Kapitel 7
„Du weißt schon einiges." begann Raven. Sie hatte eine ausdrucksstarke aber auch ruhige Stimme und sah mir während sie sprach direkt in die Augen. „Du hast einen Teil der Königsehre in dir, Dawn. Der Teil, den das Schicksal zu vergeben vermochte. Damit bist du auserwählt eine große Legende zu werden." sagte sie und ich musste schlucken. So etwas hätte ich mir im Leben nicht vorstellen können, bis vor einigen Tagen hatte ich fest vor irgendwann das Dorf in den Eislanden zu leiten. Ich hätte dort die Pflichten meines Vaters übernehmen müssen und auch wenn das schon eine große Aufgabe war, kam sie mir vergleichbar klein vor, zu dem, was ich nun tun sollte. „Du hast diese Träume, richtig? Jemand spricht zu dir, du hörst die Person nur im Wind oder in den Wellen. Sie flüstert oder zeigt sich in den Wolken? - das ist das Schicksal. Wenn sich das Schicksal nicht direkt zeigt, gibt es Hinweise. Auch wenn es manchmal einfacher gewesen wäre, wenn man ihr direkt begegnet wäre, aber man muss die Zeitlinien einhalten, so wie sie für einen bestimmt sind." sagte Raven mit klarer Stimme. Ich verstand trotzdem inhaltlich nur die Hälfte, aber ich hörte weiter gespannt zu. „Der König der Schatten, der die Schatten kontrolliert, ist das Drachengebirge hinter Kalmhar'. Du hast es wahrscheinlich schon gesehen, aber noch nicht wirklich wahrgenommen – es ist schließlich nur ein Gebirge. Aber die Jahre, in denen der Drache schlafen sollte sind bald um und dann wird dieser König sehr wütend sein. Er hat zwar den Vertrag unterzeichnet gehabt, allerdings leidet das Gedächtnis und die Moral darunter, wenn man tausende Jahre in Stein eingeschlossen ist. Zudem in einer Gestalt eines Drachen, eines Tieres, das wirklich sehr launisch ist." sagte Raven. „Und was ist nun meine Aufgabe?" fragte ich leise, meine Stimme war etwas heiser geworden, jetzt, da wir langsam zu dem Teil kamen, an dem ich ins Spiel kam. „Der Drache wird erwachen, daran kann ihn nichts hindern. Aber wenn er erwacht ist, wird er die gesamte Welt zerstören, da bin ich mir sicher. Er wird den Schatten eine Möglichkeit bieten nach Sylvain zu kommen und sie dort dazu veranlassen, dass sie jeden Menschen der hier lebt gnadenlos ermorden. Du hast einen Teil der Königsehre, aber sie ist nicht vollständig. Um die Schatten aufzuhalten, muss sie vollständig sein. Ich denke, du weißt was deine Aufgabe ist um uns alle zu retten." sagte Raven und warf schwungvoll ihre glatten, schwarzen Haare nach hinten. „Den Drachen töten." murmelte ich leise. Raven nickte und nahm meine Hände in ihre. „Sicher, jeder könnte theoretisch den Drachen aufhalten. Aber dich rühren die Schatten nicht an, daher hast du einen Vorteil. Du hast die größte Chance es zu schaffen." sagte sie und schlug ihre Augen nieder, so dass man ihre unglaublich langen Wimpern noch deutlicher sah. „Ich glaube an dich!" sagte sie, dann stand sie auf und wechselte zu einem normaleren Ton. „Ich habe den Magier dieses Ordens dazu veranlasst seine Schriftstücke nach Informationen zu durchsuchen, wie man einen Drachen tötet." sagte sie nun. Ich nickte, bedankte mich und lies mir von ihr noch den Weg durch die endlos scheinenden Gänge zum Magier zeigen. Die Gänge und Räume waren fein säuberlich in den Stein gehauen, der offensichtlich den gesamten Untergrund der Wiese auf dem die Hütte stand ausmachte. „Das muss Jahre gedauert haben..." staunte ich, als Raven vor mir weg lief. Sie musste schmunzeln: „Ehrlich gesagt habe ich das alles innerhalb einiger Tage geschaffen." sagte Raven und ich sah sie verwundert an. „Es hat Vorteile die Tochter des Schicksals zu sein!" sie lächelte versonnen und griff sich kurz an ein wunderschönes Amulett, dass sie um den Hals trug, dann lief sie weiter. Bald schon waren wir in einem großen Raum angekommen, in dem die Wände nur aus Regalen bestanden. Überall standen Tränke, Bücher und Substanzen herum, die ein Magier eben brauchte. Auf den Arbeitstischen, die mitten im Raum standen, herrschte ebenso großes Chaos. Es gab auch viele seltsame Geräte, die ich nicht deuten konnte. Ein Trichter über einer Landkarte fiel mir als erstes auf, ebenso wie einige Statuen, die nicht so ganz in das Gesamtbild des alchemistisch gestalteten Raumes passten. Ein Mann flitzte im Raum umher, er war klein und hatte einen weißen langen Bart. Seine dunkelgrünen Augen suchten stetig die Tische ab und hier und da griff er sich ein Pulver oder eine Flüssigkeit um sie in einen großen Topf zu schütten. Als er Raven erblickte, unterbrach er sofort seine Arbeit und begrüßte sie. „Guten Tag, Raven!" sagte er zu ihr. „Lange nicht gesehen! Seit dem du unseren Unterschlupf ausgebaut hast wird es immer schwieriger alle beieinander zu haben, findest du nicht?" er grinste. „Es ist einfach zu ruhig da draußen – gäbe es Probleme, bräuchten wir deine Hilfe viel mehr!" sie lachte. „Aber wie du siehst ist es nicht ganz so ruhig da draußen... oder das wird es bald nicht mehr sein." sie warf einen Blick auf mich. Sofort sah der Magier mich an und musterte mich. „Dawn – hab ich Recht?" fragte er mich. Ich hatte aufgehört nachzudenken woher die Leute meinen Namen wussten. Schließlich war ich im Orden der Diebe gelandet und auch wenn er erst sein ein paar Jahren wieder agierte, wusste ich, dass sie für ihre Illusionsmagie bekannt waren.
Ich musterte den Magier, er erinnerte mich an jemanden. Seine Gesichtszüge glichen dem Schamanen. Da fiel mir ein, dass dieser mal erwähnt hatte, dass er die magische Verwandlung seines Schiffes von seinem Bruder gelernt hatte. Könnte der Magier hier der Bruder des Schamanen sein? Auch die Sprechart war relativ gleich. Doch sofort wurde ich wieder aus meinen Gedanken gerissen. Shaitan, der lässig auf einer Art Krankenhaus liege saß, winkte mir lächelnd zu. Neben ihm saß ein Mädchen, dass etwas älter zu sein schien, als er. Sie hatte kastanienbraunes Haar, das etwas ins rötliche verlief. Auch sie lächelte mich warm an, während sei in eine Scheibe Brot biss.
„Ich habe etwas über das Drachentöten herausgefunden..." sagte der Magier sofort und lief zu einem großen, in braunem Leder gefassten Buch. Er schlug schnell eine Seite auf und winkte mich dann zu sich. Es war ein Buch der alten Sprache, die ich leider nicht beherrschte. „Ich habe etwas gebraucht bis ich alles verstanden habe, aber inzwischen habe ich einen Großteil der alten Sprache gelernt und kann dir ganz genau erklären was auf dieser Seite steht. Es ist ein Buch eines Schmiedes, er hat einige Schwerter beschrieben. Die Drachenschwerter sind aus den Knochen eines Drachen gefertigt, den man vor langer Zeit in der Rubinstadt getötet hatte. Drachen sind selten und so weit ich weiß, gibt es sie nicht in freier Natur. Man muss in einen verwandelt werden. Jedenfalls sind alle diese Drachenschwerter verschollen und laut diesem Buch nur noch bei einer Person in ganz Sylvain zu finden." sagte er. „Der Wächter der Zeit." sofort drehten sich alle Köpfe zum Magier, obwohl Shaitan und das Mädchen neben ihm eben noch so angeregt diskutiert hatten. „Noch eine Legende, die wirklich wahr ist." sagte der Magier und musste grinsen. Offensichtlich bestand mein ganzes Leben aus Legenden, die man für unsinnig gehalten hatte. Die Eislanden, die Schatten und jetzt auch noch den Wächter der Zeit. Ich hatte noch nie von dieser Person gehört, aber sie hörte sich geheimnisvoll an. „Über den Wächter der Zeit ist nur so viel bekannt, dass er hier und dort erscheint um die Zeitlinien zu Gunsten des Schicksals zu richten. Wird eine Zeitlinie nicht eingehalten, dann überbringt er Botschaften, vermittelt den Menschen was passiert wenn sie die Zeitlinie nicht einhalten oder tötet sogar Menschen um Alles wieder in seine Bahnen zu lenken.
Allerdings kann ich dir leider nicht sagen wie er aussieht, wo er die Schwerter hat oder ob er überhaupt ein Mensch ist." sagte der Magier. „Und wie komme ich dann zu ihm?" fragte ich ihn dann. „Wir brauchen das Schwert bevor der König erwacht, daher würde ich sagen, dass wir egal was wir tun es schnell angehen sollten." sagte Raven, die noch im Türrahmen stand. „Richtig." nickte der Magier. „Man sieht den Wächter der Zeit nur selten, aber wenn – dann sieht man ihn dabei, wie er eine Zeitlinie wieder in Ordnung bringt. Daher müssen wir eine Zeitlinie vom Weg abbringen, die ihm wichtig ist. Spätestens dann wird er sich zeigen müssen und dann entführen wir ihn sozusagen." sagte der Magier. „Ich werde einige Zeit brauchen um eine Zeitlinie zu finden, ich bin schließlich nicht der Wächter der Zeit, der die wahrscheinlich im Schlaf weiß. Auch du hast eine Zeitlinie, schließlich wirst du eine Legende werden. Jeder Mensch hat eine vorgefertigte Zeitlinie. Allerdings ist dem Wächter der Zeit eine Zeitlinie eines bevorstehenden Königs oder ähnliches wichtiger als ein Bauer, der von seiner Zeitlinie abweicht." sagte der Magier und streckte sich. „Na los, ich werde recherchieren müssen." sagte er und scheuchte Shaitan aus dem Raum. „Ich werde mit dem Schicksal reden, vielleicht bekomme ich heraus, wie viel Zeit wir noch genau haben bis sich der Drache erhebt." sagte Raven und nickte allen im Raum huldvoll zu, dann drehte sie sich um und schritt erhobenen Hauptes durch die Gänge davon. „Sheen?" rief der Magier etwas zu laut nach dem Mädchen neben Shaitan. „Ich bin doch hier!" sagte sie lachend. „Ah, tut mir leid. Bringst du mir mal alle Bücher die du über das Adelshaus Pycah findest?" fragte er sie. Sie sprang schnell von der Liege auf, verdrehte zwar kurz die Augen, dann ging sie aber die Bücherregale durch.
„Wir sollten sie in Ruhe arbeiten lassen, dann kommen sie schneller vorran.." sagte Shaitan und ich nickte. Da hatte er Recht, ich hoffte, dass Raven herausfand das wir noch etwas Zeit hatten. Ich brauchte die Zeit um das Ganze zu realisieren.
„Warum hast du mir eigentlich nicht von Anfang an erzählt, dass du im Orden der Diebe bist und mich ganz einfach zu Raven bringen kannst?" fragte ich Shaitan, als wir am Nachmittag am Fenster saßen. Ich lies meine Beine aus dem offenen Stück der Wand baumeln und beobachtete die Wellen unter mir, während Shaitan neben mir im Schneidersitz saß. „Ich weiß es nicht genau...vielleicht eine Vorsichtsmaßnahme. Ich hielt es irgendwie für angemessener." sagte er lächelnd. „Und außerdem hättest du mir nie geglaubt, dass der erst beste Mann den du auf der Straße ansprichst der Sohn der Tochter des Schicksals ist!" sagte er dann lachend und trank einen Schluck Wein. Ich nickte nur lächelnd, das hätte ich wirklich nicht. Jetzt hatte ich auch die Bestätigung – Shaitan war der Sohn von Raven, was ich eigentlich viel früher hätte bemerken sollen. Sheen war wohl seine Schwester, schließlich war die Ähnlichkeit unverkennbar. „Und ich wollte nicht, dass du schlecht von mir denkt – wir Diebe haben einen nicht gerade guten Ruf." sagte er noch etwas leiser. „Solange du mir nichts stiehlst ist alles in Ordnung!" sagte ich und zwinkerte ihm zu.
Es war der Nächste Morgen, als Raven aus einem ihrer Räume kam. Sie hatte diesen mit Teppichen ausgelegt und mit Kissen geschmückt. Dort hatte sie am Tag zuvor stundenlang gesessen und ihre Kette wie eine heilige Reliquie in die Luft gehalten. Die Augen verschlossen saß sie dort wie ein Stein und niemand hatte es gewagt ihr zu Nahe zu kommen. Ich selbst hatte in einem eigenen Zimmer geschlafen, Shaitan hatte erzählt, dass bis vor ein paar Jahren alle in einem Raum geschlafen hatten, aber seine Mutter sich nach einigen unruhigen Nächten entschlossen hatte, einzelne Räume zu gestalten. Das Bett, das ich bekommen hatte, war warm und weich gewesen. Wollen hatten wir in den Eislanden nie bekommen, schließlich hatten wir keine Schafe und die Rohstoffe, die der Schamane mitgebracht hatte, waren kaum Luxusartikel. Diese Decken waren jedoch nicht aus Fell, wie ich es gewöhnt war, sondern aus Wolle, die tausendmal wärmer hielt.
Ich saß im Aufenthaltsraum herum, in einem der kuscheligen Sessel und hatte mir von dem Wirt, der die kleine Bar bewirtschaftete, etwas Wasser einschenken lassen. Ich drehte mich sofort um, als Raven zu mir kam. „Du hast noch genau zwanzig Tage Zeit, das Schicksal war gnädig und hat mir die genaue Zeitangabe genannt." sagte sie lächelnd. „Jetzt müssen wir nur noch warten, bis der Magier seinen Plan ausgearbeitet hat." Schnell schritt sie davon, ich konnte nur noch aus weiter Ferne hören, wie sie Mitglieder des Ordens korrigierte oder sie zur Arbeit antrieb. Es war schon ein schönes Leben hier, besonders, weil der Orden in seiner Blütezeit war. Wenn man sich hier umsah, war es offensichtlich, dass hier nicht in Armut gelebt wurde, auch wenn ich wusste, dass viele der Diebe hier von der Straße kamen. Aber seit dem Raven den Orden zu neuem Glanz gebracht hatte, konnten sie sich vor Aufträgen gar nicht mehr retten. Es gab schon immer viele Menschen, die sich gerne etwas beschaffen wollten, das nicht Ihres war, aber dennoch nahm der Orden der Diebe nur die Aufträge an, die sie für wichtig und gerecht hielten. Diebe waren im Dorf immer unerwünscht gewesen, da hatte mein Vater immer hart durchgegriffen. Es kam selten vor, aber ich hatte schon miterlebt, wie er Dorfbewohner vor die Tore geschickt hatte, wenn diese einander bestohlen hatten. Man hatte sie den Schatten quasi zum Fraß vorgeworfen, ausgleichende Gerechtigkeit war dies allerdings keineswegs. Desto länger ich von den Eislanden weg war, desto weniger vermisste ich sie. Ich hatte mich an den Freiraum ohne meinen Vater und das milde Wetter gewöhnt und fand es hier richtig schön. Es war aufregend, eine so neue Welt kennen zu lernen. Wen ich allerdings vermisste war Alecia. Allerdings vermisste ich ehrlich nur die alte Alecia, die den Mut gehabt hatte, meinem Vater ins Gesicht zu sagen auf welcher Seite sie stand und die, die freiwillig einen so weiten Weg nur für ihre Freundin gegangen war. An die Alecia, die zitternd in der Ecke saß, wollte ich mich gar nicht erinnern. Ich fragte mich immer noch, was mit ihr los war, doch ich begriff schnell, dass ich an ihrem Tod nichts mehr ändern könnte. Sie war ganz einfach weg, nicht nur tot, sondern auch weg. Sie hatte sich aufgelöst, doch das Geheimnis das sie umgab, konnte ich nicht lösen. Der Mann war weg, ebenso wie sie. Ich hielt mich nicht weiter bei dem Gedanken aus, sondern lief durch die Gänge in denen ich mich besser und besser auskannte. Bald schon kam ich beim Magier an, der zusammen mit Sheen über einigen dicken Büchern lag. Hin und wieder diktierte er Sheen etwas, das sie mit blauer Tinte auf ein angegilbtes Stück Pergament aufschrieb. Vor ihr lag schon ein Berg mit Papier, von dem sie die Hälfte wieder zusammengeknüllt oder durchgestrichen hatte. „Sooo, dann haben wirs doch!" sagte der Magier gerade als ich den Raum betrat. Während er über das ganze Gesicht grinste, sah Sheen völlig fertig aus. Sie hatte wohl mehr Arbeit gehabt als er. „Du kommst gerade Recht, wir sind fertig mit dem planen!" sagte der Magier und hielt mir die Seiten unter die Nase. Ich half ihm die zerknüllten und durchgestrichenen Papiere zu entsorgen und hielt bald nur noch einige Seiten in der Hand. Zusammen gingen wir zum runden Steintisch und riefen Raven zu uns. „Setzt euch Kinder, ich habe einen Plan!" sagte der Magier sofort und machte eine ausladende Handbewegung. Wir setzten uns alle an den Tisch und hörten ihm zu, während er sprach. „Die Familie Pycah gilt als besonders vom Wächter der Zeit geleitet, da es angeblich eine Familien-Zeitlinie gibt. Irgendwann muss ein bestimmter Mensch geboren werden, damit sich eine bestimmte Prophezeiung erfüllt – so ist das bei Familien-Zeitlinien. Das aktuelle Adelshaus besteht aus einer riesigen Familie. Die Witwe Corenzia leitet ihren Verwaltungsbereich in der Rubinstadt streng aber gerecht, ihr Mann ist schon seit Jahren verstorben und hat ihr vier Söhne hinterlassen. Zudem gehören zu der Familie ihre beiden Schwestern und die Tochter von einer der beiden. Die restlichen verbliebenen dieser Adelsfamilie befinden sich über das Land verbreitet und sind verarmt. Jedenfalls besitze ich einige Schriftrollen über diese Familien-Zeitlinie, da ein eifriger Wissenschaftler den ich sehr gut kenne einst über diese Familie geforscht hat. Ihr müsst wissen, dass viele an der Identität des Wächters der Zeit interessiert sind. Sicher ebenso viele, wie die, die denken es gäbe ihn gar nicht." sagte der Magier und strich sich durch seinen Bart. Es war still geworden, wir alle lauschten seinen Erzählungen und sogar die Diebe die nur ihre Aufträge abgaben oder annehmen wurden bei der Stimme des Magiers ganz still und schlichen vorbei um ihn nicht zu stören. „Die Zeitlinie scheint jedenfalls sehr wichtig zu sein und um den Wächter der Zeit zu finden, müssen wir sie unterbrechen. Deshalb müssen wir das Ziel der Zeitlinie unerreichbar machen – und wie schafft man es, das ein bestimmter Mensch nicht geboren wird?" fragte er in die Runde, doch redete sofort weiter. „Richtig, wir müssen die Beziehungen aller vier Söhne zerstören. Ja, das klingt hart, aber da ich nicht weiß bei wem die Zeitlinie weitergehen wird müssen es wohl alle sein." sagte er und stieß Luft durch seine Nase aus. „Und wie sollen wir das machen? Wir können ja schlecht die Geliebten aller vier Söhne umbringen..." sagte Shaitan und seine Schwester sah ihn empört an. „Ihr müsst sie nicht gleich umbringen, da gibt es viele Möglichkeiten..." sagte Raven. „Genau, ihr könnt sie zum Beispiel hinter Gitter bringen oder ihren Ruf zerstören, sodass der Sohn sie verlässt. Lasst euch etwas einfallen, wie wir wissen haben wir nur noch einige Tage Zeit." sagte der Magier nun. „Alles klar, ich gebe euch die Aufzeichnungen und Beobachtungen die Spione bereits über das Adelshaus und die vier Söhne zusammengetragen haben." sagte der Magier und zog ein Pergamentstück hervor, das er zusammengefaltet hatte. „Lest es ruhig auf der Fahrt – ihr müsst sofort losfahren, schließlich ist es ein weiter Weg bis zur Rubinstadt, selbst wenn ihr mit unserer verzauberten Kutsche fahrt." sagte er. Ich nickte nur, langsam hatte ich verstanden was er meinte. Wenn es so wichtig war, dann würden auch ein paar zerstörte Beziehungen zur Rettung der Welt beitragen müssen. „Wir werden einen kleinen Trupp zusammenstellen, Dawn, du brauchst auf jedenfall Unterstützung. Allerdings musst du bei jedem Schritt der Pläne dabei sein, schließlich bist du diejenige, die den Wächter der Zeit unbedingt finden muss. Shaitan kommt auf jedenfall mit dir, er der beste Kämpfer den ich ausgebildet habe und wird für deinen Schutz sorgen." sagte Raven. „Anya und Velene werden euch begleiten, sie uns unsere besten Spione. Die Planung liegt nun in eurer Hand." sagte Raven noch und stand auf. „Die beiden sind schon bei der Kutsche!" rief sie uns noch zu, dann verschwand sie wieder hinter einer dicken Steinwand. Bereitwillig holte ich meine Tasche aus meinem Übergangs-Zimmer und lief hinter Shaitan, der ebenfalls schnell seinen sieben Sachen gepackt hatte den Gang und die Leiter hinauf an die Frische Luft. Oben schien die warme Mittagssonne auf meinen Kopf und das grüne Gras bewegte sich wie zu einer Melodie im Wind. Vor der Hütte, die anscheinend wirklich nur zur Tarnung war, stand neben dem Stall eine Kutsche, deren Räder bläulich glitzerten. Gerade wurde ein schneeweißes, schlankes Pferd aufgezäumt und vor die Kutsche gespannt. Es war groß gewachsen und wahrscheinlich als Reittier ungeeignet, aber die Kutsche würde es ziehen können. Die Muskeln bildeten sich unter der Haut ab und ließen das Tier elegant aber kräftig wirken. Erst als die beiden Gestalten in einfacher, schwarzer Leinenkleidung sich umdrehten und mir zuwinkten, erkannte ich, dass es sich um Kinder handelte. Die beiden Mädchen hatten dunkelblondes bis braunes Haar, das in Korkenzieherlocken unter ihren Kapuzen herauslugte. Shaitan stieg auf den Kutschbock und zwinkerte mir noch zu, bevor ich in die Kutsche stieg, die wesentlich eleganter als der Wagen der Karawane war. Anya und Velene stiegen zu mir hinten ein und breiteten sich sofort auf der Bank mir gegenüber aus. „Und ihr seid die besten Spione des Ordens?" fragte ich ungläubig, auch wenn ich die Kleinen ganz niedlich fand. Die beiden sahen mich aus ihren blauen Augen freundlich an, aber dennoch lag der Ausdruck in ihren Augen, den jeder aus dem Orden der Diebe hatte: eine Art Rätselhaftigkeit. Die ältere der Beiden hatte mir Shaitan beim Einsteigen als Anya vorgestellt, ich schätzte sie auf etwa neun Jahre. Ihre Zwillingsschwester sah genau so aus wie sie, nur etwas jünger. Sie war knapp sieben Jahre alt und deutlich größere Kulleraugen. „Manchmal ist es nicht wichtig kämpfen zu können, sonder klein und schnell zu sein!" sagte Velene mit ihrer hohen Stimme und zwinkerte mir zu.
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