ließ seine große Tasche auf den Boden fallen und grinste mich breit an, ich konnte bereits die Tränen und die große Freude in seinen Augen sehen.

>Mäuschen.<, sagte er ruhig.

Ich konnte nicht anders, als den Strauß in meinem Arm einfach fallen zu lassen.

>Kwon!<, kam es lauter als gewollt über meine Lippen, als ich auf ihn zurannte und mich an ihn klammerte, wie eine Ertrinkende. Er stolperte einige Schritte zurück und hielt mich fest an sich.

>Ich bin wieder da. Ich bin wieder da.<, hauchte er immer wieder ruhig, während er über meinen Rücken strich. Ich konnte nicht anders als mich fester an ihn zu drücken und zu heulen, als hätte ich ihn seit Jahren nicht gesehen.

Ich konnte meine Beine nur enger um seine Taille schlingen, während er mich fest hielt. Ich wollte ihn nicht loslassen, zumindest nicht so bald.

Ich konnte hinter mir hören, wie kurz irgendetwas gesprochen wurde, hörte etwas leise knistern und auch ein leises Schluchzen war zu vernehmen.

>Ich gehe so schnell nicht wieder weg, Mäuschen. Das verspreche ich dir.<, ich nickte nur leicht in seine Schulter.

Ich wusste nicht, wie lange wir noch hier standen und uns einfach im Arm hielten, aber es war mir auch egal.

Ich hatte endlich meinen Bruder wieder zurück.

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