4.

Die Sirenen übertönten das Gekreische und Weinen der Menschen.  Jemand war so nett gewesen, den aufgeprallten Körper mit einem Laken zu überdecken.
Das Blut konnte trotzdem noch jeder sehen.

"Sein Name war Michael Bruce"

Mein Herz setzte aus. Diese Worte. Langsam drehte ich mich um, mein Herz klopfte wie wild, beruhigte sich dann aber, als ich die zwei Polizisten sah. Der eine, großgewachsen und mit erheblichem Bauchumpfang,  kratzte sich ratlos an den Bartstoppeln. 
"Sag mal, Josh, wieso bringt sich ein Mann wie Michael Bruce am hellichten Tag um?" Josh schüttelte ebenso ratlos den Kopf. " Kein Plan, Alter." Beide setzten sich in Bewegung und gingen ihrem Job nach.

Ich starrte auf das Laken, das sich allmählich mit Blut tränkte. Die Polizisten hatten recht. Wieso sprang ein Mann mit gesichertem Einkommen und Familie kurz vor der Mittagspause aus dem Fenster und setzte seinem Leben ein Ende?

Wieso hatte der Tod ihn nicht gerettet? Wieso hatte Ezra mich nicht eher gewarnt? Warum war ich so langsam gewesen?

Ich schluckte und umfasste mein Handy fester. Zu spät Aden.

Herzlichen Dank auch, Ezra.

Langsam wandte ich mich von der Leiche ab und lief in entgegengesetzter Richtung davon. Mich jetzt noch auf meine Arbeit, die wir in weniger als einer halben Stunde wieder beginnen würden müssen, zu konzentrieren, war ein Ding der Unmöglichkeit. Mich jetzt noch auf irgendwas konzentrieren zu können, war ein Ding der Unmöglichkeit: Die Schuldgefühle schienen sich in mir festgenagelt zu haben und wollten nicht schwinden. Ich fühlte mich schuldig, weil ich den Tod nicht hatte verhindern können, wütend, weil ich nicht verstand, was hier vor sich ging, verzweifelt, weil der einzige Mensch, zu dem ich hätte gehen können, weg war. Meine Augen brannten schon wieder, ich unterdrückte ein Schluchzen und atmete tief ein und aus.  In dem Moment rempelte mich jemand an.
"Oh, sorry man!", rief die Person. Als ich aufblickte, erblickte ich einen Mann, etwas blass um die Nase, mit einem strahlendem Lächeln und blonden Haaren, die zwar so aussahen, als hätte man Zeit darauf verwendet, sie zu richten, aber hätte irgendwann einfach aufgegeben und in dem Zustand gelassen.  Er war ganz in schwarz gekleidet, Mantel, Handschuhe, selbst einen Hut, den der Mann ( Mann? Gerade volljährig geworden, würde ich mal sagen) nun aufhob und aufsetzte. Als er mir kurz in die Augen blickte, hielt ich inne. Es lag so ein Ausdruck drin. Als würde er alles wissen und ich nichts.
"Pass doch auf, wo du hinläufst...", erwiderte ich pampig.  Der Mann nickte entschuldigend. "Es tut mir wirklich Leid."  Seine Stimme war weder tief noch richtig hell, irgendwo dazwischen und machte es mir noch schwerer, sein Alter einzuschätzen.
"Wie auch immer, ich muss jetzt los..." Der Mann tippte zum Abschied an seinem Hut und lief weiter.
Immer noch grübelnd drehte ich mich um und setzte meinen Weg fort.
Es würde mir erst später auffallen, dass der Mann in Richtung Todesfall gelaufen war. Ebenso würde sich mir auch erst später die Frage stellen, was der Mann mit Arbeit wohl gemeint hatte.


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