Kapitel 6

Nachdem sie alles abgesucht hatten, traf sich die 1-A in der Mitte des Einkaufszentrums, um eine kleine Lagebesprechung abzuhalten und zu klären, ob sie auch überall nachgesehen hatten. Sie wollten gerade damit anfangen, noch einmal alle Läden durchzusehen, als Katsuki endlich zu ihnen stieß. Auch wenn er sich nichts anmerken ließ, tat ihm das Verschwinden des Knirpses leid, schließlich war er der letzte, der bei ihm gewesen war und der mit ihm Eisessen gehen wollte. Stattdessen hatte er allerdings auch etwas anderes zu berichten. „Diese dämliche Hackfresse Dabi war im Kleiderladen. Vielleicht hat die Liga etwas mit dem Verschwinden zu tun", berichtete er seine Vermutung, „ich habe ihn verfolgt, aber er ist irgendwo untergetaucht und war plötzlich weg." Es ärgerte ihn, dass er sich so einfach hatte abschütteln lassen.

„Die Liga? Ist das hier ein beliebter Treffpunkt für die Kerle, oder wie?", motzte Kaminari sofort drauf los. „Wenn die andren Lehrer davon Wind bekommen dürfen wir nicht mal mehr allein Shoppen gehen, Leute! Ist euch das klar?"

Wenn das im Moment ihre einzige Sorge gewesen wäre, hätte er gewiss mehr Zustimmung erhalten, allerdings gab es Wichtigeres. „Ihr denkt doch nicht, dass die Liga das von Anfang an geplant hat, oder?", fragte Kyoka.

„Nun, es wirkt schon verdächtig. Der Angriff und jetzt die Tatsache, dass sie hier sind. Ich erinnere mich daran, dass Shigaraki zu Eraserhead sagte, er würde ihn cool finden, quack ...", meinte Asui nachdenklich und schauderte bei der Erinnerung an das USJ, als die Hand des Ligabosses fast ihr Gesicht berührt hatte. Wenn ihr Lehrer nicht gewesen wäre, wäre sie jetzt nur mehr ein Häufchen Asche. Noch heute hatte sie manchmal davon Alpträume. Sie mussten Aizawa unbedingt finden.

„Wir sollten uns in Gruppen aufteilen und nach ihnen Suchen. Wir können nicht zulassen, dass ein Kind entführt wird", gab Shoto von sich und ballte die Hände zu Fäusten. Nicht schon wieder. Er würde das nicht zulassen. Niemand von ihnen hatte das vor. Daher nickten alle und stürmten los. Ein paar von ihnen suchten auch nach anderen Helden, um sie um mithilfe zu bitten.

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„Shota!", rief Eri immer wieder, die auf den Schultern von Izuku saß, besorgt und sah sich von ihrem erhöhten Ausguckpunkt um. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie nicht aufgepasst hatte. Vor ein paar Stunden noch hatte sie ihm gesagt, er sollte am besten bei ihr bleiben und dann hatte sie ihn selbst allein gelassen. Sie kannte das Gefühl, sich allein und ungemocht zu fühlen, nur zu gut, daher konnte sie nachvollziehen, was in Shota vorgehen musste, als er plötzlich allein gewesen war. „Es ist meine Schuld, ich hätte nicht weggehen dürfen", schluchzte sie.

„Dich trifft keine Schuld, Eri. Wir sind die, die auf euch aufpassen sollten. Wir haben Mist gebaut, weil wir alle einfach weggegangen sind, ohne achtzugeben", erklärte Izuku und biss sich auf die Unterlippe. Schöne Helden waren sie. Ein armes Kind allein zu lassen. Selbst wenn nicht die Liga des Bösen aufgetaucht wäre, war es ein ziemlich unverantwortliches Verhalten von ihnen gewesen. Bei einer so gut besuchten Mall ließ man Kinder nicht einfach unbeaufsichtigt allein stehen und ging weg. So lud man nur dazu ein, jemanden zu entführen.

„Klärt das später, wer woran schuld ist", motzte Katsuki, „wenn wir weiter trödeln sind sie weg." Er wusste gar nicht, wieso er sich Deku und seiner Gang angeschlossen hatte, aber hatte ebenso den Weg eingeschlagen, den sie gewählt hatten. Ganz in der Nähe hatte er Dabi zum letzten Mal gesehen. So einfach wollte er sich von dem Typen nicht abschütteln lassen. Außerdem hätte er Aizawa nicht allein lassen dürfen. Schon wieder hatte er versagt. „Sie werden bestimmt einen Hinterausgang wählen", dachte er laut nach und Izuku nickte. Diese Vermutung hatte er auch schon, daher waren sie auf dem Weg zu einem, der in eine Seitengasse führte.

~*~

Gerade als Dabi die Tür aufstieß und den beiden Blondschöpfen deutete, sie sollten schleunigst das Weite suchen, bogen Bakugo und Midoriya um die Ecke. „Halt! Lasst sofort den Jungen frei!", brüllte Iida, der die drei Schurken ebenso entdeckt hatte und stürmte mit Hilfe seiner Macke nach vorne, um seinen Lehrer möglichst schnell zu befreien. Doch eine blaue Feuerwand, die plötzlich vor ihm auftauchte, stoppte ihn und versperrte den Durchgang, sodass die drei Schurken mit Shota durch die Tür verschwinden konnten. Twice winkte ihnen zum Abschied kurz zu, nachdem er sich seine Maske übergezogen hatte.

Izuku ließ sich davon nicht abschrecken, und erzeugte einen Luftstoß mit Hilfe seines Full Cowl, um das Feuer zu löschen oder zumindest einen Weg durch die blauen Flammen zu schaffen. Ochako nutzte die Möglichkeit, um schnell im Klassenchat Bescheid zu geben, wo sie sich befanden und dass sie ihren Lehrer gefunden hatten, ehe sie den anderen nach draußen folgte. Verstärkung war somit im Anmarsch, doch im Moment waren sie ohnehin in der Überzahl. Das musste dafür reichen, die Schurken erst einmal festzuhalten.

„Bleibt sofort stehen!", wiederholte Izuku die Aufforderung und stürmte voraus, musste jedoch einem erneuten Flammenangriff ausweichen, ehe er entschied, dass es besser wäre, Eri abzusetzen, damit ihr nichts passierte, bevor er erneut angriff. Es reichte, wenn ein Kind in Gefahr war, da musste er nicht ein weiteres Leben aufs Spiel setzen. Außerdem sollte Eri sich nicht zu sehr aufregen, damit sie ihre Macke nicht wieder unbedacht aktivierte. Solange Eraserhead selbst seine Macke nicht im Griff hatte, wäre das wirklich gefährlich.

Nachdem Tenya es geschafft hatte, die Schurken zu überholen und ihnen somit den Fluchtweg abzuschneiden, waren sie so gut wie umzingelt. In dieser engen Seitenstraße konnten sie auch sonst nicht entkommen, also saßen sie fest. Um die Hände zum Kämpfen frei zu haben, setzte auch Toga Shota ab, legte ihm kurz eine Hand auf den Kopf und sah ihn lächelnd an. „Wir gehen gleich weiter. Warte hier, ja? Sei schön artig", bat sie ihn freundlich und er nickte.

Im Moment versuchte er ohnehin zu verstehen, was genau gerade passierte. Vorhin hatten ihn alle allein gelassen und jetzt artete alles in einen Kampf aus. Warum eigentlich? Sie hatten ihn doch eben auch nicht gewollt, dann konnten sie sich diese Nummer nun auch sparen. Gleichermaßen widerstrebte es ihm jedoch, was gerade passierte. Am liebsten wäre er zu Himiko gelaufen, die sich von ihm entfernt hatte, um sie bei der Hand zu ziehen und weg zu laufen. Das hier war einfach nur sinnlos. Sie wollten doch weg von hier.

Ein Kampf entbrannte, im wahrsten Sinne des Wortes, da sowohl Katsukis, als auch Dabis Macken hier und da etwas in Brand steckten. Dank Twice Verdoppelung waren sie auch gar nicht mehr in der Unterzahl. Doch die Schurken wollten nur weg, und hier keine Zeit mit einem unnötigen Kampf vergeuden. Es war jedoch nicht so einfach, da keiner der nervigen Bälger klein beigab. Selbst als Twice eine Kopie von Shigaraki heraufbeschwor schienen die Kinder sichtlich unbeeindruckt.

„Du hast immer noch die Möglichkeit, dich uns anzuschließen, Katsuki!", schlug der Doppelgänger breit grinsend vor, ehe er einen harten Schlag einstecken musste und sich wieder verflüssigte.

„Pah, so einen Bullshit will ich gar nicht hören. Haltet eure Fresse und rückt den Knirps raus!", motzte Bakugo stattdessen und zielte mit einer Explosion direkt auf Toga, die gekonnt auswich.

„Wieso sollten wir? Außerdem kam Shota freiwillig mit uns mit. Ihr habt ihn ja schließlich ausgesetzt und allein gelassen!", erklärte die Blondine gespielt entsetzt und sah zu dem kleinen Jungen, der sich hinter einer Mülltonne versteckt hatte, um nicht von irgendeinem Angriff getroffen zu werden. „Er will genauso in einer Welt leben, in der er sein kann, wer er will. Und das geht nur ohne Helden!", verkündete sie, und warf eines ihrer Messer nach Izuku, in der Hoffnung, wieder etwas Blut von ihm zu bekommen. Beim letzten Mal war es nur ein kleiner Tropfen gewesen und der hatte nur für eine ganz kurze Verwandlung gereicht. Wie schade das doch war.

Der Grünhaarige wich schnell aus und sprang auf die junge Frau zu. „Ja, wir haben ihn allein gelassen, aber nicht mit Absicht. Wir wollten etwas holen, aber ihn bestimmt nicht aussetzen. Hört auf ihm sowas einzureden!", schrie Deku und hob das Bein, um Himiko einen Tritt zu verpassen, die jedoch auswich.

Währenddessen saß Shota zusammengekauert hinter einer Mülltonne und wünschte sich weit weg. Am besten wäre es wohl, wenn er gar nicht erst geboren worden wäre, dann würde sich niemand zanken. Auch seine Eltern stritten ständig und er war ständig schuld daran, weil es ständig Beschwerden wegen seiner Macke gab. Wenn er nur nicht so feige gewesen wäre und sich verkrochen hätte, wäre er wohl davongelaufen, egal worum Toga ihn gebeten hatte.

Der Kampf artete langsam aus und dauerte den drei Mitgliedern der Liga des Bösen eindeutig zu lange. Wenn sie noch länger hier ihre Zeit vergeudeten, würden bald alle Schüler vor ihnen stehen, oder andere Helden, die ihnen das Entkommen noch mehr erschweren würden. Aus diesem Grund entschied Dabi sich dafür, sein Feuer auf Eri zu lenken, die ebenso hinter einer Tonne Schutz gesucht hatte, so wie Izuku sie darum gebeten hatte. Es war die einzige Möglichkeit, alle Aufmerksamkeit umzulenken, um endlich abhauen zu können.

Als Shota bemerkte, was der gruselige Kerl vorhatte, erstarrte er. Das blaue Feuer schnellte auf Eri zu, die entsetzt die Augen aufriss und zurückwich, nachdem sie kurz hinter ihrer Schutzbarriere hervorgeblickt hatte. „NEIN!", schrie Aizawa verzweifelt und sprang auf, um einen Schritt auf Eri zuzumachen. Im nächsten Moment war das Feuer verschwunden und seine Augen brannten heftig. Er würde nicht zulassen, dass das Mädchen, dass heute so nett zu ihm gewesen war, verletzt wurde. Niemand sollte wegen ihm verletzt werden! Dieser ganze Kampf war doch sinnlos. Also sah er auch Toga und Twice mit glühend roten Augen an.

„Du dämliches Balg, wenn du deine Macke einsetzt, dann mach dich gefälligst nützlich und lösche die der anderen", knurrte Dabi wütend, trat auf den kleinen Jungen zu und verpasste ihm einen Faustschlag ins Gesicht. Shotas Haare fielen ihm ins Gesicht, während er zurücktaumelte und zu Boden sank.

„Du kannst ihn doch nicht ...", wollte Toga ihren Kollegen tadeln und zu dem Kind laufen, bekam jedoch nicht die Möglichkeit dazu, da im nächsten Moment eine riesige Eiswand zwischen ihnen und Shota erschien. „Scheiße ... da sind die anderen", murmelte sie.

Mittlerweile war fast die gesamte 1-A in der Gasse versammelt und die Schurken somit eindeutig in der Unterzahl. Wie gerufen erschien ein Portal, auf das sie bisher gewartet hatten. Doch solange sie den Jungen nicht bei sich hatten, wollten sie nicht hindurchtreten. Also ließ Dabi das Eis schmelzen, sobald seine Macke wieder einsatzfähig war. „Schnappt ihn euch und dann lasst uns abhauen!", befahl er den beiden anderen, ehe er auf die Schüler zu trat, Flammen in beiden Händen.

Sofort sprangen Izuku und Katsuki los, um Toga und Twice daran zu hindern, sich das regungslose Kind zu greifen. Währenddessen schafften Tsuyu und Ochako es, Shota aus der Gefahrenzone zu holen und ihn in Sicherheit zu bringen.

Sich der Niederlage bewusstwerdend blieb den Schurken nichts anderes über, als sich doch mit leeren Händen durch das Portal zurück zu ziehen, auch wenn sie wussten, dass Tomura das nicht gefallen würde. Doch ein wütender Boss war immer noch besser als der Knast.

Nachdem die Lage sich etwas beruhigt hatte, lief Eri zu Shota. Der Junge hatte nach dem Schlag gar nichts mehr mitbekommen. Es war wie eine Explosion an Schmerzen gewesen, ehe ihm schwarz vor Augen wurde. Das Mädchen rüttelte sachte an seiner Schulter, und zog ihn in eine vorsichtige Umarmung, während er langsam zu sich kam. „Du hast mich gerettet. Du bist ein echter Held, danke!" Ständig musste sie gerettet werden und dabei verletzte sich jedes Mal jemand, als wäre sie verflucht.

Shotas Kopf schmerzte, ebenso wie seine Augen, doch er zwang sich dazu, stark zu sein und nicht zu weinen, während er Eris Umarmung erwiderte und sie festdrückte. „Das stimmt doch gar nicht", murmelte er leise und rieb sich die Augen, „die anderen haben schließlich gekämpft."

„Doch, du hast das toll gemacht", stimmte Eijiro zu, „richtig männlich!" Er streckte einen Daumen hoch, und wuschelte seinem Lehrer sachte durchs Haar. Die gesamte Klasse umringte die beiden Kinder und schienen erleichtert und froh zu sein, dass sie Aizawa wiedergefunden hatte. Verwundert darüber ließ er es sich über sich ergehen, dass sie ihn alle mal in den Arm nehmen und drücken wollten. Erneut war Shota verwirrt über das Verhalten der älteren, weil er nun überhaupt nicht mehr wusste, wie er sie einschätzen sollte.

Als letzter ging Katsuki vor ihm in die Knie und wischte einen Tropfen Blut unter Shotas Nase weg. „Das mit dem Eis meinte ich übrigens ernst", meinte er und erhob sich dann wieder, ehe er sich umwandte, die Hände in der Hosentasche vergraben, und zur Notausgangtür stapfte, um sie aufzuhalten. „Kommst du mit?"

~*~

Letztendlich saß die gesamte 1-A im Eissalon, wo Tenya, Ochako, Izuku und auch Katsuki über den Kampf ausgequetscht wurden. Zuvor hatten sie noch ein paar Profihelden davon erzählt und von der Sichtung der Schurken, damit sie notfalls noch weiter die Augen offenhalten konnten.

Shota saß neben Eri und teilte sich einen großen Eisbecher mit ihr, als Toshinori in die Eisdiele gestürzt kam und alle musternd ansah, ehe sein Blick auf den beiden Kindern hängen blieb. Da die Helden die Polizei verständigt hatten, war es wohl keine Überraschung, dass Tsukauchi sofort All Might angerufen hatte. „Ehrlich, Kinder. So kann das nicht weitergehen", sagte er entsetzt und hustete vor Aufregung etwas Blut. Außerdem war sich der ehemalige Profiheld ziemlich sicher, dass Recovery Girl einen Anfall kriegen würde, wenn sie Shotas Veilchen zu Gesicht bekam. Am Ende musste er alles ausbaden, weil er die Kinder in die Obhut der Schüler gegeben hatte und sie allein einkaufen schickte. Selbst als zurückgetretener Held hatte er noch die Last der anderen auf seinen Schultern zu tragen.

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