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Am nächsten Morgen wache ich an einem Schnurren neben meinem linken Ohr auf. Vor Schreck springe ich auf und gehe erst mal auf Sicherhaltsabstand, bevor ich schließlich sehe, das es nur eine schwarze Katze ist, die es sich da auf meinem Kissen bequem gemacht hat. Lächelnd gehe ich wieder zu ihr hin und setze mich auf die Bettkante.
"Na du?"
Vorsichtig beginne ich über ihr glänzendes Fell zu streichen. Als sie anfängt zu schnurren, setze ich mich grinsend neben sie auf das Kissen. Das findet sie aber anscheinend nicht so toll, wie ich auch sofort schmerzhaft zu spüren bekomme, als mich zwei Katzenkrallen am Arm treffen.
"Hey!", rufe ich entrüstet. "Ist ja schon gut. Ich hab's kapiert, das hier ist dein Platz." Beschwichtigend grinse ich sie an. Sie maunzt zustimmend und ich schüttle über mich selbst den Kopf, das ich mir etwas von einer Katze verbieten lasse.
"Sag mal, weißt du zufällig einen Weg hier raus?", frage ich sie, mit einem grimmigen Blick auf die verschlossenen Tür. Ich habe vorhin versucht sie zu öffnen, musste aber feststellen das es von innen nicht einmal eine Türklinke gibt. Nur ein grün-blinkendes Gerät für einen Fingerabdruck oder eine Karte oder so.
Die Katze schleckt sich nur seelenruhig weiter ihre Pfoten ab.
"Na gut, dann halt nicht", murmle ich seufzend und schaue mich im Zimmer um, auf der Suche nach einem anderen Fluchtweg, als ich draußen Stimmen höre. Feindselig starre ich die stählerne Tür an, durch die er kurz darauf eintritt.
Als er meinen Gesichtsausdruck bemerkt zieht er grinsend eine Augenbraue in die Höhe.
"Wie ich sehe, hast du meine Ankunft schon sehnsüchtig erwartet."
Genervt verdrehe ich die Augen.
"Träum weiter, --" Ich stoppe, denn mir fällt auf, dass ich noch immer nicht seinen Namen weiß.
"Wie heißt du eigentlich?"
"Ash. Und dein Name?"
"Jane."
"Aha. Schön dich kennen zu lernen, Jane."
"Danke. Schön dass ich jetzt wieder gehen werde", erwidere ich abfällig und streichele noch ein letztes Mal die Katze, deren Name Shayenne ist, wie ich auf dem kleinen silbernen Kettchen um ihren Hals sehe.
Ich stehe auf und greife nach meinen Schuhen. "Danke für die Unterkunft und das Verartzten."
"Nicht so schnell, Kleine. Du kannst hier nicht einfach so wieder rausspazieren."
"Oh doch, das kann ich und das werde ich."
"Jane!" Er greift vorsichtig nach meinen Händen. "Bitte bleib heute noch."
"Wieso?", zische ich verächtlich. "Damit ich hier dein Mätresse spiele oder was?"
"Wie bitte?!"
"Ach, ihr Reichen seid doch alle gleich. Ihr verschwendet Geld und Lebensmittel, sauft, kauft euch Frauen, langweilt euch und sterbt irgendwann an eurer Dummheit. Und du bist auch nicht anders." Zitternd atme ich ein und schiebe mich dann ohne ein weiteres Wort durch die Tür.
"Jane!"
Ich beachte ihn nicht und laufe einfach stur weiter.
"Jane! Warte! Bitte!"
"Wieso?" Wütend drehe ich mich zu ihm um.
"Du bist nicht meine Mätresse."
"Schön. Lässt du mich jetzt bitte in Ruhe?"
"Ich bitte dich. Bleib hier", fleht er.
Zögernd bleibe ich stehen. Warum nur will er nur so unbedingt das ich bleibe? Seufzend schaue ich ihm in die Augen und sehe darin die Antwort auf die Frage: er ist einsam.
Und zwar so einsam, dass er ein fremdes Mädchen auf der Straße anfleht, bei ihm zu bleiben, obwohl sie ihn gerade zutiefst beleidigt hat.
Und ich weiß nicht ob es daran liegt, dass ich einfach zu großes Mitleid habe, oder weil ich das Gefühl von mir selber kenne oder ich schlicht und einfach nicht weiß, wo ich sonst hinsoll - ich greife nach seiner ausgestreckten Hand und gehe mit ihm zurück in die riesige Villa.
***
"Hier. Das ist dein Mittagessen. Guten Appetit." Ash stellt ein Tablett vor mir ab und ich öffne vor Erstaunen leicht meinen Mund.
Neben einem Teller mit Brot und verschiedenen Aufstrichen gibt es noch mehrere Schüsseln mit den unterschiedlichsten Suppen und ein dampfendes Hähnchen. Außerdem noch Gemüse, Kartoffeln, Käse wie ich ihn noch nie gesehen habe und Backwaren, soviel das ich es gar nicht zählen kann. Ich kann meine Beigeisterung nicht mehr unterdrücken und ein kleiner Jauchzer entfährt meinem Mund, bevor ich mich mit Heißhunger auf das Essen stürze. Zuerst probiere ich das Hähnchen und kann mir ein verwöhntes Stöhnen nicht verkneifen.
"Ich glaub ich bin im Himmel gelandet", murmle ich mit vollem Mund und schließe genießerisch die Augen. Niemals hätte ich gedacht, dass mich Essen so glücklich machen kann, aber nach dieser Mahlzeit änderte sich sowieso meine komplette Weltansicht.
"Wie lange hast du denn schon nichts mehr zu Essen gehabt? Du bist ja ganz ausgehungert", fragt mich Ash belustigt und ich zucke mit den Schultern.
Eine Weile schaut er mir nur stumm beim Essen zu, bis ich schließlich mit vollem Mund frage: "Und wie geht es jetzt weiter? Was hast du vor?"
"Ich weiß es nicht", seufzt er. "Ich weiß gerade überhaupt nicht was ich tun soll. Ich bin mitten den Planungen meiner Hochzeit, meine Mom will unbedingt das alles perfekt ist, die Eltern meiner Verlobten hassen mich und mein Dad ist seit ein paar Tagen der mächtigste Mann der Stadt direkt unter dem Bürgermeister. Außerdem habe ich meine Ausbildung zum Arzt fast fertig und weiß noch nicht, wie ich das meinen Eltern beibringen soll. Und als ich dich dort auf der Straße liegen sah, konnte ich dich einfach nicht liegenlassen. Ich hatte mir nicht überlegt was ich danach mit dir machen soll. Jetzt bin ich in einer Zwickmühle und weiß nicht, was ich tun soll. Und ich kann nicht mal mehr jemanden um Rat fragen, da ich dich ja leider geheim halten muss."
"Tja, das weiß ich leider auch nicht."
Er seufzt wieder und legt dann kurz seine Hand auf meinen Arm. "Ich komme später wieder." Er schaut mir intensiv in die Augen. Mein Blick bohrt sich in das braun und einen Moment drohe ich darin zu versinken, bis er den Blick abwendet und zur Tür geht.
Ich schließe kurz die Augen um meine Atmung wieder unter Kontrolle zu bekommen und lege mich dann seufzend auf das weiche Bett. Die Decke fühlt sich unglaublich gut auf meiner nackten Haut an, doch gleichzeitig auch eigenartig fremd.
Und plötzlich wünsche ich mir, ich wäre bei uns zu Hause, wo es im Winter zu kalt und im Sommer zu heiß ist, wo die Decke kratzt und wo ich morgens mein Spiegelbild in meinem zerbrochenen Spiegel betrachte. Traurig denke ich an Mom zurück, die inzwischen wahrscheinlich meine Tasche und den Brief entdeckt hat. Sie wird denken, ich bin weit entfernt von ihr, auf dem Weg in die Welt dort draußen, dabei bin ich gerade mal ein paar Straßen entfernt in einem prunkvollen Haus, mit lauter Wachen und Bediensteten.
Was habe ich mir da nur eingebrockt? Mom meinte immer, mein großes Herz würde es mir im Leben nur schwerer machen und ich soll nicht nur für andere leben. Tja, denke ich. Sie hatte recht.
Zitternd schließe ich die Augen um die Tränen, die ich kommen spüre, zu verdrängen. Und plötzlich verstehe ich, warum ich mit zu Ash gekommen bin. Ich hatte Angst. Vor der Welt dort draußen. Vor den Menschen und der Freiheit.
Und wegen seiner Augen. Ich sehe etwas darin, was mich tief im Herzen berührt. Wie verwirrend das alles nur ist!
Seufzend kuschle ich mich in die Decke.
Mein Atem wird ruhiger doch meine Gedanken rasen weiter.
Die Sonne spiegelt sich in der scharfen Klinge. Gleich wird er sie werfen. Ich weiß, das er sie gleich werfen wird. Panisch schreie ich auf, versuche auszuweichen. Doch meine Füße sind auf dem Boden festgeklebt. Immer wieder versuche ich sie zu lösen, doch ich bin hier gefangen. Das Messer wird mich treffen. Durchbohren, bis ich nicht mehr weiß wo oben und unten ist. Wieder schreie ich. Schreie mir die Seele aus dem Leib, bis meine Stimme versagt. Und das Messer fliegt. Aber dieses Mal kann ich nicht ausweichen. Es wird mein Herz durchbohren. In zwei Teile aufteilen. Mein schwaches Herz wird zerbrechen. Von einem Messer in tausend Teile.
Dann spüre ich jemanden meine Hüfte packen. Zitternd drehe ich mich zu ihm um und blicke direkt in ein paar schokoladenbraune Augen. "Ash?", flüstere ich und er nickt mir beruhigend zu. "Alles ist gut, Jane. Ich bin da." Er streicht über meine Wange und ich lehne meinen Kopf an seine starke Brust, als seine Haltung sich plötzlich versteift. Ich spüre wie sich seine Arme von meinem Körper lösen und höre seinen warmen Atem an mein Ohr zischen: "Es ist zu spät, Jane. Schau mal hinter dich. Sie kommen dich holen." Dann löst er sich entgültig von mir und ich falle. Ängstlich drehe ich mich um und sehe wieder das Messer auf mich zufliegen. Hilflos fliege ich durch die Luft, das Messer verfolgt mich, fest entschlossen mich endlich entgültig zu zerstören.
Ich schreie.
Bis mir die Luft aufgeht und ich nur noch heißer seinen Namen rufen kann.
"Ash?"
LG, Lory <3
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