Kapitel 10
Egal wie sehr er es versucht hatte, am Ende musste Toshinori doch klein beigeben. Eri wollte einfach nicht von Shotas Seite weichen, vor allem dann nicht, nachdem er einmal kurz wach gewesen war und fürchterlich verloren wirkte. Am Ende kam es sogar soweit, dass das Mädchen bei ihm im Krankenbett übernachtete, damit er nicht allein war, falls er in der Nacht erneut aufwachte. Das Fieber sank allmählich wieder, die Schmerzen schienen jedoch zu bleiben.
Shota selbst wünschte sich, dass das alles bald vorbei war. Er wusste nicht, womit er all das verdient hatte, und wieso es gerade ihm passieren musste. Schließlich hatte er sich nichts zu Schulden kommen lassen. Allerdings war froh, dass Eri bei ihm blieb, auch wenn er sich wünschte, sie würde ihren Tag lieber woanders verbringen, als ihn hier zu vergeuden. Dem Mädchen schien es allerdings nichts auszumachen. Sie schenkte ihm sogar ein aufmunterndes Lächeln, als er erneut kurz die Augen aufschlug, wofür er ihr sehr dankbar war.
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Als er am nächsten Morgen jedoch aufwachte, schien er jegliches Zeitgefühl verloren zu haben. Sein Arm schmerzte, ebenso wie sein Kopf, als er sich vorsichtig aufsetze und darauf achtete, das kleine Kind neben sich nicht zu wecken. Leise stöhnend fuhr er sich durch die kinnlangen dunklen Haare und sah sich verschlafen um. Er brauchte ein bisschen, um zu erkennen, dass er sich auf der Krankenstation befand, und sich fragte, wie er wohl diesmal hier gelandet war.
Langsam rutschte er zur Bettkante und sah sich suchend nach seinen Sachen um, als er merkte, dass sein Oberkörper frei war und er in einer viel zu engen Hose steckte. Irgendwie wollte er gar nicht wissen, wie das passieren konnte. Er fand jedoch nirgendwo seine Kleidung, nur einen blonden dürren Mann, der auf dem Bett neben seinem zusammengerollt schlief und eine dunkelhaarige Frau, die auf einem Stuhl eingenickt war. „Nemuri?", entwich ihm laut fragend, ehe er sich auf die Zunge biss.
Mit diesem Wort hatte er nicht nur die Angesprochene geweckt, sondern ebenso das Gerippe und auch das Mädchen. Midnight rieb sich die Augen, und sah sich nach dem um, der sie gerade gerufen hatte. Als sie den Aufwecker entdeckte, weiteten sich ihre Augen. „Oh mein Gott, Shota!", rief sie laut aus.
„Wieso bist du so alt? Und wer sind die beiden?", fragte er sofort drauf los, als er sich sicher war, dass es sich bei der Frau tatsächlich um Kayama handelte, die eigentlich nur ein Jahr älter als er sein sollte, jetzt jedoch so aussah, als wäre sie doppelt so alt.
Die dachte jedoch gar nicht daran, ihm eine Antwort zu geben. Stattdessen kicherte sie vor sich hin und zückte ihr Handy. „Das muss Mic sehen!", meinte sie belustigt und schoss ein Foto von Aizawa, der rot anlief und versuchte seinen nackten Oberkörper zu bedecken. „Bist du irre? Gib mir erst etwas zum Anziehen!", beschwerte er sich, und griff erst einmal nach der Decke, um sich darin einzuwickeln und seine Blöße zu bedecken.
Mittlerweile war auch Toshinori etwas wacher geworden und hatte sich ebenso aufgesetzt. „Na wenigstens geht es in die richtige Richtung", seufzte er erleichtert, nachdem er Aizawa entdeckt hatte, „schön, dass es dir besser geht, Shota." Er war wirklich froh, seinen Kollegen wieder auf den Beinen zu sehen, auch wenn er im Moment wohl eher einer seiner Schüler sein könnte.
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Kurz darauf saßen alle im Gemeinschaftsraum der 1-A und starrten Aizawa an, den Recovery Girl widerwillig hatte gehen lassen. Yagi musste versprechen, den Jungen nicht aus den Augen zu lassen, auf ihn aufzupassen, und ihn abends wieder zurück zu bringen, nur um sicher zu gehen. Schließlich wussten sie nicht, ob er nicht erneut einen Fieberanfall bekommen würde, sobald er sich wieder weiter seinem normalen Alter näherte. Sein Körper war schließlich über Nacht zehn Jahre gealtert, was zumindest erkläre, wieso er gestern in so schlechter Verfassung gewesen war. So eine Verwandlung konnte nicht einfach ohne weiteres von statten gehen. Chiyo hatte stark in Vermutung, dass die Verjüngungsmacke bestimmt noch nie so krass eingesetzt worden war.
Allerdings verstand Shota den ganzen Trubel um seine Person nicht ganz. Nemuri hatte ihm zwar erklärt, was passiert war, doch so ganz kapierte er es nicht. Vor allem nicht, wieso er nun sechzehn war und Hizashi und Nemuri über dreißig und wieso ihn zwanzig Erstklässler und ein Kleinkind anstarrten, als würden sie etwas von ihm erwarten. „Ihr wollt mir ehrlich weiß machen, dass ich Lehrer geworden bin. An der UA?", fragte er zum zweiten Mal und fummelte am Kragen der Sportuniform herum, die man ihm ausgeliehen hatte, damit er etwas zum Anziehen besaß. Irgendwie war es seltsam, dass nach all den Jahren seine alte Schule immer noch dieselben Uniformen verteilte. Manches änderte sich wohl nie. „Und wo ist Oboro? Ist er auch Lehrer geworden? Ich meine ... wenn ihr zwei auch hier seid? Wurde wohl nichts aus unsrer eigenen Agentur, oder spezialisieren wir uns aufs Training der neuen Generation? Oh, und wie geht es Sushi?", fügte er noch rasch an. Im Gegensatz zu dem schweigsamen kleinen Jungen und dem wortkargen Erwachsenen, war der sechzehnjährige Shota richtig redselig, auch wenn er eigentlich ebenso zurückhaltend und schüchtern wirkte.
Kurz warfen sich Hizashi und Nemuri einen flüchtigen Blick zu, ehe Nemuri ein Lächeln aufsetzte und dem Blonden kurz zuzwinkerte. „Sushi geht es hervorragend!", erklärte sie freudig, und zückte rasch ihr Handy, um ein paar Bilder aufzumachen und sie Shota zu zeigen. Sofort schienen die anderen Fragen, die er gestellt hatte, in Vergessenheit geraten zu sein, während er sich die Bilder ansah, die Nemuri über die Jahre hinweg von der Katze gemacht hatte, was gar nicht mal so wenige waren. „Siehst du hier? Süß oder? Und das hier! Da, der Hut war entzückend!" Ein bisschen bereute er die Frage ja, als sie ihm das zwanzigste Bild unter die Nase hielt, aber es wäre unhöflich, sie einfach stehen zu lassen.
Währenddessen atmete Present Mic erleichtert aus und sah zu All Might, der vor der Klasse stand. „Laut Recovery Girl kann es gut sein, dass er bald wieder ganz der Alte ist, vermutlich schon am Ende der Woche, wenn es so weitergeht wie bisher. Was aber nicht bedeutet, dass wir deswegen den Unterricht und eure Ausbildung so lange vernachlässigen werden. Present Mic und ich werden das heutige Training beaufsichtigen", erklärte Toshinori und sah zu seinem Kollegen, der nickte. „Ihr werdet immer zwei gegen zwei gegeneinander antreten. Die Teams teilen wir ein, die Aufstellungen werden dann allerdings ausgelost. Also zieht euch um, wir treffen uns dann bei Ground Gamma", schloss Yamada ab und klatschte in die Hände, „let's have some fun!"
Shota eiste sich von Midnight los. „Darf ich zugucken?", fragte er neugierig. Alles wäre besser, als die nächsten 500 Bilder anzugucken, die größtenteils alle gleich aussahen. Außerdem konnte er so herausfinden, was die Schüler heutzutage so lernten und wie ihre Macken so waren.
„Sure ... du kannst sogar mitmachen! Ich wollte ohnehin Shinsou dazu holen, dann wäre es zumindest ausgeglichen", meinte Mic grinsend. Der Schwarzhaarige schien jedoch nicht sonderlich begeistert davon zu sein, mitmachen zu müssen. Er hätte wirklich viel lieber zugesehen und die Kämpfe analysiert, als sich ins Geschehen einzubringen, schließlich kannte er die Macken der anderen gar nicht. Sie waren eindeutig im Vorteil. „Komm schon, Buddy! Das wird ein Spaß!", versuchte Hizashi ihn aufzumuntern, als er die missmutige Miene sah und legte ihm einen Arm um die Schulter.
„Hältst du das wirklich für eine gute Idee? Recovery Girl meinte, er sollte es ruhig angehen, damit der nächste Alterungsprozess nicht wieder so schmerzhaft wird", merkte Toshinori besorgt an, doch Mic winkte nur ab. „Ach was!", meinte der Voicehero, „so ein kleines Training hat noch keinem geschadet! Und normalerweise sagst du doch zu keiner Möglichkeit nein, dich zu verbessern."
„Aber Yagi-Sensei hat recht, Hizashi. Es wäre besser nicht mitzumachen ... vielleicht sollte ich doch lieber mit Eri zu dem Katzencafé, von dem sie vorhin erzählt hat. Das wäre bestimmt ...", begann Shota sich rauszureden und wandte sich zu dem Mädchen um, dass ihm heute Morgen so liebevoll um den Hals gefallen war, als würden sie sich gut kennen. Natürlich war er normalerweise auch kein großer Kinderfreund, allerdings war Babysitten um Längen besser, als sich zu blamieren, weil er nichts auf dem Kasten hatte.
Doch Yamada blieb streng. „Das geht nicht. Für dich gilt dasselbe wie für die anderen: Schüler dürfen das Schulgelände nicht verlassen. Die Liga der Bösen könnte immer noch da draußen lauern und nur darauf warten, euch in ihre Finger zu kriegen! Vor allem nachdem sie dich vorgestern fast entführt hätten, wäre es eindeutig besser, du bleibst hier!"
Aizawa legte den Kopf kurz schief und runzelte die Stirn. Es war fast so, als wollte er aufgrund eines Blicks herausfinden, ob Hizashi gerade scherzte oder die Wahrheit sagte. Aber es schien sein Ernst zu sein. „Die Liga der Bösen? Das klingt ja schräg ... aber was wollen die von UA Schülern? Und ausgerechnet von mir? Ich glaube du fantasierst!", stellte Shota fest und seufzte. Als ob er interessant genug wäre, um entführt zu werden. Vermutlich würde man ihn ohnehin gleich wieder zurückbringen, weil man merkte, wie uninteressant er war.
Doch Yamada duldete keine Widerrede und winkte ab.
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Wenig später standen sie alle am Eingang zu Ground Gamma. Während alle ihre Heldenkostüme trugen, war Shota immer noch in dem Trainingsanzug bekleidet und zum Glück nicht der einzige. Auch Shinsou hatte den blauen Anzug an, und ebenso wie der Schwarzhaarige, trug auch er das Fangtuch um den Hals, was Shota ein wenig argwöhnisch machte, da sie sich, bis auf die Haar- und Augenfarbe, fast ähnlich sahen. Am liebsten hätte er Hizashi gefragt, ob der Violetthaarige irgendwie mit ihm verwandt war, doch er verwarf diesen dummen Gedanken sofort wieder, als Yamada die Aufteilung bekannt gab. „Es mag zwar wenig Sinn machen, aber Shinsou und Aizawa werden ein Team bilden. Ihr versteht euch bestimmt prima!"
So sicher war Aizawa sich dabei jedoch nicht, wenn er den gelangweilten Blick des anderen so sah. „Muss ich wirklich ...?", wollte er erneut anfangen, sich rauszureden, doch Hizashi fiel ihm sofort ins Wort. „Klar! Du schaffst das, Shota! Komm schon! Zeig ihnen, was du kannst!", feuerte der Blonde seinen jüngeren Kumpel an und klopfte ihm auf die Schulter.
„Oder eher nicht kannst", murmelte der Dunkelhaarige leise und seufzte, während er zu dem finster drein blickenden Jungen ging. „Hey vielleicht sollten wir kurz klären, was unsere Macken sind? Ich bin Shota, und meine Macke ist Erasure, ich kann ..."
„Macken für kurze Zeit löschen, ich weiß. Sie ... du bist auch mein Lehrer. Ich bin Hitoshi Shinsou und meine Macke ist Gehirnwäsche", erklärte Shinsou, „vielleicht sollten wir einen Plan austüfteln, sobald wir wissen, gegen wen wir kämpfen. Ich nehme nicht an, dass du dich an eine unserer Trainingseinheiten erinnerst?" Natürlich schüttelte Shota den Kopf. „Dann müssen wir wohl improvisieren", stellte der Junge fest und seufzte. Er fragte sich, wie gut der Sechzehnjährige überhaupt mit dem Fangtuch umgehen konnte, wenn der ausgewachsene Eraserhead meinte, er hätte sechs Jahre gebraucht, um damit richtig etwas anfangen zu können.
Shota nickte und sah nervös zu Hizashi, der noch einmal die Einteilungen durchging und dann in eine Urne griff, die Yagi hielt, um mit der Auslosung zu beginnen. Irgendetwas sagte dem Schwarzhaarigen, dass diese Sache gewiss nicht gut enden würde. Tatsächlich rutschte ihm ziemlich das Herz in die Hose, als Mic verkündete, dass das Team Bakugo/Kirishima gegen Aizawa/Shinsou antreten würde. Vor allem nachdem der Violetthaarige ihn darüber aufklärte, was die Macken der anderen waren. Wie sollten sie dagegen nur ankommen? Glücklicherweise waren sie als letzte an der Reihe und hatten Zeit, an einer Strategie zu arbeiten, allerding hieß das auch, dass man von ihnen sicher Großartiges erwarten würde. Am liebsten wäre Shota in diesem Moment davongelaufen.
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