1 || 00:00
Ein bisschen davor...
Ich öffne die Augen und blicke direkt in Mom's blasses Gesicht. Ihre eisblauen Augen glänzen gläsern und ihre einst schöne, volle Haut ist kalt und eingesunken. Schon lange hat sie ihre fröhliche Ausstrahlung verloren, die alle so an ihr liebten.
Und ich weiß, dass ich der Grund dafür bin. An allem, was in Mom's Leben schiefgelaufen ist bin ich schuld. Wegen meinen Behandlungen haben wie unser ganzes Geld verloren und müssen jetzt in Armut leben. Auch das Gefühl, sich nicht richtig um mich gekümmert zu haben ist eine riesige Last für sie, obwohl sie immer alles in ihrer Macht stehende getan hat um mir zu helfen. Ich würde ihr einfach nur wünschen, noch einmal glücklich zu sein. Einmal ohne Sorgen zu leben, sich nicht jede Sekunde fragen was man falsch gemacht hat, das man so ein Kind gebar.
Und deshalb habe ich beschlossen zu gehen.
Es ist für uns alle besser so. Mom wäre sowieso froh mich loszuwerden, auch wenn sie das nie zugeben würde. Ich weiß, das sie mir nicht die Schuld für alles gibt, aber ich weiß auch, dass es unglaublich belastend ist mich als Tochter zu haben.
Deshalb gehe ich fort. Meine Tasche steht schon fertig gepackt unter meinem Bett, darauf der Brief den ich nachher für Mom in ihrem Zimmer lassen werde, wenn sie arbeiten ist.
Bei der Vorstellung sie vielleicht für immer zu verlassen seufze ich leise auf.
"Alles okay, Schatz?", fragt sie mich und stellt den Korb mit meiner gewaschenen Wäsche auf den Fußboden vor meinem Bett.
"Klar, Mom. Ich bin nur noch ein bisschen müde", murmle ich und lächele gezwungen. Sie wendet sich wieder ab. Ich schwinge mich aus der Bett und wanke ins Badezimmer, dass aus einem Plumsklo und einem Wasserschlauch besteht. Mit gerunzelter Stirn betrachte ich mich in meinem kleinen Spiegel, welcher mein ganzer Stolz ist. Er hat schon ein paar Sprünge, aber solange ich mich noch darin erkennen kann, ist das okay.
Meine Haut ist ein bisschen eingefallen und die zwei smaragdgrünen Augen die von dem Glas zu mir zurückstarren, sind kalt und gefühlslos. Auch meine schwarzen Haare, die mir einst in Wellen über die Schulter gefallen sind, hängen nur noch schlapp herunter. Seufzend wende ich den Blick ab und widme mich meiner Kleidung, die ich schon gestern Abend zurechtgelegt hatte. Neben einer Jeans und meinem weißen Hemd will ich noch meinen Strohhut und meine guten Schuhe mitnehmen.
Der Stoff kratzt ein wenig an meiner Haut als ich mir das Hemd überziehe und die Jeans ist mir schon lange zu klein.
Es klopft an der Tür.
"Jane? Kommst du bitte?", ruft meine Mom und ich öffne schnell die Türe. "Ich muss gleich los zur Arbeit und hab dir etwas zu Essen in die Küche gestellt", sagt sie und läuft mir voran in die Küche.
"Danke Mom", sage ich und küsse sie auf die Wange.
"Mach dir einen schönen freien Tag, Kleines. Ich komme erst heute Abend wieder."
Ich lächele und drücke sie ein bisschen länger als sonst an mich, bevor sie sich ihren Korb mit dem Nähzeug schnappt und sich verabschiedet.
"Hab dich lieb, Mom", rufe ich.
"Ich dich auch."
Dann ist sie auch schon um die Ecke verschwunden und ich mache mich daran mein Frühstück zu essen.
Das Brot ist hart und ungenießbar und dazu gibt es nur ein bisschen Wasser aus der Leitung, aber ich schlinge es trotzdem in mich hinein, als hätte ich seit Tagen nichts mehr gegessen.
Schließlich ist alles leer und ich räume das Geschirr in die Spüle, bevor ich mich ein letztes Mal in dem Zimmer umsehe. Mein Blick schweift über die Regale die vollgepackt mit Mom's Nähsachen sind und die kleine Miniküche. Seufzend wende ich den Blick ab und versuche die plötzliche Unsicherheit zu verdrängen. Kann ich Mom hier wirklich alleine lassen? Schafft sie das alles ohne mich? Oder zerstöre ich mit dieser Entscheidung ihr Leben entgültig?
Ich schlucke.
Es ist doch verrückt, ich war mein ganzes Leben in diesem Dorf gefangen und jetzt habe ich vor, einfach auf gut Glück in die Welt dort draußen zu spazieren. Ich weiß doch gar nicht was mich erwartet.
Plötzlich kommt mir meine Idee schwachsinnig vor. Ich habe ja nicht mal mehr überlegt wo ich überhaupt hinmöchte und wie ich dort hinkomme. Zitternd lasse ich mich an der Wand heruntergleiten und ziehe die Beine an. Soll ich jetzt einfach alles abblasen? Aber was ist mit meinem Traum endlich hier rauszukommen?
Ich stehe wieder auf und laufe in mein Zimmer. Meine Tasche steht noch an derselben Stelle, an der ich sie gestern gelassen habe. Zögernd ziehe ich sie zu mir und nehme mir den Brief, den ich oben drauf gelegt habe. Schwer liegt er in meiner Hand und wartet darauf von mir geöffnet zu werden. Eigentlich wollte ich ihn mir nicht noch mal durchlesen, da ich befürchtet habe, dass ich mich dann doch entschließe hier zu bleiben, aber jetzt bin ich sowieso kurz davor alles hinzuschmeißen, da ist das dann auch egal.
Also breche ich das Siegel mit dem ich es verschlossen habe und rolle das teure Papier das ich mir extra dafür von meinem letzten Geld gekauft habe auf.
Liebe Ava, Mom,
Wenn du diesen Brief hier liest bin ich schon längst weg. Ich habe mich entschlossen dich alleine zu lassen und in die Welt hinaus zu reisen.
Ich habe gemerkt das ich einfach dringend hier raus muss und außerdem wünsche ich mir das du glücklich wirst. Ich weiß, dass du mich über alles liebst und genau deshalb bitte ich dich, jetzt frei zu sein. Bitte mach dir keine Sorgen um mich, es geht mir gut und ich bin bereit diesen neuen Weg in meinem Leben einzuschlagen. Ich hoffe du verstehst das und bist nicht all zu verletzt. Ich werde dich ganz schrecklich vermissen und eines Tages werde ich vielleicht zurückkommen. Ich bin dir dankbar, für alles was du für mich getan hast und liebe dich von ganzem Herzen. Und ich möchte dich jetzt bitten, loszulassen. Lass mich gehen, Mom und lebe endlich dein eigenes Leben. Niemand hat es so sehr verdient wie du, glücklich zu sein.
Ich hab dich lieb!
Deine Tochter Jane
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top