10. Gespräche

Mik und Dennis neben mir lächelten freundlich und begrüßten den Fremden und auch auf Tobis Gesicht schlich sich ein Lächeln. Sofort verglich ich in Gedanken sein vollständiges, perfektes Lächeln mit meinem, das höllisch weh tat und noch dazu schrecklich verkrüppelt aussah. Ja, Tobi war hübsch, wenn er lächelte, wohingegen ich jegliche Schönheit erfolgreich ausradiert hatte. Ich war nur noch ein entstellter Omega, ein Omega, den niemand mehr wollen würde, ein wertloses Nichts. Und ich war froh darum, hoffte, dass all die Schikane, all die Übergriffe nun ein Ende hatten. Tatsächlich konnte ich schon wieder beobachten, wie beide Alpha sofort meinen Omega-Freund abcheckten, als er zu lächeln begann, und am liebsten hätte ich in diesem Moment beiden den Hals umgedreht. Egal, was Tobi dachte, beide waren nicht anders als all die Alpha, die wir kannten. Aber dieser schien gerade in der Tat gar nichts zu denken, stattdessen lächelte er bloß verliebt den einen Alpha an. Tatsächlich musste selbst ein Blinder merken, wie verschossen mein bester Freund war. Ich konnte mir gerade so ein genervtes Aufstöhnen verkneifen. Warum? Warum fiel Tobi tatsächlich auf diese Alpha-Masche rein? Selbstbewusst lächeln, ihre Überlegenheit betonen, dem Omega klar machen, dass er gar keine andere Wahl hatte, als sich dem hinzugeben. Und schon hatte ein Alpha, was er wollte.

Ich hatte immer gedacht, Tobi wäre anders, würde auf so etwas nicht hereinfallen, wüsste er besser. Ich hatte gedacht, er sei nicht wie diese hirnlosen Omega, die blind und taub an ihren Alpha hingen und keinen eigenen Willen mehr zu haben schienen, während ihre Partner sie herumschubsten und ausnutzten, wie sie wollen.

Schien so, als hätte ich mich getäuscht.

Wütend blitzte mein Blick zu Veni, in der Erwartung, seine gierigen Musterungen sehen zu müssen. Ich konnte es nicht ertragen, wenn ein Alpha mich oder einen meiner Freunde abscannte, unsere Körper auscheckte und prüfte, was zu holen war. Umso überraschter war ich, als Rafi keineswegs den Körper meines besten Freundes musterte. Zwar schien auch er nur Augen für den braunhaarigen Omega zu haben, jedoch strich sein Blick gerade langsam über dessen Gesicht und blieb schließlich an seinen Augen hängen. Tobi lächelte noch stärker und senkte leicht verlegen den Blick. Seine Wangen färbten sich rot. Okay, ihn hatte es wirklich erwischt. Mein bester Freund hatte sich verliebt. Verliebt in einen Alpha. Und dennoch hatten Venis Blicke mich gerade zum Überlegen gebracht. Er schien es nicht nur auf Tobis Körper abgesehen zu haben, ansonsten hätte er seinem Gesicht wohl kaum so große Aufmerksamkeit geschenkt. Zumindest hatte das kein Alpha zuvor getan. Nein, stattdessen hatte er Tobi nur in die Augen gesehen und tat es immer noch. Fast schon... verliebt? Konnte das sein? War Veni vielleicht tatsächlich anders als die Alpha, die wir kannten? War er wirklich an Tobi interessiert, an der Person, dem Menschen, dem Charakter und nicht nur an seinem Körper? Konnte das sein? Ich riss meinen Blick von den beiden Jungs los, die sich gegenseitig so verliebt betrachteten. Gleich darauf kam Tim in mein Blickfeld, der breit grinste. Mit dem Mund deutete er leichte Kussbewegungen an und nickte dann in Tobis und Venis Richtung. Ich musste wider Willens grinsen.

Ja, ich grinste, und der Grund dafür war ein Alpha. Und ich hasste es. Er war ein Alpha, er war kein Stück besser als alle anderen und trotzdem hatte er mich gerade zum Grinsen gebracht. Zum extrem schmerzhaften Grinsen wenn man schon einmal dabei war. Ich merkte, wie seine Gesichtszüge sich wieder verfinsterten und ohne Vorwarnung rutschte er ein Stück näher an mich und die Betas heran, was Tobi und Rafi nicht einmal zu merken schienen, viel zu beschäftigt damit, abwechselnd sich und den Boden zu mustern, wie sie waren. Veni rupfte nervös ein Grasbüschel nach dem anderen aus. Sie hatten beide miteinander zu sprechen begonnen und ich schnappte ein paar der leisen Worte auf, konzentrierte mich aber sofort wieder auf den zweiten Alpha, Tim, der mir gerade bedrohlich nahe kam. Er saß nun fast direkt neben mir, was mich so sehr erschrak, dass ich sofort weg rutschte. Sein Blick wurde kurz von irgendwelchen Emotionen unterbrochen, die ich nicht deuten konnte, direkt daraufhin aber wieder freundlich.

»Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken.«, murmelte er leise und ich sah vorsichtig zu Dennis und Mik, die auch beide gerade dabei waren, sich zu unterhalten, dabei aber ihre Blicke nicht von Tobi und mir ließen. Sofort fühlte ich mich etwas sicherer. Ich brummte bloß als Antwort, doch der Alpha gab nicht auf.

»Kann ich dich was fragen? Du musst mir nicht antworten, wenn du nicht willst.«

Ich sah ihn irritiert mit einer hochgezogenen Augenbraue an. Seit wann hatte ich bei einem Alpha bitte eine Wahl, ob ich etwas tun wollte? Nein, verarschen konnte ich mich selbst. Auch wenn er gerade so freundlich tat, wenn mir meine Gesundheit lieb war sollte ich besser auf seine Frage antworten, das wusste ich. Ein Omega hatte zu tun, was ein Alpha von ihm verlangte. Ansonsten würde er es schmerzlich bereuen, das wusste ich mehr als alles andere. Und trotzdem nickte ich, ich konnte und wollte nicht schon wieder kämpfen. Wenigstens ein paar Minuten lang meine Ruhe haben, selbst wenn das hieß, nicht von Grund auf gegen das zu sein, was ein Alpha von mir verlangte.

»Es wurde heute viel von dir gesprochen. Ich gebe aber nicht sonderlich viel auf Gerüchte. Stimmt es, dass du das selbst getan hast?«

Er deutete vorsichtig auf mein Gesicht, auf die tiefen Wunden, die meine eine Gesichtshälfte zerfetzten. Ich zuckte mit den Schultern.

»Mag sein.«, antwortete ich unbestimmt, aber ihm schien es zu reichen.

»Warum?«, fragte er vorsichtig. Sofort funkelte ich ihn wütend an. Von der Erschöpfung, die mich eben noch ergriffen hatte, spürte ich schon nichts mehr.

»Warum solle ich es dir erzählen? Damit du dich über mich lustig machen kannst? Damit die ganze Schule sich über mich lustig machen kann? Damit Max noch eine Sache mehr hat, mit der er mich fertig machen kann? Reicht es nicht irgendwann? Habt ihr nicht irgendwann einmal genug?«

Meine drei Freunde und beide Alphas starrten mich jetzt an. Nervös drehte Rafi seinen Haarknoten am Hinterkopf zwischen den Fingern und auch Mik strich über die rasierten Linien in seinem Undercut, eine Angewohnheit, die ich bei ihm schon oft beobachtet hatte. Keiner Sagte ein Wort, bis Tim erneut seine tiefe Stimme hob.

»Max? Max ist daran schuld, oder?«

Ich funkelte ihn nur an, fest entschlossen, kein Wort zu sagen.

»Ich wusste es. Fuck, er übertreibt es wirklich. Er war schon immer eingebildet und selbstbezogen, aber ich hätte nie gedacht, dass er einmal jemanden zu sowas bringen würde. Es tut mir so leid, Stegi.«

Ich sah nur irritiert in die Richtung des Alphas, versuchte, sein Gesagtes einzuordnen.

»Du kennst Max schon lange?«, fasste Dennis die Gedanken zusammen, die sich auch in meinem Kopf gerade herauskristallisierten. Tim nickte und wirkte, als wüsste er nicht, wo er hinsehen sollte. Ich bekam mit, wie Veni ihm einen ermutigenden Blick zuwarf.

»Ja. Max ist mein Bruder


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An die Autorin:

Wieso ist Stegi der Omega und Tim der Alpha? Gab es für diese Entscheidung einen bestimmten Grund?

Um ehrlich zu sein habe ich nie groß darüber nachgedacht. Ich hänge einfach an dem Bild des kleinen, zierlichen Stegis und das hätte nunmal wirklich nicht in die Rolle eines Alpha gepasst. Für mich war diese Verteilung von Anfang an klar.


An »das System oder so«:

Es ist ja ziemlich unlogisch dass es Frauen gibt da beide Geschlechter Kinder bekommen können. Gibt es denn biologische Unterschiede bei der Zeugung und Anwachsen des Kindes? Mann und Frau sind ja doch etwas unterschiedlich...

Das System: Äh... Ich glaube ich gebe die Frage einmal weiter an einen meiner Kollegen, die Evolution...

Die Evolution: Ziegen, Ziegen. Die Ziegen mutieren! Wir brauchen mehr Löwen! Hat mal wer ein Auge auf die Kaktusfeigen, die bauen schon wieder irgendeinen Unsinn! Maaaaaaan, die Ziegen bringen mich noch um den Verstand!

Das System: Okay, sorry. Die Evolution ist vielbeschäftigt. Dann versuch ich dir zu helfen: Also, früher haben nur Frauen Kinder kriegen können. Irgendwann hat sich das aber geändert, warum genau könnte dir die Evolution sagen. Aber du hast es ja gehört, die Ziegen... Auf jeden Fall gab es kaum große Nachteile der Geschlechtertrennung, also gab es keinen Grund, dass sich eines der Geschlechter zurückentwickelt haben sollte. Allerdings hat sich das männliche Geschlecht in den letzten Jahrhunderten stark durchgesetzt und dominieren inzwischen mit 95% den Gesamtanteil. Ich weiß nicht genau, was in Zukunft passieren wird, aber ich könnte mir vorstellen, dass das weibliche Geschlecht in den nächsten Jahrhunderten zurück entwickeln und schließlich aussterben könnte. Aber genaueres weiß mal wieder nur unsere viel beschäftigte Evolution.


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