Mathe, Geschichten, und warum ich kein Popcorn esse

Liebe Molly,

erinnerst du dich an den Tag, an dem wir uns das zweite Mal gesehen haben?

Ich konnte meine Nachbarn nicht mehr aushalten und habe mich entschieden, im McDonalds meine Hausaufgaben fertig zu machen. Du hast wohl die selbe Idee gehabt, denn als ich das Restaurant betrat, saßt du schon an meinem Lieblingstisch, Kopfhörer auf den Ohren und einen kleinen Stapel an Büchern neben dir, und hast auf deinem Laptop etwas geschrieben.

Ich wusste nicht ganz genau, ob ich mich zu dir setzen sollte, oder nicht. Ich wollte Mathe lernen, und nicht von dir schwärmen. Also habe ich mir erst einmal ein verdientes Mittagessen bestellt und gehofft, dass du mir meine Entscheidung abnimmst.

Was war nur mit mir los? Ich, Hedda, war plötzlich so abhängig von dir. Ich wusste nichts von dir, ich kannte dich nicht. Aber du warst plötzlich alles für mich.

Und dann hast du mich in der Schlange entdeckt. Ich habe deinen Blick in meinem Rücken gespürt. So, wie man es merkt, wenn man angeschaut wird. Aber das war kein unangenehmes Gefühl. Da war schon wieder diese Wärme, die mich mit einem mal ausgefüllt hat.

"Hedda! Schön, dass wir uns wiedersehen! Setzt du dich gleich zu mir?", hast du mich gefragt. Ich konnte nicht anders, ich musste einfach nicken. Klar setzte ich mich zu dir. Zu Molly.

Ich musste grinsen. Hedda ist verliebt.

Wenn ich daran zurückdenke, kann ich gar nicht glauben, wie aufgeregt ich war, in deiner Nähe zu sein. 

Mit meinem Essen in der Hand kam ich dann an deinen- meinen, später unseren- Lieblingstisch.

Und plötzlich war alles so leicht. Ich konnte mich mit dir unterhalten, wie ich mich mit keinem Unterhalten kann.  Es war alles so natürlich. Und wieder war da dein Lächeln. Und wieder verlor ich mich in deinem Lächeln.

"Was studierst du eigentlich?", habe ich dich dann gefragt. Mathe. Natürlich Mathe. Du bist eine Person, die immer das schwierigste in Angriff nimmst. Und deswegen mag ich dich. Dir ist keine Aufgabe zu klein. Kein Hindernis zu groß. 

Ich wollte auch Mathe studieren. Mein Lieblingsfach. Und du bist die erste, die mir gesagt hat, ich schaffe das. Du hast mir von deinem Studium erzählt. Du warst eine Stunde am erzählen. Aber für mich war das egal. Ich könnte dir für immer zuhören. 

Wir haben uns Geschichten erzählt. Von deinem ersten Hund, von meiner Klassenfahrt, deine Narbe auf dem Arm und meine auf der Stirn. Geschichten, die ich alle noch kenne. Geschichten, die dich nur noch liebenswürdiger machten. Geschichten, die ich nicht vergessen werde.

Ich weiß, woher deine Narbe auf dem Arm kommt. Du hast Fangen gespielt, du warst zwölf und bist weg gerannt vor deinem großen Bruder. Finn. Und du hast den Stein nicht gesehen. Und dann bist du gestolpert und hast dir deinen Arm an einem alten Metallrohr aufgerissen. Und jetzt ziert deinen Arm eine vierzehn Zentimeter lange Narbe. Die dich nur noch perfekter macht.

Ich weiß, wie dein erster Hund hieß. Wuff. Du warst zwei und konntest noch nicht richtig sprechen. Du hast Hunde immer Wuff genannt. Wuff ist gestorben, als du vierzehn warst. Und sie war dein Lieblingsspielpartner.

Weißt du, warum ich eine Narbe auf der Stirn habe?

Um halb sieben hast du mich dann gefragt, ob ich Lust auf Kino habe. Ich konnte an dem Abend nicht, aber du hast mir angeboten, am Wochenende ins Kino zu gehen.

"Popcorn kaufst du aber!", hast du beschlossen. Ich esse aber kein Popcorn. Ich habe mit sieben einmal zwei Tüten Popcorn gekauft und an einem Abend gegessen. Und irgendwann war es dann zu viel Popcorn. Und für dich war das ok. Dann gab es eben Nachos. Für dich mit Käsesoße, für mich mit Ketchup. Ich weiß, komisch.

Erinnerst du dich an den Film? An die Seitenblicke, an das vorsichtige herantasten, und daran, dass du fünf Minuten vor Schluss, dann doch noch meine Hand genommen hast? Erinnerst du dich daran, dass wir dann zusammen nach Hause gegangen sind? Hand in Hand.

Und erinnerst du dich daran, dass ich dich gefragt habe, ob das unser erstes Date war? Und du dich ganz langsam an mein Ohr gebeugt hast, und geflüstert hast: "Willst du das denn?"

Und dass ich dich dann nach deiner Nummer gefragt habe?

An diesem Abend bin ich mit einem Lächeln im Gesicht und deiner Telefonnummer auf dem Blatt in meiner Hand eingeschlafen.

Ich erinnere mich.

In Liebe,

Hedda

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