5.

Als ich nach Hause kam, saß sie da. Ihr langes Haar fiel in einem rotem Schimmer über die Schultern, schmale, lange und blasse Finger spielten mit dem Bund ihrer Kopfhörer, dunkle Augen musterten den Boden des Treppenhauses. Ihre gerunzelte Stirn glättete sich, als sie  mich erblickte. "Aden!"
Gott, du hasst mich. Ich setzte ein gekünsteltes Lächeln auf. "Hey. Was machst du hier, Theresa?"
"Was wohl? Meinen besten Freund besuchen!" Sie sprang auf und umarmte mich. "Das mit ihm tut mir leid.", murmelte sie traurig in mein Ohr. Ihre Augen blitzten, als sie einen Schritt zurücktrat. "Wenn ich ihn erwische, dann hau ich ihm eine rein!"
"Tess...."
Sie hob die Augenbrauen. "Natürlich erst, wenn du mit ihm abgerechnet hast. Tendierst du mehr zum Bitch- Slap und zum In-die-Eier-treten? Meiner Meinung nach..." Sie drehte sich um und holte wie selbstverständlich den Schlüssel raus, den sie mir, wie schon so oft, bei der Umarmung aus der Hosentasche geluchst hatte, "... verdient dieser Typ beides. Ich habe sowieso nie verstanden, was du an ihm so gefunden hast... so! Home sweet home!" Energisch trat sie in meine Einzimmerwohnung.  Immer noch draußen schloss ich die Augen, umfasste den Anhänger meiner Kette und versuchte, mich zu beruhigen. Tess oder Theresa, Reese oder Ther, meine vermeintliche beste Freundin war momentan zu viel für mich. Sie war groß und voller Energie und alles drehte sich immer um sie. Ich als ihr 'bester Freund' stand an zweiter Stelle und wenn sie plötzlich aufkreuzte, dann bestimmt nicht wegen mir.
"Ade!" , rief Tess laut und ungeduldig. "Komm rein, ich fühl mich hier wie ein Eindringling."
Du bist einer, dachte ich verbissen und betrat meine Wohnung. Und dein Timing ist so schlecht wie immer.
Was sie nicht dran hinderte, meinen Schreibtisch zu inszpizieren, der durch und durch mit Zeitungs- und Online Berichten zugemüllt war, mit Artikeln über Reaper und mythologischen Sagen.
"Bist du neuerdings einem Kult beigetreten?", hörte ich sie irritiert fragen. Ich rollte mit den Augen. "Ja, Ther, ich hab vor lauter Herzschmerz entschieden, einem Totenbeschwörer- Verein beizutreten und mich dabei gleich selbst umzubringen." Sie zuckte mit den Schultern und ließ sich aufs Bett nieder. "Ironie steht dir nicht."
"Sagt die richtige." Ich warf meine Schuhe in die nächst beste Ecke und lief an dem Foto von meinem Freund und mir vorbei. Tess bemerkte meinen Blick, oder eher meinem Nichtblick , und sagte tonlos: "Du solltest das Foto verbrennen."
Wir starrten uns an.
"Sicher, dass du nicht dem Totenbeschwörer- Kult beitreten solltest?", fragte ich dann trocken in die Stille hinein. Sie legte den Kopf schief und grinste. "Ich überlege es mir. Im Namen aller gebrochenen Herzen."  Ich lachte kurz auf und ließ mich neben sie fallen. "Dann könntest du dich ja auch gleich um Michael Bruce künmern..."
Auf einen Schlag wurde sie ernst. "Ade!", zischte sie, "Der Mann hat sich gerade erst umgebracht. Darüber macht man keine Witze."
"Du hast angefangen", feuerte ich zurück. "Und dürftest eigentlich noch gar nichts davon wissen.  Die Mittagspause liegt vielleicht eine Stunde zurück, und du stehst schon vor der Tür und bist auf dem Laufendem."
"Ich bin halt Journalistin. Sowas gehört zu meinem Job." Sie warf sich das rote Haar zurück und blitzte mich an. "Übrigens auch der Grund, weshalb ich hier bin. Findest du es nicht ein bisschen komisch, dass du sowohl im Busunfall, als auch jetzt beim Selbstmord dabei warst?"
Ich seufzte, stand auf und holte mir ein Glas Wasser. Ihr Job, klar. Deswegen war sie hier. Ich fragte mich, wie sie wohl reagieren würde, wenn ich ihr von Ezra erzählte.
"Wirfst du mir gerade vor, ich hätte mit beiden Fällen was zu tun? Ich bin kein Mörder, Tess, das solltest du wissen.", sagte ich stattdessen.
"Dein Herz wurde gebrochen.", entgegnete sie kühl, "Am selben Tag wie der Busunfall passierte. Und erstaunlicherweise bist du ohne jeden Kratzer davon gekommen. Schau mich nicht so an, ich wurde angerufen, als du ins Krankenhaus gebracht wurdest. Und ich habe dich ins Bett gebracht. Ich warte übrigens immernoch auf dein Danke."
"Danke."
"... ein paar Tage danach, genauer gesagt heute, bringt sich dein Arbeitskollege um, nachdem er dich verspottet hat. Ade, sag mir die Wahrheit. Hast du was damit zu tun?" Theresa sah mich scharf an. Ich schluckte, dachte an die Warnung von Ezra,  und schüttelte den Kopf. "Nein, hab ich nicht." Ich hab zwar nichts damit zu tun, aber ich hätte es verhindern können. Ich wusste einige Sekunden vorher, was passieren würde. Weil der Tod es mir höchstpersönlich gesagt hat. Aber Tess war die letzte, der ich sowas erzählen würde. Außerdem stiegen mir mit den ganzen Fragen auch Zweifel an der Idendität Ezra's auf. War er wirklich der Tod oder nur ein sehr gerissener Mörder? Andererseits, wie sollte man es schaffen genau einen Menschen aus einer Menge heil herauszubringen? Woher hatte Ezra meinen Namen gewusst und den genauen Zeitpunkt? Es sprach mehr dafür, dass Ezra wirklich ein Reaper war, so unwahrscheinlich das auch klang.
Theresa sah nicht überzeugt aus. "Das wird sich noch herrausstellen.", meinte sie zu meiner Verneinung und stand auf. "Noch einen schönen Abend." Kurz bevor sie die Tür erreichte, legte sie ihre Journalisten- Seite ab und brüllte: "Und gönn dir ne saftige Tiefkühlpizza!" Wham, Tür zu.


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