Kapitel 5 -Gespräch bei Nacht, aber ohne Nebel-

Es war vor drei Tagen gewesen, dass Ada und ihr Vater Erik mich bei sich aufgenommen hatten und um ehrlich zu sein: Ada hatte recht behalten. Wegsgrün gefiel mir -sehr sogar.
Die Ruhe, die netten Leute, einfach alles. Aber vor allem die riesige, einzelne Buche mitten in dem kleinen Wäldchen, welches etwa einen halben Kilometer vom Dorf entfernt war. Dort saß ich gern auf einem der vielen Äste und sah mir mit Nyx die Sterne an.
Denn ich konnte sie leider nur abends, nachdem meine beiden Gastgeber zu Bett gegangen waren, besuchen -würde ich früher gehen bestünde Gefahr, dass mir jemand folgt und von meiner geflügelten Freundin erfährt. Tagsüber half ich in der Schmiede und im Dorf so gut ich konnte.
Erik hatte mir zwar versichert, dass es kein Problem für ihn sei, mich bei ihm wohnen zu haben, aber ich würde mich trotzdem schlecht fühlen ihm im Tausch nichts zurückzugeben. Also reichte ich ihm beim Schmieden die Werkzeuge und Schleifsteine, half der Heilerin dabei Kräuter zu sammeln und übernahm immer dann den Pflug, wenn einer der Bauern nicht mehr konnte.
So war ich nicht nur eine Hilfe für die Dorfbewohner, sondern lernte dabei auch noch viele nützliche Dinge.
Jetzt gerade saß ich wieder einmal im Geäst der Buche und unterhielt mich mit Nyx. Das lief dann ungefähr so ab: Ich erzählte ihr etwas, weil ich den Trick mit der geistigen Verbindung noch nicht ganz raus hatte und sie würde mir per Gedanken ein Bild oder eine Emotion als Antwort schicken, während sie auf meinem Schoß lag.
Nyx war aber inzwischen gerade so zu groß, dass sie es sich nicht mehr auf meinem Schoß wirklich gemütlich machen konnte, denn sie war in den vergangenen drei Tagen auf beinahe das Doppelte gewachsen. Das hielt sie aber natürlich nicht davon ab es trotzdem zu versuchen.
Ich erzählte ihr gerade wie man laut Heilerin Elena am besten Verbrennungen versorgte als ich, von einem Knacken hinter uns aufgeschreckt, herumwirbelte und dabei fast vom Ast fiel, während Nyx sich nach oben ins Blätterdach des Baumes flüchtete.
"Wer ist da!", rief ich bestimmt. Bitte lass es keine Orcs sein! Bitte lass es keine Orcs sein!
"Keine Sorge, ich bin es", antwortete mir die inzwischen vertraute Stimme Adas. Sie trat auf die Lichtung und sah sich erst um und dann zu mir hoch. "Mit wem habt Ihr denn geredet?"
Ihre Stimme klang weder fordernd, noch misstrauisch. Einfach nur verwundert. Was soll ich ihr denn bitte erzählen? Sie hält mich jetz bestimmt für verrückt -ich meine, ich würde das auch von mir denken-, aber ich kann ihr auch nicht die Wahrheit sagen!
"Ähm... ich-", Ich hab's!, "Ich hab mit Niemandem geredet, ich habe mir nur noch einmal eingeprägt was Frau Elena mir heute erklärt hat." Anscheinend war meine Erklärung zufriedenstellend, denn ohne ein weiteres Wort zu sagen kam sie auf die Buche zu und lehnte sich gegen den Stamm.
Ich legte mich in einer -der Grinsekatze aus "Alice im Wunderland" nicht ganz unähnlichen- Position auf den Ast unter mir und war nun selbst an der Reihe sie neugierig zu beäugen. "Wenn Ihr mir die Frage gestattet, aber was genau macht Ihr nachts hier draußen, Ada?"
Bei dieser Frage schien sie zu erröten und wandte ihren Blick beschämt gen Boden. "Nun ja, ich wollte wissen wo Ihr jeden Abend hingeht. Schon am ersten Abend ward Ihr einfach weg, als ich nochmal nach Euch sehen wollte. Ich dachte Ihr wolltet vielleicht einfach noch ein wenig die Umgebung erkunden, aber die letzten drei Abende ward Ihr auch nicht im Gästezimmer aufzufinden und da habe ich mir halt Sorgen gemacht. Wenn Euch irgendetwas stört könnt Ihr das gerne sagen, ich kann da bestimmt...", zum Schluss hin war sie immer leiser geworden bis sie schließlich nur noch unverständlich vor sich hin nuschelte.
Wie süß! Aber sie hat schon recht: Ich war bis jetzt jeden Abend erst sehr spät ins Bett.
Während ich am ersten Abend noch ein sicheres Versteck für Nyx gesucht hatte, war ich an den anderen drei Abenden damit beschäftigt gewesen, meine Fähigkeiten im Bereich der Magie zu testen. Und natürlich Nyx alles zu erzählen, was ich an diesen Tagen gelernt hatte oder was mich beschäftigte. Schließlich war unsere Verbindung noch zu schwach, als dass ich sie und sie mich über größere Entfernungen hinweg spüren konnte.
"Ada, es gibt kein Problem! Macht Euch meinetwegen bitte keine Sorgen. Ich mag es hier sehr", versuchte ich Ada, welche immer noch vor sich hin murmelte, zu beruhigen. Und es schien sogar einigermaßen zu wirken. Jedenfalls hörte sie auf rumzunuscheln und sah zu mir hoch.
"Wirklich? Ihr seht immer so ernst drein, da dachte ich-", fing sie erneut an, doch ich unterbrach sie mit einem warmen Lächeln auf den Lippen:"Ja, wirklich Ada. Wegsgrün ist wunderbar." "Obwohl Ihr es nicht mögt lang an einem Ort zu bleiben?" Diese Frage kam so überraschend, dass ich kurz stutzig wurde.
"Wie kommt Ihr denn darauf?" Ihre Antwort allerdings überraschte mich noch mehr:"Naja, Ihr habt mich doch bei unserem ersten Treffen gefragt ob es mir denn reicht, nie die Welt zu sehen. Da dachte ich Ihr hättet vielleicht schlechte Laune, weil Ihr schon so lange hier seid." Daran erinnert sie sich noch?
"Oh, aber mein Aufenthalt hier dauert doch erst ein paar Tage. Es braucht schon deutlich mehr als das, damit ich schlechte Laune habe", grinste ich ihr entgegen. Sie atmete erleichtert aus und sank am Stamm der Buche hinunter ins weiche Grass. Dort lies sie sich im Schneidersitz nieder und lehnte den Kopf an die kühle Rinde eben jenes Baums.
"Wisst Ihr, das beruhigt mich", sie machte eine kurze Pause und fuhr dann fort:"Ich mag Euch nämlich und ich hatte gehofft in Euch eine Freundin zu finden", sie sah zu mir hinauf und ihre braunen Augen schienen im Mondlicht regelrecht zu funkeln. Ich fühlte wie meine Wangen sich erwärmten und sah etwas schüchtern lieber meine Fingernägel an, als mit ihr Blickkontakt zu halten.
"Nun, das trifft sich ja gut. Denn ich mag Euch auch und ich würde mich freuen Eure Freundin zu sein." "Dann hört doch bitte auf mich so förmlich anzusprechen", kicherte sie und ich konnte aus dem Augenwinkel erkennen, wie sie mich anlächelte. Also wand ich meinen Blick doch wieder ihr zu und erwiderte ihr Lächeln. "Aber nur wenn Ihr auch aufhört."
Sie schien zu bemerken was ich meinte und fing an zu grinsen. "Wie du willst, Mika." Darauf konnte ich mir mein Grinsen auch nicht mehr verkneifen und ließ mich kopfüber vom Ast baumeln. Wir waren nun fast auf einer Augenhöhe. "Pass bloß auf, dass du dir nichts tust!", ermahnte sie mich, aber hatte noch immer ein Schmunzeln auf den Lippen.
"Keine Sorge, Ada. Ich falle schon nicht runter und falls doch, musst du mich halt einfach auffangen!", sagte ich unbesorgt. Sie lachte auf:"Du setzt definitiv zu viel Vertrauen in mich." "Nein, eigentlich nicht", erwiderte ich achselzuckend. Danach beugte ich mich nach oben, griff den Ast an dem ich hing und ließ mich runter baumel, bevor ich losließ und -nicht ganz so elegant, wie ich es eigentlich vorhatte- neben Ada im Gras landete.

Es waren nun schon einige Minuten vergangen in denen wir einfach nur an den Stamm der Buche gelehnt im Gras saßen und die Sterne beobachteten. Gelegentlich ließ Nyx mich über unsere Verbindung wissen, was sie davon hielt bei unserem allabendlichen Ritual gestört worden zu sein, aber ich konnte sie zum Glück mit viel -telepathischem- Ach und Krach beschwichtigen. Sie hörte zwar nicht auf, war aber viel weniger penetrant als zuvor.
Etwas Gutes hatte es aber: Es hielt mich davon ab einzuschlafen. Anders als Ada, welche nun regelmäßig atmend an mich gelehnt saß und eindeutig schon ins Reich der Träume abgedriftet war. Sie sieht so müde aus. Aber sie kann ja auch nicht hier draußen schlafen!
Nach kurzem Überlegen hatte ich einen Entschluss gefasst, dieser Schien meinem Drachen aber mächtig zu missfallen. >>Irgendwie muss sie ja nach Hause kommen! <<, versuchte ich ihr zu erklären, doch die Antwort war im Grunde nur "Dann weck sie doch!"
Da ich aber genau das vermeiden wollte, wandte ich mich Ada zu und ignorierte weitere genau so schlechte Lösungen von Nyx -sie konnte zwar noch nicht mit Worten kommunizieren, hatte aber trotzdem ein Talent dafür ihren Willen unmissverständlich zu machen.
Ich lehnte Ada also so sanft wie möglich gegen de Baum, bevor ich aufstand und mich kurz streckte. Danach drehte ich mich zu ihr um und kniete mich vor ihr ins Gras. Bitte wach nicht auf! Bitte wach nicht auf! Und tatsächlich wachte Ada nicht auf, als ich sie hochhob und im Arm hielt, wobei ihr Kopf an meine Schulter geschmiegt war.
Sooooo... Jetzt muss ich nur noch irgendwie mit ihr im Arm zurück ins Haus kommen. Und zwar am Besten so, dass Erik nicht wach wird. Na das kann ja witzig werden!

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