12 باب
Ihre Augen waren nicht jähzornig. Auch nicht vernichtend oder herablassend. Weder angeekelt noch aufgebracht. Sie zeigten Verzweiflung und Angst.
Und dass sie so etwas vor mir zuliess, wenn sie zuliess dass ich so etwas sah, dann musste sie wirklich innerlich kaputt sein.
Ich schluckte.
"Nimm ihn mir nicht. Ich weiss was du vorhast, aber lass ab von dem Pfad! Er ist mein ein und alles. Bitte."
Hauchte sie und umschoss meine, mit ihren sanften, engelsgleichen Händen.
Geschockt von ihren Worten, die sie wirklich an mich, ein Sklavin, richtete, bewegte ich mich nicht.
Wir waren wie zwei Schlangen, nur die eine konnte in dem engen Raum Überleben und sie mussten sich gegenseitig töten.
Niemals wäre eine der Schlangen auf die Idee gekommen, zu flehen. Erst recht nicht bei Enas enorm grossen Stolz.
Aber egal wie mitfühlend ich in ihre Augen sah, ich war ihr nichts schuldig.
Nicht das Geringste, sie hatte mir min Kettchen genommen und mir beinahe die Hand abhacken lassen. Wer weiss was noch, wenn Asher nicht dazwischen gegangen wäre.
Also sah ich sie schweigend an. Ich verstand sie, und meine Rolle war für sie nicht nur ein Hindernis sondern auch eine Verletzung, wenn Ash sich dadurch von ihr entfernte.
Dennoch gab es mir eine gewisse Genugtuung. Zu sehen dass sie von mir abhängig war und ich nicht von ihr. Egal was ich mir geschworen hatte, es tat einfach gut. Das konnte ich nicht verhindern.
"Ich weiss nicht wovon ihr sprecht Prinzessin. "
Sie biss sich auf die Zähne und ich wusste nicht was sonst sagen.
"Daya..."
Das erste Mal dass sie meinen Namen benutzte.
"Ich bin dazu bestimmt, man erwartet es sogar von mir, dass ich Königin werde, dieses Reich in eine gute Zukunft führe, an der Seite meines Gemahls der meinen Leib mit vielen Söhnen füllen soll."
Es war seltsam, dass sie mir von ihren Pflichten berchtete, die mit mir nichts zu tun hatten. Wir waren auch keine Freundinnen. Aber langsam verstand ich es. Sie hatte hier keine Freundinnen, das war nicht ihr zuhause und sie fühlte sich hier nicht wohl. Sie war wahrscheinlich von ihrem Vater wegen eines Bündnisses hergeschickt worden und hatte ihre Familie und Freunde verlassen müssen.
Das musste schwer sein. Vor allem wenn man all den Erwartungen von so vielen Menschen entsprechen musste. Und ich machte ihr dieses Vorhaben zusätzlich schwer.
"Braucht ihr noch etwas?"
Fragte ich trocken. Ich war gemein, doch wie sollte ich sonst reagieren? Verständnis hatte ich ja, aber ihre Probleme gingen mich nichts an. Ich hatte meine eigenen.
Und Ash, der Lichtblick in meinem Leben, den würde ich nicht aufgeben. Und er mich auch nicht. Das hoffte ich zumindest.
Ihr Blick gefror und eine kurz Zeit lang lag echte Angst vor mir darin. Sie war nicht die Einzige, die unberechenbar war. Sie war nicht die Einzige, die sich wehren konnte und zudem sah sie, dass ich nicht schwach war. Und ich war auch eine Frau, ich behauptete nichts Besseres zu sein, aber dennoch konnte ich dasselbe Spiel spielen wie sie.
Auch wenn ich dadurch zu genauso einem schlechten Menschen wurde wie sie. Aber in diesem Leben, hier konnte ich es anders nicht schaffen.
"Nein, du kannst gehen Sklavin. Ich brauche dich jetzt nicht mehr."
Ihr Blick war steinhart.
Ich dachte daran, dass es nur ein Schutzmechanismus war, und dass sie eigentlich verletzt war und Angst hatte.
Aber ich verdrängte es, denn ich liess mir mein Recht etwas glücklich zu werden nicht nehmen.
Sie war schon wieder Ena gewesen. Sie hatte mich absichtlich als Sklavin und nicht mehr als Daya angesprochen. Sie liess mich ihren Zorn also bereits wieder spüren. Gut, dass ich kein Mitleid gezeigt hatte. Denn es war nur gerecht, dass sie auch litt, so wie ich schon ihretwegen gelitten hatte.
So zu denken war falsch und das war mir auch bewusst, aber mein schwarz gefärbtes Herz musste sich einfach freuen. Die Tatsache, dass ich sogar wusste dass es falsch war und trotzdem so dachte, machte meine Gedanken dazu nur noch schlimmer.
Aber ich musste jetzt abwarten, da ich mich gegen eine Prinzessin nunmal nicht wehren konnte.
Warten war eine Gabe die ich auf der Strasse erlernt hatte. Das war dort überlebenswichtig und auch sonst im Leben, brachte einem Ungeduld nicht weiter. Aus Wut zu handeln oder Entscheidungen treffen nahm immer ein schlechtes Ende. Wenn ich wartete, konnte ich vielleicht irgendwann erreichen, eine freie Frau zu werden. Vielleicht.
Hoffnung. Die durfte ich auch auf keinen Fall verloren. Denn ohne Hoffnung verlor man den Glauben in sich selbst und seine eigene Kraft. Und dann konnte Böses entstehen. Denn Menschen, die nichts mehr zu verlieren hatten, schreckten vor nichts zurück.
"Wie ihr Wünscht."
Ich hörte mich ruhig an, genauso wie ich es wollte, und verneigte mich. Ich tat es immer noch nicht gerne, doch es war gut, dass ich mittlerweile über den fesselnden Stolz hinübersteigen konnte, der mich hinunter zog wie ein Stein im Meer.
Ich drehte mich um, meine Zehen versanken im Teppich und ich genoss das weiche Gefühl, so anders als die rauen Strassen und die Scherben der Tonkrüge die nach solchen wie mir geworfen wurde wenn wir dem Vieh oder dem Haus zu nahe kamen.
Als ich die Türe zwischen den Wachen verlassen wollte, hörte ich wie sie noch etwas zischte. Ich verspannte mich, denn leider waren ihre Worte nicht nur schmerzhaft sondern auch die Wahrheit.
"Er wird ohnehin nie deins sein. Dazu bist du nicht bestimmt. Du bist eine Wüstenratte und er ein Gepard. Ihr werdet niemals zusammen sein."
Ich verliess das Gemach und mein Herz zog sich zusammen.
Ich wusste eigentlich nicht wohin ich gehen sollte, aber ich bemerkte wie sich Muhammad hinter mir leise in Bewegung setzte. Er schaffte es immer, es so aussehen zu lassen als ginge er zufällig denselben Weg wie ich.
Eigentlich hätte ich mir Sorgen machen müssen. Er hatte noch nicht mehr als ein paar Sätze mit mir gesprochen. Aber er trieb sich immer in meiner Nähe herum, beobachtete mich und jetzt folgte er mir auch noch. Er hätte einer dieser Männer sein können, die eine Frau missbrauchten. Ich wusste ja nicht, wie er dachte. Ich kannte Muhammad nicht.
Trotzdem hatte ich das merkwürdige Gefühl, dass ich ihn nicht fürchten musste.
Sondern dass er eher für mich da war, wie ein stiller Trost. Wieso er aber tat, was er tat, wusste ich nicht. Vielleicht hatte er einfach nur Mitleid.
Gerade jetzt war es mir aber egal, was es mit der Wache hinter mir auf sich hatte.
Momentan schwirrten mir nur Enas Worte im Kopf herum und schienen mein Gehirn zu befallen wie eine Horde hungriger Heuschrecken. Mit dem Ziel, alles zu zerstören was sie an guten Erinnerungen an Ash vorfanden.
Leider klappte es auch. Ash und ich, uns verband eine innere Liebe, doch diese konnte im realen Leben nicht bestehen. Dafür waren unsere Ränge zu unterschiedlich.
Es war grausam, dass in dieser Welt nicht auf Gefühle beachtete wurde. Alles was zählte war der Stand der Menschen. Den Nutzen, den sie anderen Menschen brachten.
Gerade jetzt fühlte ich mich Welten von meinem Geliebten entfernt. Er sagte ich sei eine Blume am Nachthimmel. Damit hatte er recht behalten.
Ich war unerreichbar weit weg von ihm.
Vielleicht war es ein Abenteuer nach dieser Blume zu greifen. Dennoch würde er es irgendwann aufgeben und sich eine Blume suchen, die auf der Erde, seinem Reich gedieh.
Insgeheim hoffte ich trotzdem, dass er für mich kämpfte. Aber das waren nur die naiven Wünsche des Herzens einer Frau.
Und mein Kopf wusste es besser. Es war unmöglich. Eine verzweifelte Situation mit schlechten Aussichten für mich.
Ich seufzte leise in mich hinein und wich mit gesenktem Blick einigen Adligen aus, die mit harschen und hallenden Schritten an mir vorbei liefen.
Ich würde einfach die Zeit geniessen, die ich mit Asher noch haben konnte. So lange ich konnte und so intensiv ich konnte.
Ich lief die Treppe hinunter, die Stufen waren perfekt geformt. Der Marmor glänzte sauber. Ja der ganze Palast war mit diesem schönsten Material gebaut worden, mit all den Kuppeln und den Rundbögen.
Es war ein Meisterwerk und eine Ehre, dass meinen Augen dieser Anblick vergönnt wurde.
Meine Schritte waren beinahe lautlos. Als ich den oberen Stock verlassen hatte und durch die Gänge de Bediensteten schritt, hegte reges Treiben.
Hier schlief man nicht, hier unterhielt man sich nicht während dem Essen oder lass irgendetwae.
Hier herrschte nur Arbeit und Pflicht. Und die Arbeit hatte bereis begonnen. Eilig rannten Köche und Sklaven und Stallburschen gleichermassen umher. Wer hier im Weg stand riskierte es, einfach umgerannt zu werden.
Neben der Küche blieb ich stehen und linste hinein. Ich hatte gerade eine Nische gefunden, in der ich kurz verschnaufen konnte und atmete tief durch, um meine Gedanken endlich zu ordnen. Das war aber nicht der beste Platz dazu.
Ich sah die Köche in der vollgestopften Küche herum eilen und Dinge im Arm tragen. So viel Essen.
Kräuter und getrocknetes Fleisch hingen von der Decke.
Die Öfen waren voll mit Fladenbrot und anderen süssen Gebäcken, die alle glänzten als wären sie dafür gemacht mir auf der Zunge zu zergehen.
Das Feuer spiegelte sich in den Augen der Köche die den Teig mahlten oder Tee und andere Speisen
Kochten, mit geübten Bewegungen schwangen sie Eierkuchen umher und hielten das Feuer dabei noch im Zaum. Der Dampf stieg hoch zur Decke, die beinahe tropfte so viel Dampf sammelte sich dort oben. Es war erstaunlich wie rasant jeder Koch arbeitete. Jede Handbewegung sass und die Männer und Frauen schienen genau zu wissen, was sie taten. Und dass sie umher rannten wie wilde Pfauen, und sich dennoch nie im Weg standen, war noch viel erstaunlicher.
Es war laut und immer wieder wurden Befehle und Namen gerufen, um etwas Ruhe und Ordnung in das Chaos zu bringen.
Ich hörte das Brutzeln, die gehetzten Atemzüge und das Feuer, alle zusammen liessen sie meinen Kopf explodieren.
Ich roch, wie der Rauch sich mit dem Geruch von Süssem und Salzigen vermischte. Ich roch den Schweiss und die ätzenden Mitteln, mit dem alles sauber geputzt wurde.
Es war eindeutig kein Ort um zu verweilen, immer wieder stiessen mich schwitzige Körper an oder ein Tropfen Fett traf meinen Arm und versengte mir die Haut, worauf ich meine Arme leise fluchend schüttelte.
Es war unglaublich heiss hier unten, es grenzte schon beinahe an die Temperaturen die draussen, ausserhalb dieser kühlenden Mauern herrschten.
Ich musste irgendwo anders hin.
Ich sah mich um und versuchte, mich durch die Menschenmassen zu schlängeln, die sich in den viel zu engen Gängen, mit dem Essensgeschirr über dem Kopf Richtung Ausgang oder Eingang drängten.
Die Bunten Kleider schmerzten mir in den Augen und ich wollte wirklich hier raus. Dazu kam das Rasseln der Ketten an ihren Hälsen, einige von ihnen hatten sie niemals abgelegt.
Ich hatte gerade den Gang erreicht der mich zu den kleinen Ruhekammern führte, als ich Amora sah.
Sie stand inmitten vom Gang, ich war daran auf sie zuzulaufen Mitten im Gang aber sie nahm das nicht wirklich war.
Das Mädchen, das ich vor den Klauen eines Mannes gerettet hatte und sie als mein Leben als Sklavin begann kennen gelernt hatte, stand einfach nur schweigend da und liess die langen arme hängen.
Ihre Haare waren kurz und geschürft, ihr Körper war abgemagert und an einigen Stellen blau angeschwollen. Sie passte nicht einmal mehr in ihre Kleider, die schmutzig aussahen als hätte sie sich nächtelang im Dreck gewälzt.
Ihre Haltung war gebückt, gebrochen und ihr Kopf etwas mehr gesenkt als hier unten nötig.
Ihre Lippen waren spröde und aufgeplatzt, blutige Kruste hatte sich an der Stelle gebildete, wo sie sich immer wieder mit der rauen Zunge darüber fuhr.
Ihre Nase war nicht mehr so gerade wir am Anfang und ein kleiner Schnitt durchzog ihre linke Augenbraue.
Ich hatte auch schon ähnlich ausgesehen, jedoch nie so schlimm.
Doch das allerschlimmste waren ihre Augen.
Sie hatten geglänzt wie schwarzes Pech und das Gefieder eines dunkeln Vogels, der ab und zu sein Lied in der Nacht sang.
Doch jetzt waren es nur noch leere Glasscherben. Zersplittert in einen Fluss aus Nichts, mündend in ein Meer aus Leere, dessen Welle auf der Oberfläche des Spiegels tanzten, indem ich nur mich selbst sehen konnte.
Als wäre Amora weg, nicht mehr hier drinnen.
Wie eine leere Hülle die ihren Weg in Trance fortsetzte und mechanisch ihre Bewegungen ausführte:
Ich kannte das, ich hatte mich oft so gefühlt, als wäre ich nur noch ein schwaches Abbild meiner Selbst. Als hätte der Funke der mich zu einem Menschen gemacht hatte, mit Stolz und Ehre ausgestattet, mich verlassen. Als wäre er zerbrochen und aus meinen Augen gewichen wie ein Feuer das ohne die Luft jämmerlich erstickte.
Doch bei mir hatte es einen Grund gehabt. Das alles war vor meiner Zeit hier gewesen.
Wieso also sah sie so aus? Wieso musste ich mitansehen wie das einzige Mädchen das ich vielleicht als eine Freundin bezeichnen konnte, oder eher als Leidensgenossin, so kaputt war wir es nur möglich war, einen Menschen zu zerstören?
Sie ging krumm, ihre Beine mehr gebogen als nötig und wollte einfach weiter gehen. Als hätte sie weder mich noch sonst irgendetwas um sie herum bemerkt. Ihr Gesicht war eingefallen und die Augen traten grösser heraus.
Bei ihrer Bewegung löste ich mich aus meiner Schockstarre und lief auf sie zu.
Nun drängte auch ich mich durch die Menge.
Aber nicht um irgend einem reichen Besucher sein Essen zu bringen sondern um mich um ein Menschenleben zu kümmern, das von all den anderen einfach übersehen oder nicht beachtet wurde.
Als ich sie erreichte, fühlte sich ihre Haut so bröckelnd an, als würde sie jeden Moment unter meinen Fingern zu Staub zerfallen.
Mein Herz zersprang, wer hatte ihr das angetan und wieso?
Und vor allem wusste ich, dass ich nie etwas dagegen tun könnte, ich war nur eine Frau, schwächer als jede Mann und erst Recht als diese die ihr das angetan hatten.
Das Einzige was ich wirklich für sie tun konnte, war ihr zu helfen:
Versuchen, ihr Narben zu verpassen.
Vielleicht hässliche Narben. Solche die niemals weg gingen. Aber dennoch waren sie besser als offene Wunden, die irgendwann zum Tod führten.
Als ich sie erreichte, sah sie nicht einmal auf. Es sah aus als wäre irgend ein Teil ihres Körpers so stark beschädigt dass dadurch ihre Seele, ihr Lebensfunken entwichen war.
Ich schluckte, in solche Augen zu sehen, die vor kurzer Zeit trotz des harten Schicksals noch so freudig ausgesehen hatten, war schwer.
"Amora..."
Sagte ich leise und wollte eine der zottigen kurzen Strähnen weg streichen. Doch kaum hatte ich die Hand gehoben riss sie ihre Augen auf, ein Sturm an Angst schien durch ihre Augen zu tosen bevor sie zurück zuckte und die Arme hob.
Geschockt verharrte ich so, bevor ich die Hand sinken liess.
Was musste nur mit ihr geschehen sein, dass sie so kaputt aussah.
"Ich tue dir nichts, ich bins nur. Daya. Komm, wir bringen dich weg von hier."
Ich ging neben ihr, darauf bedacht sie in keiner Weise zu berühren, um sie vor den Blicken der Bediensteten und Sklaven zu schützen, die ab und zu stehen blieben und sie anstarrten.
Ja, das konnten sie gut, doch nicht einer dieser hundert Menschen war imstande uns zu helfen.
Sie nickte nur schwach, doch wenigstens hatte sie verstanden, wer ich war, und dass ich ihr nur helfen wollte.
Sie liess sich von mir führen, machte kleine schmerzhafte Schritte und presste die vollen Lippen zu einem schmalen Strich zusammen.
Ihre dunkle Haut, kam mir so blass vor, das kräftige Schwarz war zu einem matten braun geworden. Und dennoch war sie noch schön, auch wenn sie sich nicht so fühlte.
Ich schob sie durch eine der Türen und half ihr, sich extrem langsam auf die Pritsche zu legen, die den Bediensteten für eine kleine Ruhepause zur Seite standen.
Dann setzte ich mich neben sie und wickelte die Decke um ihren Körper. Eigentlich wollte ich sie waschen, das hatte geholfen, bei mir jedenfalls. Man fühlte sich nicht mehr so eklig an.
"Alles gut, du bist bei mir, niemand macht dir mehr weh."
Versuchte ich sie mit ruhiger Stimme zu ermutigen. Doch sie zitterte weiter und senkte den Kopf.
"Was haben sie mit dir gemacht?"
Fragte ich leise und meine Abscheu stieg weiter, während ich auf diese zerbrochene Frau hinunter sah.
Amora regte sich, setzte sich gerader aus.
"Alles."
Flüsterte sie, ihre Stimme war rau.
Ich verstand es. Ich würde sie immer verstehen.
"Wieso?"
Flüsterte ich. Sie hatte nichts getan.
"Sie brauchen dafür keinen Grund."
Sie senkte den Blick und meine Lippen verzogen sich angeekelt.
Sie taten das einfach weil sie es konnten, sie bereiteten einer armen unschuldigen Frau solche Schmerzen, einfach ohne überhaupt einen Anlass dazu zu haben. Und Niemand hielt sie auf, weil jeder selbst dafür sorgen musste dass er überlebte.
So gerne hätte ich ihr geholfen, sie in ein besseres Leben geführt dass sie wirklich verdient hätte.
Doch auch ich hatte dazu keine Chance, wir waren kleine Würmer die sich im Sand wanden, unter den spitzen Schnäbel der Pfauen, vor denen es kein Entrinnen gab.
Lehnte sich ein Wurm auf und wurde auffällig, stürzten sich gleich alle auf ihn.
"Wie konnten sie nur, es tut mir so leid, ich weiss nicht wieso es genau dir passieren musste."
Ich hätte an ihrer Stelle sein können. Es wäre ihnen egal gewesen wär, sie brauchten nur Jemandem, einem Körper an dem sie alles auslassen konnte.
Diese Männer waren räudige Hunde. Sie verdienten es nicht, ihr Haupt aufrecht zu tragen. Sie sollten am Boden kriechen wie wertlose Maden.
Sie sah mich direkt an, und ich hörte in dem leisen Satz einen Vorwurf.
"Nicht alle haben das Glück, beschützt zu werden."
Es kratzte mich im Hals. Die Worte gefielen mir nicht.
Aber etwas Wahres hatten sie an sich. Mein Glück war unfassbar, eigentlich hätte mich das gleiche Schicksal ereilen können.
Es war Zufall gewesen, es war Glück oder Schicksal gewesen, dass ich mich hinter einer starken Schulter verstecken konnte.
Und obwohl ich darüber unglaublich froh war, musste ich mir eingestehen wie unfair das allen Anderen gegenüber war. Wie sie alles aushalten mussten und nicht eine Spezialbehandlung bekamen.
Ich hatte es verdient Glück zu haben, ich hatte vieles ausgehalten und es war nur recht dass es mir etwas leichter gemacht wurde. Doch sie hatten es auch verdient. Genauso wie ich, Jeder von ihnen.
Langsam begriff ich auch, wieso mich manchmal feindselige Blicke trafen, wenn ich durch die Gänge lief. Ich wurde besser behandelt als sie.
Und deshalb hassten sie mich.
Und es war verständlich, ich reagierte genauso.
Ena wurde behandelt wie die Prinzessin und ich musste sie bedienen.
Diese Sklaven mussten ertragen dass sie tagtäglich sahen dass sie auch an meiner Stelle hätten sein können. Aber dass sie stattdessen ohne jeglichen Rückhalt in dem Palast überleben mussten.
"Es tut mir leid..ich wollte Niemanden damit verletzten."
Sagte ich leise und begann ihre Haare zu kämmen.
"Ich hasse dich nicht Daya, dafür hat dich mein Herz zu sehr umschlossen. Aber Andere tun es, sie denken du tust es absichtlich."
Ich biss die Lippen zusammen und sagte nichts. Es war nicht wahr, jetzt war ich für die Reichen nur eine Sklavin, und die Menschen die so waren wie ich mochten mich nicht einmal.
Dann hob ich meinen Kopf wieder, spürte das Haar heiss an meinem Rücken kleben und versuchte stark auszusehen.
Amora hatte genug erlebt, sie war stark gewesen, diese Last konnte ihr jetzt Jemand von den Schultern nehmen.
"Komm, ich wasche dich."
Sagte ich sanft, so wie sie sass getraute sie sich anscheinend nicht einmal sich selbst anzusehen.
Unsicher sah sie mich an.
"Es wird dir gut tun."
Sagte ich und schleppte den rostigen Eimer heran, indem etwas lauwarmes Wasser darin war, genauso wie ein brauner Schwamm.
Keine Ahnung wer ihn vor uns benutzt hatte, aber das spielte keine Rolle, etwas anderes bekamen wir nicht.
Zögernd legte sie die Decke und das zerrissene Kleid ab, jedenfalls das was davon noch übrig war.
Ich versuchte sie nicht anzustarren.
Die Blauen Flecken und Schwellungen, sogar ihre Beine waren zerkratzt und Wund, ich wollte mir gar nicht vorstellen was sie durch gemacht hatte.
Trotzdem wollte ich es wissen. Um zu wissen wem ich den Tod wünschen würde. Ich würde wieder anfangen zu beten, allein für den Tod, den qualvollen Tod dieser Männer, die dafür verantwortlich waren.
Langsam setzte ich den Schwamm an und drückte ihn aus, während ich die Schichten des Schmutzes langsam von ihrer Schulter entfernte. Zuerst wollte sie zurück weichen, doch nach einigem Zureden liess sie es zu, dass ich diese eine Last von ihr nahm.
Das Gefühl würde bleiben, doch wenigstens musste sie sich nicht äusserlich selbst so sehen.
Ich arbeitete vorsichtig, darauf bedachte die wunde Haut nicht zum Bluten zu bringen, auch wenn der Schorf an einigen Stellen alt zu sein schien.
Was haben sie nur gemacht?
Ich wollte nicht fragen, ich wusste dass dann ihre Erinnerungen hoch kommen würden und das tat ich ihr nicht an.
Doch während ich ihren geschundenen Körper etwas zusammenflickte, etwas davon reinigte was ihr widerfahren war und sie da sass und sich nicht bewegte, sah ich dass sie wirklich Jemanden brauchte dem sie es erzählen konnte.
Der für sie da war.
"Sie haben mich angebunden, wie eine Ziege und ich wusste nicht, was ich machen sollte. Ich habe mich entschuldigt,falls ich etwas falsch gemacht hatte und gefleht, dass ich weiter musste um zu arbeiten.
Doch es hatte sie nicht interessiert."
Ich spürte eine warme Träne auf meiner Hand, während ich den Schwamm auswusch und schwieg, mich jedoch neben sie sass und die einigermassen warme Decke um sie schlang. Mein Körper begann zu zittern, so lebhaft erzählte sie die Geschehnisse. Ich hätte mir am liebsten die Ohren zugehalten.
"Ich hatte solche Angst vor dem, was sie mit mir tun würden, doch sie haben mich nur begutachtet wie Vieh das man kaufen konnten und wollten mir irgendwelche Nummern geben, die sie sich merken konnten."
Sie zitterte, sprach nicht weiter.
Ich sagte nichts und nahm sie nur in den Arm, sodass ihr Kopf an meiner Schulter lag, und sie sic abstützen konnte.
Damit sie die Nähe einer Freundin spüren konnte die ihr Halt gab.
"Sie hatten ihren Spass mit mir, alle drei, und wenn ich geschrien habe haben sie mir den Mund gestopft. Es tat so weh Daya."
Sie schluchzte und meine Augen waren starr nach vorne gerichtet. Es war grausam, es war nichts anderes ausser eklig und grausam. Mein Herz zerbrach als ich sie das erzählen hörte, und eigene Erinnerungen kamen hoch.
"Sssh, jetzt ist es vorbei, du bist in Sicherheit."
War sie nicht, niemand von uns war das. Aber ich musste ihr etwas sagen was ich damals gerne von Jemanden gehört hätte.
Ich strich ihr durch das kurze, lockige Haar.
Sie beruhigte sich wieder etwas, fand die Sprache wieder die sie verloren hatte, schluckte die salzigen Tränen runter.
"Danach haben sie auf den Boden unter mir gesehen und sind wütend geworden. Sie gaben mir die Schuld dass er schmutzig war und haben mich geschlagen und getreten, einer hat mir die Haare angeschnitten und damit musste ich alles aufwischen."
Es war unfassbar. Wie ein Mensch einen anderen Menschen behandeln konnte.
Wir rühmten uns immer, besser zu sein als die Tiere in unserem Reich. Weil wir unser Haupt zur Sonne erheben konnten. Doch brachten Tiere absichtlich in Kriegen hunderte Artgenossen um? Und führten sie lieblose und gewalttätige Beziehungen? Nein. Wir waren schlechter als Tiere. Menschen waren schlecht.
Mir wurde übel und ich unterdrückte es, mich vor Ekel zu übergeben.
"Das wird nie wieder passieren."
Sagte ich leise.
"Ist es aber. Zwanzig Nächte und Tage lang, bis vor kurzem hatte sich alles wiederholt. Ich war ihr Spielzeug. Ich versteckte mich doch sie haben mich immer gefunden. Und irgendwann haben sie mich einfach auf den Gang gestossen..und Niemand hat mir geholfen."
Ich wusste, dass es kein Vorwurf war, der an mich gerichtet war. Wenn, dann richtete er sich an alle Menschen des Palastes.
Trotzdem konnte ich nicht anders, als dass mir Tränen die Wangen hinunter liefen. Ich hatte sie alleine gelassen, war so sehr mit Asher und mir beschüftigt gewesen, dass ich nicht mehr auf sie geachtet hatte.
Ich hatte gewusst, dass sie verschwunden war und hatte mich auch gefragt wieso, doch etwas unternommen hatte ich nie. Und jetzt fühlte ich, wie die Schuldgefühle mich von innen heraus auffrassen.
Sie schluchzte leise auf, ich hörte ihr Wimmern und ihr Krauses Haar strich ich behutsam zurück.
"Du bist noch genauso wertvoll wie zuvor. Du bist nicht eklig und an nichts schuld."
Flüsterte ich leise.
Ich wusste wie ich es machen musste, all das musste ich mir auch einreden, weil ich sonst zerbrochen wäre.
Und jetzt musste auch Amora das aushalten. Nur viel schlimmer.
"Und dann musst du es vergessen.
Denke nie wieder daran zurück und bete dass ihnen ihre Strafe geschickt wird.
Dann lebe weiter und stehe auf, du bist eine Frau und du musst nie wieder daran erinnert werden.
Vergiss es."
Es war besser so. Wir konnten es nicht verarbeiten, diese Kraft brauchten wir um währenddessen nicht unter zu gehen, unter allem was wir leisten mussten.
Sie schniefte und ihr Körper schüttelte sich.
"Ich kann es nicht vergessen."
Weinte sie, ihr Verzweiflung raubte mir beinahe den Atem.
Sanft drückte ich sie an mich, sie war so zerbrechlich wie ich damals als ich hier angekommen war.
"Ich trage ein Kind in mir. Das spüre ich, ganz sicher. Von einem von ihnen. Und das heisst, dass ich für den Rest meines Lebens...", sie wurde von einem Schluchzer unterbrochen, "Dieses Gesicht ansehen muss."
Sie weinte lauter und mein Herz gefror.
Ich hatte es irgendwann in meiner hintersten Gedankenkammer verdrängen können, doch sie musste sogar noch mit ihrem Kind daran denken.
Das Wesen das ihr eigentlich Freude bereiten sollte.
Und jetzt war es nicht einmal aus Liebe entstanden: sondern nur aus Schmerz.
"Oh nein..."
Murmelte ich und wusste, was das für schlechte Voraussetzungen waren.
"Und wenn sie es erfahren, töten sie mich!"
Panik stand in ihrer Stimme als sie sich aufrichtete und sich auf dem Bett wand.
"Nein."
Entschlossen sah ich sie an.
Ich würde nicht zulassen dass sie auch noch bestraft wurde, dafür dass sie Mutter wurde.
Nach all dieser Ungerechtigkeit würde ich alles tun was ich konnte um ihr zu helfen.
"Wir verstecken es. Wir schaffen das, du und dein unschuldiges, wunderbares Kind werdet das schaffen, hast du mich verstanden?"
Ernst sah ich sie an, sie hatte eine Hand auf ihren Bauch gehalten. Die inneren Schmerzen die sie aushalten Musste konnte ich mir nicht vorstellen, doch trotzdem konnte ich ihr helfen.
"Ich danke dir, Daya. Du bist eine wahre Freundin."
Sie sah mich an und in ihren zersplitterten Augen regte sich ein kleiner Funken Hoffnung.
Keine Frage, die war zerstör worden, doch wenn sie auch nur anfing wieder leben zu wollen, konnte das das Zeichen für mich sein, dass sie nicht verloren war. Denn ich wollte sie und ihr Baby nicht aufgeben, ich hätte das damals sein können, und jetzt hatte ich die Chance Jemandem zu helfen, der Niemanden hatte ausser mich.
"Nein. Ich bin nur ein Mensch, genau wie du. Das sollte eigentlich der Grund sein wieso ich helfe. Doch leider vergessen viele zu schnell wer sie sind.
Denn die Hilfe eine Freundin sollte verständlich sein.
Kein Geschenk."
Ich weiss es ist ein ziemlich hartes Kapitel mit viel Denkstoff. Ich hoffe ihr kommt damit klar und verzeiht mir die Ausdrücke falls welche drin sind die euch stören, aber ich möchte es so schreiben, weil ich nicht überspielen will, das daraus nicht wieder ein happy Life wird. Damit ihr das seht, musste ich es nunmal so aufschreiben. Hoffentlich hat es euch etwas berührt ❥
Love
Angora77 ♡ ☽
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