Deal, Darling
Hi, MewIuva hier!
Diese Kurzgeschichte von 1467 Worten ist im Rahmen des Wettbewerbs "New Year, New You 2024" unter dem Schreibvorschlag 'Unerwarteter Besuch' von WattpadRomantikDe entstanden. Hier ein Auszug:
"Eigentlich hattest du an Silvester genau dieselben Pläne, wie jedes Jahr auch - alleine verbringen mit einer guten Serie. Dann jedoch klopft es an deiner Tür."
Falls ihr mehr von dieser Story wollt, sagt Bescheid. Bei genügend Interesse gebe ich euch gerne einen etwas tieferen Einblick.
Jetzt aber heißt es erst mal viel Spaß beim Lesen!
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Ich bin eine relativ simple Frau. Um eine gute Zeit zu haben, brauche ich drei Dinge: Nervennahrung, Tee und Unterhaltung. Ein Becher Very-Cherry-Eiscreme steht bereits am Tisch. Der Tee ist auch gerade fertig geworden. Und die neuste Staffel der "Ingwerkuss"-Serie wartet bereits im CD-Player auf mich.
Der perfekte Start in ein neues Jahr.
Ich schlüpfe in meine neuen Weihnnachtssocken - grün mit tanzenden Lebkuchenmännchen - und kuschle mich in meine Decke. Dann geht der Fernsehrmaraton auch schon los. Das Einzige, was den Abend noch besser machen könnte, wäre ein Arm zum drunterkuscheln. Leider gibt es niemand auf dieser Welt, der mehr Single ist als ich. Die einzigen Beziehungen, die ich kannte, waren die der fiktionalen Art. Oder toxisch. Fiktional oder toxisch.
Das wäre doch mal ein Vorsatz fürs neue Jahr: finde einen Partner. Einen normalen. Keinen charmanten Psychopaten.
Immerhin, jünger werde ich nicht werden. Doch allein der Gedanke, mich unter die Leute zu mischen oder, Gott verbiete, eine Bar aufzusuchen, jagt mir einen Schauer über den Rücken.
Vielleicht ist es aber auch die Eiscreme. Erneut schiebe ich mir den Löffel in den Mund.
Meine Güte, hab ich das vermisst. Kirsche auf der Zunge und Pfefferminz in der Nase. Besser geht es doch kaum.
Mit einem seichten Lächeln beobachte ich das heitere Treiben auf der Tanzfläche. Röcke fegen über den Bildschirm, das Klack Klack Klack der Stöckelschuhe im stetig Takt mit der Musik. Es war beinahe genug, um mich das Drama von 2023 vergessen zu lassen.
Die beiden Protagonisten fegen über den Ballsaal, die Geheimnisse und Intrigen zwischen ihnen so real wie die Dolche in ihrem Gewand. Die Musik schwellt. Doch gerade als es spannend wird, klopft es an der Tür. Sachte, leise. Ich bin fast gewillt, es zu ignorieren, doch dann hallt es erneut. Entschiedener.
Widerwillig stoße ich mir die Decke vom Schoß, drücke auf Pause und öffne die Tür. Ich nehme mir nicht einmal die Zeit, durchs Guckloch zu schauen, Silvester hin oder her, niemand darf einfach so in meine Serie reingrätschen.
Ich reiße die Tür auf, bereit irgendeinem Nachbarn die Uhrzeit um die Ohren zu werfen, doch etwas bremst mich. Es dauert ein wenig für meinen Verstand zu verstehen, was mein Körper von erster Sekunde an weiß. Es ist er, Xavier, der vor meiner Tür steht.
"Hallo, Rebecca." Ein süffisantes Lächeln spielt um seine Lippen. Er sieht anders aus, hat sich einen leichten Stoppel wachsen lassen. Seine Haare sind auch etwas kürzer, das Blond eine Spur dunkler. Seine Stimme aber ist dieselbe. Seine Zunge rollt meinen Namen noch mit derselben Grazie wie bei unserer ersten Begegnung.
Jeder Ton versiegt in meiner Kehle. Auf einmal weiß ich nicht mehr, was ich mich meinen Händen anstellen soll.
Schließlich schaffe ich es jedoch, seinen Namen über die Lippen zu kriegen. Kaum lauter als der Hauch meines Atems. "Was-" Ich schlucke. "Was machst du hier?" Ich dachte nach unserem Streit - ich dachte, es wäre vorbei zwischen uns. Lächerlich, ich weiß, vor allem da ich nicht mal noch sagen konnte, warum wir uns so an die Gurgel gegangen sind.
Vorsichtig hebt Xavier seine Hand, als denkt er, ich würde ihm entfliehen und streicht eine lose Haarsträhne hinter mein Ohr.
"Darf ich reinkommen?"
Nein, war mein erster Gedanke. Der zweite 'Ja'. Ein Teil von mir möchte ihn verachten, zurückschreiten und ihm die Tür vor der Nase zuschlagen. Er kann es in meinen Augen lesen. Doch wir beide wissen, dass ich es nicht machen werde. Mit ihm so nah ist mein Körper nicht mehr mein. Jede Faser in mir möchte ihn nur näher wissen. Einerlei, was mein Verstand davon hielt. Ich nicke, trete beiseite und schließe die Tür hinter mir.
Ihn hier wieder zu sehen in meinem schäbigen Wohnzimmer, in seinem grünen Anzug, keine Krawatte in Sicht, die obersten zwei Knöpfe aufgeknüpft - ich kann den Reiz nicht leugnen. Xavier wendet seinen Blick auf den Fernseher. "Dachte mir schon, dass du bis heute damit wartest. Die neue Staffel gut?"
"Bis jetzt." Mehr sage ich nicht. Ich beobachte ihn einfach, sehe zu, wie er durch den kleinen Raum schlendert. Vielleicht ist er genauso nervös wie ich. Früher, bevor das ganze Chaos zwischen uns begonnen hat, habe ich ihn oft in seinem Büro beobachtet. Ob er Anrufe entgegennahm oder einfach nur nachdachte, er war immer in Bewegung. Seine Alternative zum Nägelbeißen, hat er mir mal gesagt.
Dann endlich bleibt er stehen. Er seufzt, den Rücken zu mir gedreht. "Ich - ich weiß, du willst mich vermutlich gerade nicht hier haben. Es ist nur...Ich wollte nicht gehen, ohne mich zu verabschieden."
Das Blut gefriert mir in den Adern. Verabschieden? Eine alt bekannte Frage wirft sich in mir auf. Wie soll ich nur - überleben war das falsche Wort. Ich kann gut ohne klar kommen. Ich will es nur nicht. Nicht wenn ich es vermeiden kann. Trotz seiner Macken. Trotz der Hinterhältigkeit und den Intrigen.
Und ah, da war es wieder. Der Grund für unseren Zwist. Die allzeit beliebte Moral. Er bereit fast alle Grenzen zu überschreiten und nur einer Handvoll Menschen gegenüber loyal. Ich die Art von Person, die auch mit zweiundzwanzig noch Entenfüttern geht - kein Brot, sondern Erbsen, ich bin ja kein Unmensch - mit einem Märtyrerkomplex groß genug für vier.
Die Frage ist nicht, wie ich ohne ihn überleben soll, sondern wie viele Morgen ich mir noch vorstellen kann, ohne seine Arme um meine Mitte. Ohne sein Gesicht in meinem Nacken, während ich den Tee zustelle.
Ich schlucke, bringe jedoch kein Wort über die Lippen. Aber das musste ich auch nicht.
"Ein großer Fall - in Amerika. Sechs Monate Minimum. Wenn du mich fragst, vielleicht sogar ein Jahr. Stell ich es richtig an, machen sie mich hier zum Senior Partner."
"Und du sagst mir das erst jetzt?", platzt es aus mir heraus.
Er dreht sich um und schenkt mir ein kleines Lächeln. "Verzeih, Darling. Es war ziemlich Last Minute. Der eigentliche Vertreter ist ausgefallen. Ein 'Nein' lassen sie nicht gelten", fügt er hinzu, als er meinen Blick bemerkt. Wie immer bin ich ein offenes Buch für ihn. Mein Text kaum komplizierter als das, was man Volksschülern vorsetzt. "Ich würde dich ja bitten mitzukommen, doch wir beide wissen, dass du nie annehmen würdest, nicht wahr?"
Ja. Das tun wir.
"Also war's das zwischen uns? Endgültig?"
Xavier schüttelt den Kopf. "Nicht wenn du mich fragst. Ich habe mir die Freiheit genommen, ein paar deiner Urlaubswochen zu verplanen. Familie und Freunde meinten, du hättest noch nichts vor." Er greift in sein Jackett und fischt einen goldenen Briefumschlag heraus. Kurz streift er über das Siegel, bevor er ihn auf der Kommode legt. "Februar, Mai, Juli, August, September. Hin und Rückflug, First class. Alles bereits organisiert. Ich hoffe, du hast nichts dagegen?" Und dann beginnt er tatsächlich auf seinen Nägeln herumzukauen. "Meine Besuche müssten etwas spontaner angelegt werden, ein kurzer Wochenendtrip, ein paar Tage hier und da. So oft wie es möglich ist."
Der Blick, den er mir zuwirft, ist sanft. Nervös, aber sanft. Beinahe wie damals, als wir uns noch kaum kannten. Er zu schüchtern für den ersten Schritt - verrückt, wenn ich bedenke, wie er die Gegenseite vor Gericht immer auseinandernimmt - und ich mit keinem Schimmer.
"Immer einen Plan in der Hinterhand, hm?", sage ich, ein kleines Grinsen auf meinen Lippen. Mit jedem Wort komme ich ihm ein Stückchen näher. "Bei all der Aufmerksamkeit sicher, dass deine Arbeit nicht eifersüchtig wird? Ich möchte dich nur ungern von deiner wahren Liebe fernhalten."
Xavier beißt sich auf die Lippen und lächelt auf mich herab, als ich mich provokant in seinen Raum lehne.
"Lass sie doch", meint er nur, "wir haben uns das verdient."
Meine Hände wandern sein Hemd hinauf, bis sie den Kragen erreichen. "Und was genau ist 'das', Mr. Thatcher?"
"Das", haucht er mir entgegen und legt seine Lippen auf meine. Es ist ein zärtlicher Kuss, den er mir schenkt. Seine Finger sind warm um meinen Nacken. Ich seufze gegen seine Lippen - wie ich das vermisst habe.
Es ist nervig, wie viel Macht er über mich hat. Eine Berührung und schon wird mein Körper zu Pudding in seinen Armen. Doch nicht nur mir ergeht so.
Xaviers Atem stockt, als ich meine Finger durch sein Haar ziehe. Das leiseste Stöhnen fällt von seinen Lippen. Seine Wangen sind gerötet, sein Atem eine Spur schneller als normal, als wir den Kuss brechen. Ein verschmitztes Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus. Er macht es mir beinahe zu leicht.
Den Blick zu mir herabgesenkt, leckt er sich über die Lippen. "Heißt das...?"
Ich nicke und streife unsere Lippen erneut aneinander.
"You got yourself a deal, Darling", flüstere ich ihm dieselben Worte entgegen, die er nur allzu gerne bei mir anwendet.
Der Rest der Nacht, soviel werde ich verraten, verläuft ganz nach meinem Geschmack. Gewiss viel zu kurz, flüchtig, aber für die Ewigkeit. Ein perfekter Abend zwischen den Jahren. Während es draußen 'Frohes Neues' plärrt, pressen wir unsere Versprechen in die Haut des anderen.
Am nächsten Morgen ist der Fernseher immer noch pausiert und das Eis ist zur Suppe geworden.
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