7.
Das Klingeln meines Weckers riss mich aus dem Schlaf. Ich stöhnte wie immer frustriert auf, unterdrückte den Drang, mein Handy gegen die nächstbeste Wand zu schmeißen und richtete mich auf. Ich hatte noch dieselben Sachen von gestern an. Sie waren zerknittert und klebten an meinem Körper. Mark hätte jetzt mit der Zunge geschnalzt und sie mir mit einem Grinsen ausgezogen. Aber Mark war weg, einfach so, und langsam kam mit der Trauer auch die Wut. Wir hatten zwei, drei Jahre glücklich miteinander verbracht und auf einmal entschied er, dass es vorbei war und verschwand auf Nimmerwiedersehen? Ohne Erklärung, bei einem Treffen von 5 Minuten. Das konnte nicht sein Ernst sein. Und ich Idiot hatte nicht einmal was dagegen unternommen.
Ich hiefte mich aus meinem Bett und tappste durch die Wohnung. Mein Blick fiel auf das Foto von uns, er mit dem Arm um meiner Schulter, das typische Peace- Zeichen zur Kamera gewandt, die dunklen Haare zersaust, Augen geschlossen und lachend. Ich daneben, ihm einen skeptischen Blick zuwerfend. Ein kleines verstecktes Lächeln auf den Lippen. Vielleicht sollte ich das Foto wirklich verbrennen.
Das Summen meines Handys machte mich wieder darauf aufmerksam, dass ich in einer halben Stunde auf Arbeit sein musste. Am besten geduscht, rasiert und gesättigt. Mit frischer Kleidung. Und einem traurigem Blick, denn Bruce war ja gestorben. Ich drückte das Summen weg und stieg als erstes unter die Dusche.
Ein paar Minuten zu spät tauchte ich schließlich zur Arbeit auf. Es herrschte eine bedrückte Stimmung, niemand schien so recht Lust zu haben, eine Konversation zu beginnen. Auf dem Schreibtisch von Bruce lagen Blumen. Als ich daran vorbeilief und die versteckten Blicke meiner Kollegen im Rücken spürte, verdammte ich mich dafür, nichts mitgebracht zu haben . So blieb ich also nur kurz stehen, murmelte etwas und beeilte mich an meinen Schreibtisch zu kommen. Die Schuldgefühle kamen mit doppelter Intensität wieder. Zusammen mit meiner Wut auf mich selbst und Mark, dem Haufen Akten auf meinem Tisch und meiner Müdigkeit, ließ ich mich schlecht gelaunt auf den Stuhl fallen. Das versprach kein guter Tag zu werden.
Es war in der Mittagspause, als mir einfiel, dass Bruce' Beerdigung in einer Woche ablaufen sollte. Ich war nicht überrascht gewesen, als ich seine Frau gestern um 1 Uhr früh noch hatte erreichen können: Wäre mein Geliebter gerade erst gestorben, wäre ich auch nicht einfach so schlafen gegangen. Mrs. Bruce hatte eine raue Stimme gehabt, vom Weinen, wie ich vermutete, und hatte keinerlei Probleme gehabt, mir alle Infos durchzugeben. Freitag, 11 Uhr fing es an. Ich musste mir vorher noch angemessene Kleidung besorgen. Und Blumen. Auf jedenfall Blumen.
".... wenn Sie nichts dagegen hätten, würde ich gerne ein paar Fragen stellen...", hörte ich plötzlich Jemanden im Hintergrund. Die Stimme kam mir sehr bekannt vor. Als ich aufblickte und den roten Haarschopf sah, unterdrückte ich ein genervtes Aufschnauben. Theresa. Als hätte sie meine Gedanken gehört, blickte sie nun ebenfalls auf, drehte den Kopf und hob spöttisch die Augenbrauen. Sie wechselte noch ein paar Worte mit einem Kollegen und kam dann zu mir.
"Kein guter Tag, was?" Sie klemmte sich einen Kugelschreiber in die Tasche ihrer Bluse und lehnte sich an meinen Tisch an. Ihre Augen blitzten.
"Hab gehört, Bruce ist einfach aufgestanden und hat sich aus dem Fenster gestürzt?"
Ich murrte etwas und gab ein paar Daten in den Computer ein.
"Und du hast versucht, ihn aufzuhalten? Aden, du Möchtegern- Held." , setzte sie noch einen drauf.
"Ther, hör auf."
"Ich denke gar nicht daran. Das hier wird eine Hammer story, wenn sie dann erstmal Sinn ergibt und alle Fragen geklärt sind." Theresa beugte sich vor, als würde sie mir ein Geheimnis verraten wollen. Stattdessen fragte sie, jedes einzelne Wort betonend: "Hast du was damit zu tun, Aden? Ich weiß, die Frage habe ich schon gestern gestellt. Du hast verneint, aber ich bin Journalistin und spüre, wenn was nicht richtig ist. Das macht die jahrelange Erfahrung."
"Die jahrelange Erfahrung kann auch manchmal täuschen." entgegnete ich standfest, während ich ihr in unverwandt in die Augen blickte. Mein Herz klopfte zu schnell und ich schwitzte, aber Ther war zu sehr auf meine Worte und Augen fokussiert, als dass sie es bemerkt hätte.
"Ich habe nichts damit zu tun", wiederholte ich. Die Rothaarige verzog unzufrieden den Mund und ließ von mir ab. "Lügen... alles Lügen", murmelte sie noch, ehe sie aus meinem Blickfeld verschwand. Kaum war sie weg, ließ die Anspannung von mir ab. Die Gefahr war vorerst gebannt. Aber sie würde wiederkommen, denn Theresa war ein Dickkopf. Und ihr Gefühl hatte sich in ihrer Laufbahn immer als richtig erwiesen. Sehr zu meinem Leidwesen.
Kennengelernt hatte ich sie bei einer Silvesterparty vor zwei Jahren. Mit ihrer schon damals sehr extrovertierten Verhaltensweise hatte sie sofort meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Laut, direkt, energiegeladen, stur. Sie war gut drei Jahre älter als ich und verhielt sich wie fünf Jahre jünger. War sofort wie ein Racheengel hinter mir her gewesen, weil ich nicht wie alle Menschen um Punkt 12 mit einem Glas Sekt dagestanden hatte. Und seitdem klebte sie an mir wie eine Klette. Sollte sie jemals Wind von Ezra bekommen, dann...
Ich holte mein Handy heraus. Keine neuen Nachrichten. Als ich den Chat mit Ezra öffnete, sprang mir das Zu spät Aden ins Auge. Immer wieder las ich die drei Wörter, bis ich genug davon hatte und mein Handy wieder auf Stand-by schaltete. Was Ezra anging, musste ich was unternehmen. Nur zu warten, bis er mich kontaktierte und ein weiterer Mensch in meinem Umfeld starb, ging nicht. Er hatte meinen Tod herausgezögert und einen anderen Tod hervorgerufen und gleichzeitig versucht, ihn zu verhindern. Ich wollte Erklärungen. Am besten sofort.
Ist es möglich, sich mit seinem eigenem Tod zu treffen?
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