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Jeno Jeno Jeno bitte schreib mir, Jeno.

Dass es aber ein Brief ist und keine Nachricht, überrascht mich doch irgendwie.

Du weinst so viel. Ich wünschte, ich könnte etwas dagegen tun.
Eigentlich wollte ich dir gestern schreiben, aber ich konnte nicht, hab mir zu viele Sorgen um dich gemacht. Ich meine, die mach ich mir sowieso. Aber nachdem du gestern ewig nicht geantwortet hast, und dann nur geschrieben hast, dass du im Krankenhaus bist, bevor wieder ewig nichts kam, ich hätte wohl eine Panikattacke kriegen können. Und jetzt bin ich so, s o froh, dass du okay bist. Also, körperlich. ...Du weißt, was ich meine.
Ich fühle mich echt schlecht, dass ich, wenn ich bei dir bin, ständig schlafe. Aber dir ist das egal, dass ich deine wertvolle Zeit verschwende, du lässt mich einfach schlafen. Stundenlang. Ich bin dir dankbar und wünschte doch, tu tätest das nicht.
Es war schön vorhin mit Renjun und Haechan, auch wenn es im Krankenhaus war und wir alle irgendwie permanent daran denken, dass du sterben wirst. Du hoffentlich nicht, aber ich weiß ja, dass du es auch tust.
Haechan hat mich als deinen Freund bezeichnet. Ironisch, ich weiß. Trotzdem frage ich mich, ob  das wohl funktionieren würde. Mit dir und mir. Ob ich dein Freund sein könnte und du meiner. Mit all dem Klischee, weil wir garantiert so wären, obwohl wir uns immer darüber lustig machen.
Darf ich ehrlich sein, Nana?
Der Gedanke ist irgendwie schön.
Und das ist mir so verdammt peinlich. Aber ich wünsche dir das, dass du die Liebe noch erfahren darfst. Und wenn mit mir, dann, hey, warum nicht? Ich bezweifle, dass ich deinen Tod überleben werde, also kannst du mein Herz doch auch mitnehmen.
Das stimmt nicht. Ich werde ihn mit Sicherheit überleben und dich erst in vielen Jahrzehnten wiedersehen, weil ich feige bin und du sonst wütend bist. Außerdem ist da ein kleiner, naiver Teil in mir, der sich einbildet, dass du weiterlebst. In mir. Du bist nicht mehr nur mein bester Freund, du bist ein Teil meiner Seele. Ich sage extra nicht Seelenverwandter, weil das immer irgendwie romantische Züge hat. Und du bist nicht mein Bruder, mein Gegenstück, sondern gehörst zu mir. Als wärst du ein Arm oder so. Nur eben seelisch. Deshalb musst du doch eigentlich bleiben, oder? In dem Teil von mir, der du bist? Der dir gewidmet ist? Dir gehört? Vielleicht, ganz vielleicht, lebst du mit mir weiter. Kannst durch meine Augen meine Welt sehen und so verstehen, was ich bin. Vielleicht lenkst du mich ja sogar manchmal. Triffst Entscheidungen für mich. Lachst und weinst mit mir. Tröstest mich. Das wäre
Wenn ich daran denke und in mich hineinfühle, merke ich es. Ich kann dich spüren. Und irgendwie
Du bist genau da, wo ich dachte. Eigentlich überall, aber vor allem an diesem einen Punkt irgendwo tief unten, unter dem Herzen, du musst einfach bei meiner Seele sein. Ich weiß nicht, ob es sie gibt, ob du da bleibst, aber gerade bist du da. Hältst das schwache Glimmen in deiner Hand. Wenn du gehst, bleibst du da, garantiert. Auch wenn du dann vielleicht nur noch zusiehst, wie sie vor sich hinleuchtet.
Kann ich dich zum Lachen bringen? Du mich?
Du trägst meinen Hoodie. Und du lächelst. Deine Augen strahlen noch. Wie früher.
Hast du auch so eine kleine Version von mir? Gleich neben deiner Seele?
Ich schreibe Unsinn. Tut mir leid.
I
Bitte bleib. Umarm mich und lass mich nie wieder los. Stopp die Zeit und bleib für immer genau da, hier, in meinen Armen.
Ich wünschte, es wäre so einfach.

Ich hasse das. Ich hasse es, zu lesen, wie sehr er mich liebt, egal auf welche Weise, und zu wissen, dass ich es nicht erwidern kann. Und niemals konnte. Ich meine, er hat eine kleine Version von mir in sich, das ist doch... Das alles ist so...

In der Hoffnung, dass es mich vielleicht vom Heulen ablenkt, schließe ich meine Augen und suche.

Ich finde Jeno zusammengerollt, mit den Armen um die schimmernde Kugel geschlungen, die meine Seele sein muss. Als müsste er sie vor etwas beschützen - oder sie ihn.

Ich könnte bleiben und ihn wecken. Stattdessen drücke ich ihm einen Kuss auf die Haare und gehe die große Version besuchen. So lange ich rechtzeitig zu Hause bin, bevor Eomma wiederkommt, bin ich sicher.

Drei Mal muss ich klingeln, bevor er endlich auftaucht, ich dachte schon, er wäre doch in der Schule. Als er mich durch das Fenster sieht, erstarrt er kurz, ehe er mir schleunigst die Tür aufmacht.

"Bist du verrückt geworden, Jaemin-ah? Sag doch was, dann komm ich zu dir."

"Gib mir wenigstens das Gefühl, dass die Welt in Ordnung ist", flüstere ich, und wie er da steht, mit zerzausten Haaren, im Schlafanzug, ich breche in Tränen aus. Vor zwei Wochen hätte ich seine Frisur gerichtet und ihm gesagt, dass er für seinen Zustand viel zu gut aussieht, denn das ist etwas, das ich ihm gesagt hätte. Und wieder sagen will.

"Dafür ist leider viel zu viel nicht in Ordnung", erwidert er leise und umarmt mich. "Aber das wird wieder, Jaem." Ich weiß nicht, wann er mich das letzte Mal so genannt hat. Es erinnert mich an früher.

"Es tut mir so leid", schluchze ich.

"Ich weiß", flüstert er, "ich weiß."

Seine Umarmung ist liebevoller als früher, sanfter als früher. Ich frage mich, ob er es merkt, und ob meine auch anders ist.

Als meine Heulsession beendet ist, wischt Jeno ein Mal über meine nasse Wange, zieht mich dann mit sich in die Küche und legt mir eine Packung Taschentücher hin, die ich benutze, während er mir ein Glas mit Wasser füllt.

"Du darfst überhaupt nicht hier sein", stellt er fest, als ich mir die Nase geputzt und die Wangen trockengewischt habe.

"Darf ich auch nicht." Ich leere das Glas und Jeno füllt es nach und hält es mir hin, trinkt selbst, als ich den Kopf schüttle. Er mustert mich, während ich meine brennenden Augen reibe, aber sagt nichts. Mir ist kalt.

Ein lautes Maunzen hält ihn vom Reden ab, er seufzt leise und lässt mich stehen, um gleich darauf mit Nal auf dem Arm zurückzukommen. Wie lange habe ich seine Katzen schon nicht mehr zu Gesicht bekommen? Die sind sowieso immer draußen unterwegs, und ich war bestimmt ewig nicht mehr hier. Also, ich von letztem Jahr schon. Aber ich weiß wenigstens noch, dass eine meiner Konsequenzen war, dass ich nur noch besucht werden durfte. Und die gilt auch eigentlich immer noch, aber hier zu sein, der Ort, an dem ich mindestens so viel Zeit verbracht habe wie zu Hause, macht meine Welt etwas heiler.

Als Jeno die Katze absetzt, streicht sie um unsere Beine, beschwert sich laut, bevor sie fressen geht. Ich sehe ihr dabei zu, und ich glaube, Jeno auch. Für den Moment ist alles in Ordnung. Kein Herzschmerz, keine Amnesie, nur Jeno und Jaemin. Ich lehne meinen Kopf an seine Schulter und er legt einen Arm um mich.

"Ich weiß nicht, ob du dich erinnerst", sage ich leise, "aber du hast geschrieben, dass du eine kleine Version von mir in dir hast."

Er gluckst. "Doch, ich erinnere mich."

"Ich hab auch eine von dir." Diesmal finde ich sie schneller, und er kauert, noch immer an das Schimmern geklammert, im Dunkeln. Ich will es ihm heller machen, aber ich weiß nicht, wie.

"Du schläfst", sagt Jeno. "Seit Tagen."

Ich weiß nichts zu antworten, und er sagt auch nichts mehr. Nal tapst aus dem Raum und kratzt gleich darauf an der Tür.

"Die kommen auch echt nur zum Fressen und zum Pinkeln nach Hause."

Ich muss lachen, und Jeno lässt mich lächelnd los, verschwindet im Flur, um die Haustür zu öffnen. Ich folge ihm und als er sich zu mir umdreht, ist es immer noch da.

"Soll... ich nach Hause?", frage ich.

"Willst du?"

"Am liebsten nie wieder, aber das ist keine Option."

Er betrachtet mich einige Zeit lang. Ich spiele mit dem Reißverschluss meiner Jackentasche. Dann macht er einen Schritt auf mich zu und zieht mir die Mütze vom Kopf.

"Ich geh duschen. Du kannst dich in mein Zimmer verkriechen." Er will an mir vorbeigehen, aber ich halte ihn fest, sodass er sofort innehält, sich zu mir zurückdreht.

"Du hast mir mal Bücher gebracht, oder?" Meine Stimme lässt nicht mehr als das Flüstern zu.

"Hab ich."

Ich schlucke. "Ich hab gestern eins angefangen. U-Und als ich es das letzte Mal gelesen habe... Da..." Ich hole tief Luft. "Ich weiß wieder, wie es sich anfühlt, dich zu küssen."

Stille. Ich traue mich nicht, irgendwo anders hinzusehen als Jenos Hand in meiner. Seine andere hebt aber mein Kinn an, sodass ich ihn ansehen muss.

"Jetzt müssen wir nur noch darauf warten, dass du es vermisst", wispert er. Ich würde ihm gerne sagen, dass ich das tue, dass mich das Ganze zum Verzweifeln bringt, aber er lässt meine Hand los und geht nach oben. Ich folge ihm erst, als die Badezimmertür ins Schloss fällt.

Als ich sein Handy auf seinem Bett liegen sehe, fällt mir ein, dass ich meins zu Hause vergessen habe. Ich erwäge, mir mit seinem dir Zeit zu vertreiben, aber ich weiß nicht, ob ich es noch darf, also lasse ich es. Stattdessen sehe ich aus dem Fenster und betrachte den jungen Baum am anderen Ende des Gartens. Ich habe keine Ahnung von Bäumen und weiß doch, dass es eine Kirsche ist. Ich muss Jeno fragen.

Der sieht aber völlig fertig aus, als er zurückkommt, weshalb ich das wieder vergesse und ihm anbiete, seine Haare zu trocknen. So sitzt er gleich darauf auf dem Fußboden vor mir, während ich das tue, und wir schweigen.

"Der Baum da draußen", fange ich an.

"Die Kirsche?" Er sieht zu mir hoch und ich nicke. "Haben wir zusammen geholt. Als es noch 99 Tage waren, bis du hättest sterben sollen. Wir haben sie auch zusammen eingegraben. Du hast deine Initialen reingeritzt. Er steht so, dass man ihn überall in meinem Zimmer sehen kann. Du warst durchgefroren und fertig."

"Waren wir da schon–?"

Er schüttelt den Kopf. "Eine Woche später."

Ich lege das Handtuch zur Seite und kraule stattdessen so durch seine fast trockenen Haare. "Wie haben wir den hierhin gekriegt?"

"Appa." Der ist wohl ein unerwünschtes Thema, so verbissen, wie er auf einmal klingt. Also sage ich nichts mehr, mache nur mit meinen Fingerbewegungen weiter. Jenos Kopf sinkt auf mein Bein, seine Augen sind geschlossen, und er entspannt.

"Nicht schlafen", sage ich leise.

"Doch", erwidert er, fast verzweifelt, "bitte."

Ich sage nichts, aber mache weiter, sodass er sich nach einer Weile seitlicher hinsetzt, seinen Kopf vernünftig ablegt, und sein linker Arm rutscht hinter mein Bein, sein rechter davor.

"Komm doch wenigstens auf's Bett", bitte ich ihn. Aber er schüttelt den Kopf und ich seufze lautlos, streiche ihm die Haare aus der Stirn.

Auf mein "Wie viel hast du letzte Nacht geschlafen?" reagiert er gar nicht mehr, sinkt gänzlich gegen das Bett und mein Bein, seine Schultern lassen locker, seine Kiefermuskeln an meinem Oberschenkel entspannen sich. Ein paar Minuten mache ich noch weiter, bis meine Finger müde werden. Dann bleibe ich sitzen, weil ich Angst habe, ihn zu wecken.

Was ich die ganze Zeit mache, weiß ich nicht, doch das Vibrieren seines Handys lässt mich aufschrecken. Jeno reagiert nicht, ich werfe einen Blick auf den Bildschirm. Jaemins Eomma. Fuck, wie spät ist es?

"Ist Jaemin bei dir?", fragt sie, bevor ich überhaupt noch etwas sagen kann.

"Ich bin's, Eomma. Tut mir leid, ich hab mein Handy zu Hause liegen lassen. Aber ja, ich bin bei Jeno."

Sie seufzt laut, ein Stuhl schrammt über unseren Küchenboden. "Gut. Wie geht's dir, Schatz?"

"Ganz okay", sage ich zögerlich. "Bei Jeno zu sein hilft irgendwie. Hier ist die Welt in Ordnung. So wie früher."

"Das ist doch was Gutes. Und Jeno?"

"Er schläft gerade. Im Sitzen und das sieht alles andere als gemütlich aus, aber es ist gut, dass er es tut."

"Das ist schön."

"Wann soll ich nach Hause?", frage ich, obwohl ich die Antwort nicht hören will.

"Wenn du zwischendurch was isst, reicht mir heute Abend. Aber das ist eine Ausnahme, okay?"

"Ja, ich weiß. Danke, Eomma."

"Schon gut. Hab dich lieb, Jaeminnie."

"Ich dich auch. Bis nachher."

"Bis dann. Grüß Jeno und Dabin von mir."

"Mach ich."

Sie legt auf. Ich beschließe, Jeno aufzuwecken, aber bringe es dann doch nicht übers Herz. Also strecke ich mich nach dem Buch auf seinem Nachttisch und schlage es auf.

Ich werde erst wieder zurückgeholt, als Jeno sich bewegt. Daraufhin merke ich mir die Seitenzahl und lege das Buch zur Seite, lächle, als er verschlafen zu mir aufsieht.

"Guten Morgen, Schlafmütze." Er murmelt etwas, sein Kinn sinkt zurück auf mein Knie, er reibt sich die Augen, kann sie kaum offenhalten. "Eomma hat dich gerade angerufen und ich bin rangegangen. Ich soll was essen und kann dann heute Abend erst zurück sein."

"Ich sollte vielleicht auch was essen", nuschelt er, aber wir bewegen uns nicht. Ich streiche wieder durch seine Haare. "Wenn du willst, dass ich gleich wieder einschlafe, mach ruhig weiter." Er klingt müde, aber amüsiert.

"Sorry, sorry. Na komm, ich koch dir auch was." Für einen kurzen Moment erstarrt er, hört sogar auf zu atmen, steht dann auf und hilft mir ebenfalls hoch.

"Du hast Ende Januar auch für mich gekocht." Es hat etwas Wehmütiges.

"Was denn?"

"Einfach nur Ramen, aber ich glaub, ich werde die nie vergessen können."

Schweigen. Wir kommen in der Küche an, bleiben aber etwas hilflos nebeneinander stehen.

"Wenn du noch weißt, was drin war", sage ich zögerlich, "kann ich's wieder machen."

"Ich denk drüber nach." Ob jetzt darüber, was drin war, oder ob ich es machen soll, erfrage ich nicht.

Ich setze mich in Bewegung, gehe die Schränke durch, und erinnere mich erstaunlich gut daran, wo sich was befindet. Jeno sieht mir nur zu und beantwortet meine Fragen, ich glaube, er fühlt sich fehl am Platz - und ist so in Gedanken versunken, dass ich ihn manchmal anstupsen muss, damit er reagiert.

Beim Kochen hilft er mir aber doch, auch wenn er still ist, und ich nehme es hin, da ich selbst nicht reden kann, weil ich mich konzentrieren muss.

"Jaemin-ah." Ich sehe vom blubbernden Wasser zu ihm auf. "Wann kommst du wieder zur Schule?"

"Keine Ahnung. Ich weiß es wirklich nicht. Nicht einmal ungefähr. Eomma geht aber zur Schulleitung und fragt wegen der Prüfungen. Ich will die schreiben, und wenn ich die nicht schaffe, muss ich wiederholen." Ich schnappe nach Luft. "Mark-hyung hat dann seinen Abschluss!"

Jeno grinst leicht. "Jap. Haechan heult schon, weil er ihn nicht mehr jede Pause sieht. Und Mark-hyung traut sich nicht, ihm zu beichten, dass er darüber nachdenkt, für ein Jahr nach Kanada zurückzugehen."

"Oh Mann. Aber das wär voll cool. Als Au-pair?"

"Weiß ich gar nicht. Ich glaub, er denkt nicht darüber nach, bevor Hyuck es nicht weiß, weil er seine Pläne sonst wieder über den Haufen schmeißen kann."

"Hmm." An die Idioten zu denken, ist schön und gleichzeitig deprimierend. "Warum melden die sich nicht bei mir?"

"Tun sie nicht?" Er klingt ernsthaft überrascht. "Ich halt ihnen eine Standpauke."

"Nein, schon gut, ich... Es ist nur irgendwie blöd, weißt du? Mehr als dass Renjun jetzt einen Freund hat, weiß ich nicht. Wenn sie sich nicht bei mir melden, fühlt es sich so an, als wär ich ihnen egal."

"Ich sag's ihnen. Wenn's einen Grund gibt, erfährst du ihn."

"Okay. Danke."

Da seine Mutter ihn anruft, erledige ich die letzten Schliffe ohne Jeno, und stelle das Essen gerade auf den Tisch, als er zurückkommt. Er ist etwas neben sich, wenn man es so nennen kann, sieht mich nicht an und reagiert erst verzögert, als ich ihm sage, dass er sich hinsetzen soll.

"Was ist?", frage ich leise.

"Ich hab nichts gesagt und du hast es trotzdem geschafft..." Seine Stimme gibt nach und er versucht es auch nicht weiter, deutet nur auf die dampfenden Ramen. Vielleicht ging es mir deshalb so leicht von der Hand - sie sind die gleichen, die ich ihm schon einmal gemacht habe.

"Tut mir leid", murmle ich.

"Schon gut. Danke für's Kochen, Jaemin."

"Gerne", erwidere ich, seinen Fingern dabei zusehend, wie sie mit dem Glas spielen. "Wenn du so was isst."

Er schmunzelt. "Um das abzusichern, musst du mich drei Mal am Tag bekochen."

"Jeno, das ist doch wichtig..."

"Ich kann's nicht ändern, ich vergess es einfach. Ich meine, wärst du nicht hergekommen, wäre ich vor heute Abend nicht aus dem Quark kommen."

Ich fülle mein Glas mit Wasser, um etwas zu tun zu haben. "Das ist doch..."

"Ich versuch's schon. Und jetzt Themawechsel, bitte. Du hast mit deiner Mutter über Schule geredet?"

Bei dem Thema bleiben wir auch, während wir essen, aber hauptsächlich schweigen wir. Ich traue mich selten, ihn anzusehen, und auch er ist mit seinem Essen beschäftigt. Wenn wir uns doch mal ansehen, lächelt er sanft, und ich muss es automatisch erwidern.

"Das Buch, was auf deinem Nachttisch liegt", beginne ich, als wir aufräumen, "liest du das gerade?"

Er nickt. "Steht auch auf der Liste der Bücher, die du noch kriegst, wenn sie dir gefallen."

"Ich hab's vorhin angefangen. Es klingt gut."

"Ich hab noch ein paar Kapitel, aber dann kannst du's kriegen."

"Ich hab eh noch das andere, aber danach gerne."

Wieder ein Nicken. Halt dich zurück, Jaemin.

Die Schüsseln in meiner Hand scheppern. "Ich vermisse es, Jeno. Es ist seltsam und verwirrend, aber ich vermisse es. Es fehlt. Und wenn ich nicht wüsste, dass es nichts bringt, würde ich dich darum bitten, mich..." Ich verstumme, beiße mir auf die Zunge. "Tut mir leid", flüstere ich, als er nichts sagt.

"Weißt du", er holt tief Luft, "wenn ich nicht wüsste, dass es dich anwidert, hätte ich mich schon längst nicht mehr davon abhalten können, dich zu küssen."

Ich stelle die Schüsseln ab und nehme seine Hände in meine, sehe zögerlich zu ihm auf. Alles an ihm ist in Aufruhr, sein Brustkorb hebt sich unregelmäßig, seine Kiefermuskeln arbeiten. Mehrere Atemzüge folgen, in denen nichts passiert. Dann lasse ich seine linke Hand los, halte seinen Kopf fest und drücke ihm einen Kuss auf die Wange, fast direkt neben seinem Mundwinkel.

"Du ...Arsch", stellt er leise fest, ich muss lachen. Seine Hand nimmt meine von seiner Wange, drückt sie gleichzeitig mit der anderen. Jetzt ist er ruhig, sieht mir in die Augen, lächelt.

"Ich liebe dich, Jaemin."

Ich wische die Träne aus seinem Augenwinkel. "Ich dich auch. Ich weiß es nur nicht."

Er lacht schwach auf. "Erinner dich bloß bald dran."

"Das ist der Plan." Ich halte seinen Handrücken an meine Lippen, traue mich aber nicht, Druck auf sie auszuüben.

"Na komm", flüstert Jeno, "wir räumen zu Ende auf und dann bring ich dich nach Hause."

"Mach auf dem Rückweg keine Umwege."

Er schüttelt den Kopf. "Mach ich nicht. Versprochen."

Ich will ihm sagen, dass ich weiß, wie seine Arme aussehen. Aber das wäre gelogen, wer weiß, was sich seitdem getan hat, und ich traue mich nicht. Vor allem, weil ich Angst habe, es herauszufinden.

«Hättest du ihn gerne richtig geküsst?»

«Ehrlich gesagt weiß ich es nicht. In dem Moment vermutlich nicht, nicht für mich, sondern höchstens, damit es ihm besser geht, aber... Keine Ahnung, das war ein seltsamer Tag. Ich glaube, hätte er mich geküsst...»

Jaemin kann den Satz nicht beenden.

20-11-21

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