Deadly Christmas

TW: Selbsthass/-zweifel, Depressionen, Suizid 


Meine Augen wandern unaufhörlich über die Zeilen auf meinem Handy. Immer wieder lese ich den Brief. Ein sanftes Lächeln spielt mit meinen Mundwinkeln, während ich mir vorstelle, wie mein Freund den Brief liest. Vor einigen Tagen nun schon habe ich das Weihnachtsgeschenk für meinen Freund abgeschickt. Er hat mir gestern geschrieben, das er es erhalten, aber noch nicht angesehen hatte. Wir wollten dies später am Abend über Videochat machen, damit wir auch ein kleines Weihnachtsfest zusammen hatten. Leider wohnen wir nicht in der gleichen Stadt, sonders mehrere Stunden voneinander entfernt. Kennengelernt haben wir uns im Urlaub vor einem Jahr. Es hat sofort zwischen uns gefunkt und er wurde meine erste Beziehung. Ich habe keine Sekunde die Entscheidung bereut, mit ihm auf ein Date gegangen zu sein. Er hat mir immer geholfen und mich unterstützt. Am Anfang war ich sehr unsicher ihm gegenüber, weil ich erst kurz zuvor herausgefunden hatte, dass ich auf Jungs stand, doch er war rücksichtslos und hat trotzdem mich immer wieder gefragt. Er ist einfach perfekt. Unsere Beziehung funktioniert trotz der Entfernung. Wir telefonieren jede freie Sekunde und füllen so die Leere des fehlenden Kontakts fast gänzlich auf. Auch wenn man sich natürlich trotzdem wünscht, seinen Partner einfach in den Arm nehmen und küssen zu können. Dies geht allerdings nur in den Ferien, welche wir fast ausnahmslos zusammen verbringen. Außerdem- "Jungkook!" Erschrocken blicke ich auf und schaue direkt in die genervten Augen meiner Mutter. Wir essen wie jeden Heiligabend mit allen Tanten und Onkeln zusammen. Ich habe zwar nichts gegen meine Familie, aber sie sind einfach anstrengend, weshalb ich unter dem Tisch seit einer halben Stunde an meinem Handy spiele oder auf ein Foto meines Geschenkes für Tae starre. Anscheinend hatte mich nun aber jemand etwas gefragt und ich darauf nicht reagiert, weil ich zu beschäftigt war, über meine wunderschöne Beziehung mit Tae nachzudenken. Wäre er jetzt hier, würden wir wahrscheinlich heimlich miteinander schreiben und versuchen nicht irgendwie auffällig zu sein. Sobald es die Höflichkeitsetikete erlauben würden, würden wir verschwinden mit irgendeiner Ausrede und draußen einen Spaziergang machen. Wir würden die weihnachtlichen Gärten bewundern und Händchen halten, während es schneit und unser Atem kleine Wölkchen bildet. Danach würden wir uns in meinem Zimmer unsere Geschenke geben und anschließend einen Weihnachtsfilm gucken, bei dem wir kuschelnd auf meinem Bett liegen und Plätzchen essen. Es wäre perfekt. Ein genervtes räuspern holt mich mal wieder zurück in die Realität. Schnell fokussiere ich meinen Blick wieder auf meine Mutter, welche mit leicht genervtem Unterton sagt: "Tante Jenny hat dich gefragt, ob du noch mit Taehyung zusammen bist." Schnell blicke ich zu der jungen Frau neben mir und bejahe die Frage, was diese mit einem Schmunzeln kommentiert und sich dem Gespräch mit meiner Mutter wieder zuwendet. Plötzlich spüre ich, wie mein Handy vibriert und wende meinen Blick unauffällig wieder nach unten. Ich erkenne auf dem Bildschirm eine Nachricht von Taehyungs bestem Freund Jimin. Nachdem ich ihn kennengelernt habe, als ich die Ferien bei Tae verbracht hatte, haben wir Nummer ausgetauscht und angefangen zu schreiben. Mittlerweile sind sie gute Freunde geworden. Ich entsperre schnell mein Handy und klicke auf unseren Chat. Das war der Moment, indem meine Welt zugrunde ging. Es fühlte sich an, als würde mir alle Luft aus der Lunge gepresst werden. Erschrocken keuche ich auf und das Lächeln, welches mein Gesicht bedeckte, fällt in sich zusammen. Mein Gehirn erfasst nur langsam die Bedeutung der wenigen Zeilen, welche meinen Augen entgegen scheinen. Es fühlt sich an, als würde ich fallen. Im dunklen fallen, ohne Aussicht auf ein Ende. Die Worte verschlingen mich. Nehmen meine Gedanken ein. Zerfressen mein Gehirn und bohren sich langsam einen Weg in mein Herz. Wie kann er mir das antun? Wieso immer ich? Die Sätze bohren sich wie Eiszapfen in meinem Herzen fest. "Es tut mir leid, das du es so erfährst, aber du verdienst das nicht. Taehyung ist ein Arsch. Er hat dich mit einem Mädchen im Club betrogen. Schreibe mir bitte, ich mache mir Sorgen" Alles zerbricht. Ich kann das nicht. Das darf nicht sein. Die Stimmen meiner Verwandten ausblendent, renne ich in mein Zimmer und drehe den Schlüssel im Schloss herum, bevor ich mich auf den Boden sinken lasse. Langsam begreife ich, was passiert ist. Taehyung hat mich betrogen. Mit einem Mädchen. Unsere Beziehung war nur eine Farce. War alles gespielt? Hat er mich überhaupt jemals geliebt? Bin ich nicht gut genug? Steht er überhaupt auf Jungs? Hat er währenddessen vielleicht auch eine Freundin? Was wenn er nur mit mir zusammen ist, um sich mit seinen Freunden über mich lustig machen zu können? Bestimmt lacht er heimlich darüber, wie dumm ich mich benehme. Und wie armselig es von mir war, es nicht einmal zu bemerken. Ich verdiene es nicht anders. Wenn ich so naiv und dumm sein muss, ihm einfach zu vertrauen, verdiene ich den Schmerz. Ich verdiene es. Wie kann man nur so armselig und dumm sein? Mein verdammtes dummes Herz kann diesen verfluchten Idioten einfach nicht hassen! Wieso kann ich es einfach nicht? Wie kann man nur so armselig sein? Wie konnte ich je glauben, dass er mich echt lieben würde? Was habe ich schon, was jemand wie er attraktiv finden würde? Ich bin erbärmlich. Jämmerlich. Bemitleidenswert. Wie kümmerlich ich hier auf dem Boden sitze, während Tränen über meine Wangen laufen. Langsam beginnen sich Schluchzer aus meiner Kehle zu lösen. Jetzt fange ich auch noch an zu flennen. Erbärmlich. Ich kann nichtmal dafür Sorgen, dass sich meine Familie keine Sorgen um mich macht. Nein, ich muss einfach rausstürmen und hier auf dem Boden heulen. Toll. Ich bin doch eh nur für alle eine Bürde. Nutzlos. Wenn würde es schon interessieren, wenn ich einfach sterbe? Genau. Niemanden. Sie alle hätten ein viel besseres Leben ohne mich. Ich mache immer nur alles kaputt. Ich wette Tae hatte nur mit jemand anderem was, weil ich noch keinen Sex mit ihm wollte. Ich wette, er war genervt davon, wie ich undankbar ihm gegenüber war und nicht einmal daran gedacht habe, was er will. Hätte ich doch einfach mit ihm geschlafen. Aber nein, Jungkook braucht ja immer Aufmerksamkeit und kann sich nie zu irgendwas einfach überwinden. Nein, natürlich nicht. Ich bin so pick me. Das ist einfach nur noch dumm. Mal ehrlich, es würde eh niemanden interessieren, wenn ich noch heute von einer Brücke springe. Ich nerve meine Familie eh nur, Tae hat ja jetzt auch eine andere und meine Freunde sind bestimmt auch genervt von mir. Ich sollte einfach sterben.

~~~ (ab hier ist es nicht mehr so krass gut erkennbar, aber man kann auch nur das obere lesen) 

Ich renne durch die Nacht, ein klares Ziel vor meinen Augen und eine erschreckende Erkenntnis in meinen Gedanken. Alles, was mir je etwas bedeutet hat, ist weg. Die erschreckende Erkenntnis fraß sich, kurz nachdem sie sich in meinen Gedanken eingenistet hatte, ihren Weg durch mein Herz und ließ alles in Trümmern zurück. Sie vernichtete jeglichen Lebenswillen binnen Sekunden mit Leichtigkeit und ließ nichts als schwarze Trauer und Einsamkeit zurück. Verzweiflung bannte sich ihren ganz eigenen Weg in meinen Kopf und wollte einfach nicht verschwinden. Binnen wenigen Stunden überredete die Stimme meiner dunkelsten Ängste mich, es doch endlich zu beenden um die Folter, welche meine Gedanken für dich darstellen, zu stoppen. Ich hoffte, dass es danach endlich vorbei wäre und niemand mich vor meiner ersehnten Rettung bewahrte. Alles in mir ist angespannt. Adrenalin fließt in hohen Mengen durch meine Adern und bringt mich dazu, meine Füße weiterhin in Richtung der Brücke zu bewegen. So viele Menschen jedes Jahr werden vom Suizid abgehalten, nur um sich weiterhin mit ihren Dämonen auseinandersetzen zu müssen und weiterhin die tägliche Folter des Lebens ertragen müssen. Dies dürfen sie zusätzlich eingesperrt und ohne Rechte, in einem tristen Haus mit Gleichgesinnten, tun. Ich werde nicht zu ihnen gehören. Ich werde es endlich beenden. Endlich die Folter beenden. Meine Dämonen dürfen dann stolz in die Hölle zurückkehren, wohl wissend, für meinen Tod verantwortlich zu sein und ihren Auftrag mit Bravour erledigt zu haben. Noch jemand der mich einfach nur loswerden will. Es sollte mich nicht mehr treffen, doch das tut es immer wieder. Schließlich komme ich an der Brücke an und sehe auf die leere, von wenigen Laternen beleuchtete, Straße. Niemand fährt an Weihnachten hier mit dem Auto lang, was für mich ein Glück ist. Niemand wird mich retten können. Ich stelle mich an das Geländer. Ich schätze die Entfernung zu meinem Tod auf etwa fünfzehn Meter. Das kann ich nicht überleben. Ein kleines Lächeln nimmt meine Lippen ein. Es ist vorbei. Endlich vorbei. Ich bin frei. Tränen beginnen über meine Wangen zu fließen. Sie bestehen aus der Freunde, endlich frei zu sein, und aus der Angst, was nach meinem Tod passieren würde, doch von dieser Angst würde ich mich definitiv nicht mehr abhalten lassen. Es reichte nun. Sie hatte mich in meinem verglichen recht kurzen Leben von viel zu viel abgehalten und es wie eine Ewigkeit anfühlen lassen. Das laute klingeln meines Handys unterbrach meine Gedanken und ließ mich erschrocken zusammenzucken. Nach einem erschrockenen Blick aufs Display erkenne ich Jimins Namen und nehme, nach kurzem Abwägen meiner Optionen und der Chance, dass Jimin bei uns zuhause anrief, den letzten Anruf meines Lebens an. "Wie geht's dir?", klingt Jimins Stimme verzerrt durch mein Handy. "Gut." Einem unkontrollierbaren Impuls und dem Wunsch, mich zu verabschieden, folgend, setze ich ein "Es tut mir leid." hinterher. "Was tut dir leid?", fragt Jimin nun aufgebracht und hörbar besorgt. "Alles. Ich liebe Tae. Und du bist der beste Freund, den man haben kann. Danke für alles. Wirklich. Aber ich kann nicht mehr." "Scheiße Koks, was hast du vor? Scheiße, tu's nicht! Bitte-" Zitternd lege ich auf und lasse Jimins Stimme mitten im Satz stoppen. Er wird meine Eltern anrufen. Egal. Es wird zu spät sein. Ich lege mein Handy auf den Boden und klettere umständlich über das Geländer. So oft hatte ich es mir vorgestellt und nun kann ich es endlich beenden. Eine eigenartige Gleichgültig durchfloss mich und ließ mich, nach einem letzten Blick zu den unerreichbaren Sternen und dem Mond, loslassen und im Licht derer, welche jede meiner Tränen und Schreie sahen, fallen. Luft rauscht an mir vorbei und ich denke ein allerletztes Mal an Tae. Beschwöre als letztes Bild sein Gesicht herauf. Denke an seine Hände auf meiner Haut und seine Lippen auf meinen. Höre seine Stimme ein letztes Mal "Ich liebe dich" sagen, dann wird alles schwarz. Ich spüre keine Schmerzen. Ich spüre nichts. Es ist vorbei.

                                                                                 ~ Ende ~ 


1724 Wörter später bin ich endlich fertig. Ich gebe zu, ich musste den noch heute veröffentlichten und saß ab 17 Uhr dran. Zwischendurch habe ich einen Anfang für eine Geschichte geschrieben und danach habe ich hier weiter geschrieben. Ich würde sagen, das waren etwa 2 1/2 Stunden Arbeit. Das hier war der ursprüngliche nun etwas verkrüppelte Plottwist: 

"'Merry Christmas', I wrapped it up and sent it. With a note saying 'I love you,' I meant it. Now I know what a fool l've been, but if you kissed me now, I know you'd fool me again"

Btw habt ihr schon railway gehört? Ich liebe es! 

Aber zurück zum Oneshot: 

Ich gebe zu, ich hätte fast geweint... 

Wer sich wegen der Stimmungsänderung etwas unsicher ist oder es nicht mag, ich habe das hier aus Erfahrung geschrieben, da ich sehr stark so etwas habe. 

Wie immer: Kritik ist gerne erwünscht, Vorschläge für weitere Oneshots ebenso 

Also noch ein schönes Rest 2024!!! 

LG TaewhitSugar 


Das hier ist meine Abgabe für @Kriletana 's Schreibwettbewerb :) 

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