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Als ich aufwache, liegt auf meinem Beistelltisch ein Umschlag.
Erst frage ich mich, ob ich es gestern einfach nicht mitbekommen habe, dass Jeno ihn hiergelassen hat, aber Eomma sagt, dass Appa ihn heute Morgen hergebracht hat.
Ich gehe duschen, während Eomma Kaffee holt, und beginne erst dann, ihn zu lesen.
Es ist schon Stunden her, aber ich muss immer noch an dein Niesen denken. Ich weiß nicht. Es war niedlich. Beide Male. Eine gute Art, wach zu werden. Danke, dass du mich schlafen lässt. Ich hatte mich auf einen längeren Mangel eingestellt, aber das wirst du wohl nicht zulassen.
Es ist frustrierend. Nicht mein Schlafmangel, also auch, aber den meine ich nicht. Sondern dass du dich nicht wertschätzt. Dass du findest, dass du dein frühes Ende verdient hast. Du sagst es nicht und ich weiß nicht, ob du es aussprechen wirst. Aber du nimmst es hin und irgendwie noch mehr. Ich kann es nicht erklären, und das tut mir leid. Aber irgendwie ist es die Art, wie du davon sprichst, die mir das Gefühl gibt, dass du glaubst, dass das schon richtig so ist, dass du das verdient hast. Aber Nana, ich schwöre bei allem was mir heilig ist, das stimmt nicht. Du hättest die Welt verdient und bekommst nicht einmal zwanzig Jahre. Und ich kann verstehen, dass du so denkst. Das tue ich ja manchmal auch. Was heißt manchmal, gefühlt ständig. Und weil ich weiß, was das für ein beschissenes Gefühl ist, hoffe ich, dass du irgendwann damit aufhören kannst. Ich will nicht, dass du so von etwas denkst, das nicht mehr als ein unglücklicher Zufall ist. Denn um Gottes willen, Na Jaemin, das ist nicht deine Schuld. Du hast nichts falsch gemacht. Hast du nicht. Hör auf, etwas anderes zu behaupten. Du bist toll. :)
Du hast Angst, dass wir uns streiten. Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Ich hoffe, wir tun das nicht. Das ist nichts, was du in deinen letzten Tagen erleben solltest. Lieber glücklich sein und ganz viel lachen, auch wenn das nicht so leicht ist. Und wenn wir uns doch streiten, kriegen wir das hin, ja? Das haben wir doch schon immer, also mach dir keine Sorgen.
Weinst du?
Wäre ich allein, garantiert.
Das tust du so oft. Ich hasse es, dass ich kaum etwas dagegen tun kann. Ich wünschte, du wärst nicht so traurig. Heute besonders, aber das liegt wohl daran, dass du heute auch besonders glücklich warst, als wir bei Haechan waren und der Kontrast deshalb größer war. Ich hoffe, gerade bist du glücklich. Wenn du das liest und während ich das gerade schreibe. Wie lange das wohl auseinanderliegt? Hoffentlich liest du das überhaupt noch. Naja, ich weiß nicht, ob ich das will. Ich will dir nicht wehtun und manche Dinge dir auch nicht sagen. Ich weiß nicht, was das ändern würde, aber teilweise habe ich Angst davor. Ich bin so ehrlich, wie ich es sein kann und für richtig halte. Vielleicht auch manchmal zu ehrlich. So lange es bei dir richtig ankommt, ist das wohl auch okay.
Ich bin müde. Und auch wenn es mir irgendwie peinlich ist, vermisse ich deine Umarmung. Manchmal fühlt es sich so an, als wäre sie wieder zurück. Hoffentlich können wir uns noch ganz oft umarmen. Schließlich muss ich bald komplett ohne leben. Ohne dich.
Ich weiß nicht, ob ich deinen Tod nicht realisieren kann oder verdränge. Es sollte nicht so sein, ich sollte darauf vorbereitet sein, aber
Ich weiß nicht
Ich will das nicht. Ich will dich nicht verlieren. Bitte, egal was ich dafür tun muss, und wenn ich mein eigenes Leben dafür hergeben muss. Alles. Du hast mir das Leben gerettet. So oft schon. Ich muss dir das doch zurückgeben
Ich
Nana, ich hab dich lieb. Du wirst mir so unendlich f ehlen
Ich wünschte, du hättest das nicht gesagt. Egal, was ich dafür tun muss. Jeno, du kannst doch nicht... Wenn ich mein eigenes Leben dafür hergeben muss. Ich bin doch nichts ohne dich. Stirbst du, sterbe ich auch, auch wenn ich vielleicht weiterlebe. Was soll ich denn ohne dich machen? Auch wenn ich mich vielleicht nicht mehr an meine Liebe zu dir erinnere, brauche ich dich trotzdem zum Leben. Du bist schon immer für mich da gewesen, hast mich nie im Stich gelassen, ich weiß überhaupt nicht, wie ich ohne dich weitermachen sollte. Bitte geh nicht, Jeno. Bitte bleib bei mir. Ich weiß, dass es egoistisch ist, dass ich das Recht nicht dazu habe, und trotzdem bitte ich dich darum. Ich weiß, dass es wieder besser wird. Das sagst du doch selbst immer. Alles wird wieder gut. Ich versprech's dir. Bitte, bitte geh nicht.
Ich bin froh, dass Eomma mich rauslässt.
Ich würde gerne zu Jeno gehen, aber ich traue mich nicht. Nach den Bildern von Taemi, über die ich schon wieder ausgeflippt bin, hat er sich noch nicht gemeldet. Ich weiß nicht, ob er mich aushalten kann, besonders, wenn es mir schlecht geht. Außerdem lässt Eomma mich das ganz bestimmt nicht machen. Ich wäre trotzdem gerne bei ihm. Stattdessen wandere ich durch den Park des Krankenhauses, mit Musik, und es ist mir egal, dass ich friere. Ich friere so schlimm, wie ich es noch nie getan habe, bin viel zu lange draußen, aber ich will nicht, dass Eomma mich weinen sieht. Ich will nicht darüber reden, will ihre Sorge nicht ertragen müssen.
Ich muss mich irgendwann hinsetzen, aber es dauert nicht lange, bis ich so stark zittere, dass ich wieder reinmuss, wenn ich nicht krank werden will. Und egal, wie egal mir das eigentlich gerade ist, ich weiß doch, dass es gefährlich für mich sein kann, also reiße ich mich zusammen und kehre in das sterile Zimmer zurück. Eomma sieht nur kurz auf, ein Buch in ihrem Schoß, und ich bin froh, dass sie nicht fragt. Mir nur einen Handwärmer aus der Tasche reicht, den ich mit beiden Händen umschließe, um wenigstens etwas wärmer zu werden. Ich kauere mich auf mein Bett, versuche, nicht zu zittern, aber ich scheitere. Ein Blick auf mein Handy verrät mir das Gleiche wie schon die letzten hundert Male – Jeno hat sich nicht bei mir gemeldet.
Nur ein Ich lebe noch, Nono. Darf ich dich in Gedanken noch so nennen? Mehr will ich nicht.
"Jaemin-ah." Ich kann mich nicht umdrehen, hebe nur meinen Kopf leicht. "Appa bringt uns später Bücher vorbei. Möchtest du ein bestimmtes?"
"Ich hab seit–" Ich verstumme. Ich weiß nicht, seit wann ich nicht mehr gelesen habe. Habe ich es die letzten Monate getan?
"Du erinnerst dich nicht daran, ich weiß. Vielleicht erinnerst du dich dann daran."
"Ich will nicht lesen."
"Was dann?"
Ich starre auf meine Hände. Den weißen Handwärmer zwischen ihnen. Wie sie zittern.
"Weiß ich nicht."
Eomma seufzt leise, nicht böswillig, aber es nervt mich dennoch irgendwie. "Du hast immerhin noch mindestens vier Tage vor dir."
"Ich weiß."
"Du kannst noch darüber nachdenken."
"Okay." Ich drehe mich wieder weg und wünschte, es wäre dunkel.
Mein Handy vibriert drei Mal, bis es endlich Jeno ist.
keine Ahnung was ich dir sagen soll aber ich leb noch auch wenn ich bis halb zwölf geschlafen hab und mich jetzt tot fühl. ich mach jetzt hausaufgaben und markhyung kommt später vorbei also sorry falls ich mich nicht bei dir meld. sag bescheid wenn du weisst wann du wieder zuhause bist
ah und kannst du zu den briefen nichts sagen wenn es nicht wirklich wichtig ist? tut mir leid
Ich brauche ewig für eine Antwort.
Hast du schlecht geschlafen? Und alles gut,
das ist eigentlich genau das was ich hören
wollte
Ich sag dir Bescheid und auch wenn
Eomma sich entschieden hat wie's mit
Besuch ist, ja? Du musst nie kommen aber
wenn du's möchtest
Ich sag nichts, alles gut. Aber falls ichs
doch mal soll, sag's mir einfach
Willst du noch n bisschen schreiben oder
nicht?
keine Ahnung um ehrlich zu sein
ich bin kaputt
ja ich hab geschlafen und ja sag dann
bescheid und ich sag's dir dann, danke
wie geht's dir?
Mir ist kalt aber sonst ist alles ok, bisschen
langweilig hier
Und was ist mit dir?
wie immer
und kalt ist mir auch, aber ich hab mein
fenster auch ewig offen gehabt und ja
du kannst dein Buch doch weiterlesen
kannst du nicht
sorry
Jeno-yah ;-;
was?
Wir schreiben seit fünf Minuten und du
hast dich schon drei Mal entschuldigt ;-;
sorry
...
sorry
ein Teufelskreis
Ich merk schon
Aber ich kann nachher lesen, Appa bringt
uns Bücher mit
Also keine Ahnung ob ich lesen werde aber
ich kann's mir ja vornehmen
klingt nach nem plan
ich schreib dir später nochmal, ok?
hoffentlich langweilst du dich nicht zu
sehr
:)
Jeno
Promise.
ich weiß nichtmal ob du das meinst was
ich denke und heul trotzdem
promise
Fühl dich umarmt wenn du das gerade
gebrauchen kannst
Und lass dich von Mark-hyung umarmen
Ganz fest
Das hast du verdient
mal sehen
ich will dich wirklich umarmen aber
auch nicht und das hat nichts mit dir zu
tun aber ja
ich schreib jetzt nicht tut mir leid
Besser so :3
Wir
Wir sehen uns nachher?
Sprechen
Schreiben
Du weißt schon
ja
denk schon
wenn ich nicht spontan um sieben
einschlafe
vielleicht muss ich dich anrufen
Ist okay
Ist alles okay
Mach wie's gut für dich ist
Ich pass mich an
okay
danke
das darf ich noch sagen oder?
Nicht zu oft, aber noch lass ich's dir
durchgehen
Das promise mein ich ernst okay? Bitte
vergiss das nicht
nein
werd ich nicht
kann ich gar nicht
bis nachher nana
Ich warte auf die Entschuldigung, aber sie folgt nicht. Er ist offline. Ich antworte, lege mein Handy wieder weg, um weiter an die Wand zu starren. Man könnte denken, es ist alles so wie immer. Aber das ist es nicht. Alles ist anders. Alles und doch wieder nichts. Es ist ein seltsamer Zustand. Ich verfluche ihn.
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«‹Ein seltsamer Zustand› hast du gesagt.»
Jaemin seufzt. «Ich kann's nicht genauer beschreiben. Wir haben ja irgendwie so geschrieben wie immer, aber da waren doch Stellen, an denen es nicht wie immer war, und ich wusste ja auch die ganze Zeit, dass es nicht wie immer ist, dass alles anders ist, dass ich Jeno den Schmerz nicht nehme, sondern ihn verursache, und es gleichzeitig doch besser mache. Ein Zustand, in dem ich ihn immer sehen wollte und gleichzeitig Angst hatte, ihn wiederzusehen, ich wollte ihn umarmen und gleichzeitig küssen, obwohl der Gedanke daran seltsam war, aber gleichzeitig auch der richtige. Einfach... seltsam.»
20-11-10
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