Sonntag - 5.4 - Pläne

Don't forget - it's fiction!

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„Sagt mal, Jungs. Wie seht ihr das eigentlich. Wir haben ja überhaupt keine Ahnung, wann und wie das hier enden wird. Aber ich gehe inzwischen fest davon aus, dass das in Biblis wirklich nur ein technisches Problem ist und zu keinem Zeitpunkt Radioaktivität ausgetreten ist oder austreten wird. Irgendwann in den nächsten Tagen werden die tollen Experten dort ihr Geld wert sein und Entwarnung geben. Und dann wird es verschiedene Möglichkeiten für euch geben. Wir mieten ein großes Auto, und ich fahre Euch sofort nach Paris. Ihr wartet ab, bis sich der Zug- und Flugverkehr wieder normalisiert hat, und verschwindet so schnell wie möglich. Oder wir planen gleich von vornherein noch mindestens einen Brückentag ein, weil wir erstmal in Ruhe in der Normalität ankommen und uns voneinander verabschieden wollen."

„Noch mindestens einen Tag bleiben!"
Da sind sich alle einig. Namjoon kriegt allerdings schon wieder Sorgenfalten im Gesicht und seufzt.
"Wenn ich das irgendwie PD verklickert kriege ..."
Ich versuche, ihn zu beruhigen.
„Dann verkauf ihm doch, dass dann noch alles durcheinander ist, ihr sowieso gar nicht sofort weg kommen könnt und ihr euch besser selbst drum kümmert. Dann könnt Ihr buchen, was IHR wollt. Natürlich muss das abgesprochen werden, klar. Aber ihr solltet euch nicht überfahren lassen!"
Allgemeines Nicken.

„Wenn es uns tatsächlich gelingt, dass ihr ein bisschen bleiben könnt, was würdet ihr dann gerne von den nächsten Städten und der Gegend sehen? Was ich von euch weiß, ist, dass Namjoon gerne wandert und Tae Kunstmuseen mag. Mit dem Odenwald und Frankfurt und Darmstadt in der Nähe haben wir eigentlich schon alle Bedürfnisse abgedeckt."
Tae ist sofort Feuer und Flamme.
„Au jaaaa, wir machen noch ein bisschen Sightseeing. Das wäre doch doof, wenn wir hier tagelang hocken und dann nichts von der Gegend gesehen haben!"
Hoseok ergänzt das noch.
„Vorausgesetzt, wir können tatsächlich diesen zeitlichen Puffer nutzen - kannst du uns ein kleines Programm zusammenstellen? Du kennst uns doch jetzt ganz gut."
Ich muss grinsen. Bis auf Namjoon, der glaube ich mal alleine in Italien war, kennen die Jungs nur vorgekauten Urlaub - Bon Voyage, Summer Packages - alles "Urlaube", die erstens von anderen geplant und zweitens doch mit lauter ganz un-urlaub-lichen Aktionen wie Shootings u.a. vollgepackt waren. Selbst recherchiert, geplant, entschieden und gebucht haben die, glaube ich, alle noch nie. Und das ist schräg, wenn ich bedenke, dass wir damals schon mit 15 unbedingt selbst entscheiden wollten, was mir mit unseren Ferien anfangen.

Markus und ich sehen uns an: das Felsenmeer bietet sich an, in Frankfurt das Goethehaus, das Museumsufer, die rekonstruierten Häuser der Altstadt auf dem Römerberg. Der hoch aufragende Dom. Das historische Museum, der eiserne Steg. Jede Menge Kunst im Kontrast zwischen dem Städl'schen Museum und der Schirn. Das Museum im Dunkeln.
Obwohl - mindestens Hobi und Jin haben vielleicht Probleme, völlig blind durch unbekannte Räume zu laufen.
Aber da kommt schon was zusammen. Manches davon erkläre ich. Wir müssen zwar fürs erste alles dem Zufall überlassen, denn natürlich haben auch alle Museen im Moment geschlossen, und es ist nicht abzusehen, wie schnell die nach dem Ende der Ausgangssperre wieder geöffnet haben werden.
Aber interessiert sind die Jungs sehr, das ist ja schon mal eine gute Ausgangsbasis. Und der 6er im Lotto wäre es, wenn die Sehenswürdigkeiten alle geöffnet hätten, die Leute aber alle nicht hingingen, weil sie sofort wieder arbeiten oder ihre Vorräte erstmal auffrischen müssten. Denn am allerliebsten wäre ich - egal wo - mit den Jungs alleine, damit sie sich frei bewegen und ungeniert genießen können. Und ich müsste mich nicht verstecken ...

„Das machen wir liebend gerne. Ich fände es auch schade, wenn ihr gar nichts von der Gegend seht. Hier in der Region gab es von den Kelten und Römern über jede Menge Ritter und Burgen bis zu moderner Geschichte alles in Hülle und Fülle, was man sich ansehen kann. Ihr müsst nur wünschen."
Wünschen. Jetzt habe ich doch ihre Neugierde geweckt. Ein paar zücken ihre Handys und suchen unter dem Stichwort "Frankfurt" nach entsprechenden Touristen-Informationen. Tae bleibt an der Schirrn hängen, einem großen modernen Kunstmuseum. Hobi entdeckt, dass es eine ausgedehnte Fußgängerzone mit vielen Kleinkünstlern gibt. Man kann eine Bootsfahrt auf dem Main machen. Die Möglichkeiten sind endlos. Schließlich spricht Jin aus, was ich auch schon gedacht habe.
„Und ganz egal, wie es laufen wird. Eines ist sicher: wir wollen am letzten Abend, wann auch immer der ist, zusammen mit euch ein Fest feiern und für euch koreanisch kochen!"
Abschied muss man begehen, sonst trägt man ihn noch ewig in sich.

Allmählich wird es schon wieder Zeit für die nächste Mahlzeit. Man unterschätzt schnell, wie lange es dauert, für elf Personen zu kochen. Auch das Brot für morgen muss noch gebacken werden. Mal wieder lande ich mit Jin in der Küche. Wir checken die Vorräte und zaubern ein kalt-warmes Essen zusammen. Guk hockt sich derweil wieder an seinen Computer und schaut, was er von dem Rate-Nachmittag brauchen kann. Er fängt an zu schneiden und ist fast fertig, als wir zum Abendessen bimmeln.

Namjoon und Yoongi kümmern sich mal wieder um die Weiterentwicklung des Wasser-Projektes, und Hobi liest einfach kreuz und quer durch die ARMY-Reaktionen auf die Filmchen, die Jeongguk in den letzten Tagen abgeseilt hat. Ich hocke mich dazu, denn auch ich bin einfach neugierig. Der Sturm wegen der Bedrohung hat sich etwas gelegt, alle wünschen nur alles Gute. Ein Haufen super-süßer Wünsche und aufbauender Durchhalteparolen zwitschert über den Bildschirm. Dafür ist riesiger Frust unter den englischen Fans zu spüren, weil sich nun das Ticket-Karussell wieder dreht und manch einer bei den Ersatzterminen einfach nicht kann. Die Pariser Fans fangen an, sich Sorgen zu machen, ob es sie vielleicht auch noch erwischen wird. Hobi und Tae überlegen sich also einen Text, der die Fans dort besänftigen soll. Schließlich können die Jungs ja nichts für das ganze Durcheinander. Zum Glück sind die meisten Fans vernünftig und wissen, dass es nicht an BTS liegt sondern letztendlich an dem bescheuerten Nebel in London, für den nun wirklich niemand was kann.

Wilde Spekulationen über den Aufenthaltsort ploppen auf. Fans aus aller Herren Länder googeln Frankfurt und Umgebung und versuchen einzukreisen, wo BTS gelandet sein könnte. Manche landen sogar in der richtigen Kleinstadt. Aber mein improvisiertes Schauspiel am ersten Tag hat wohl tatsächlich dazu geführt, dass die dreisten Reporter glauben, die Spur verloren zu haben. Gut zu wissen, dass wir tatsächlich nicht mal als Spekulation in den Medien auftauchen. Noch wilder sind die Spekulationen zu Biblis. Es ist echt nicht zu fassen: Vom GAU bis zur Weltverschwörung ist alles dabei. Dabei gibt es jede Menge Berichte im Netz, dass dieses AKW zurückgebaut wird, wie das funktioniert, was dabei passieren kann oder auch nicht.
Wer lesen kann, ist klar im Vorteil ...

Wie immer bin ich grenzenlos beeindruckt, was für einen verkorksten Schwachsinn sich manche der Fans in ihrer überdrehten Phantasie einfallen lassen. Wir schwanken ständig hin und her zwischen Kopfschütteln, Totlachen und Zähne zusammenbeißen. Immer wieder juckt es uns in den Fingern, auf den Unsinn und die Taktlosigkeiten zu reagieren. Aber für die Jungs ist absolut klar, dass sie auf gar nichts reagieren.

Wie viel unberechtigtes Gemecker dabei ist. Wie überaus wichtig manche sich selbst nehmen. Wie wenig einfühlsam manche einfach drauflos schreiben, ohne zu bedenken, wie das bei anderen ankommen könnte. Und wie heftig und schadenfroh sich natürlich auch wieder die Hater einmischen, statt wenigstens in so einer bedrückenden Situation mal den Fan-Krieg ruhen zu lassen. So viel blinder Hass und falsche Solidarität auf einem Haufen ist schier unerträglich. Irgendwann bringe ich Hobi dann dazu, einfach auszumachen, weil er immer stiller wird und sich über nichts mehr freuen kann. Der ganze Müll tut ihm nicht gut.

Im Laufe der letzten Tage hat Hobi sowieso zunehmend am Telefon gehangen. Und zum Teil klang das echt nicht fröhlich. Ich frage mich ernsthaft, wer so taktlos ist, den hier eingesperrten Typen mit irgend welchen eigenen Sorgen zu traktieren. Ich spüre auch eine schleichende Veränderung bei ihm, die ich nicht greifen kann. Er ist auf den ersten Blick ganz der gewohnte Sonnenschein, verbreitet gute Laune, lacht viel, kümmert sich gut um die anderen, hat Spaß - und doch ist daran irgendwas nicht richtig. Ich warte ab und hoffe, dass der morgige Tag mehr Klarheit bringt. Wenn Namjoon nichts rausfinden kann, werde ich ihn selbst fragen. So viel Vertrauen dürfte ich inzwischen gewonnen haben. Aber lieber wäre es mir, wenn ich das nicht machen müsste.
Jedenfalls muss ich Namjoon nachher drauf ansprechen!

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10.11.2018 - 20.4.2019 - 29.10.2019
27.3.2020

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