𝟓 - 𝐏𝐚𝐭𝐫𝐢𝐜𝐤
Ich musste zugeben, dass ich sehr verwirrt war, als der hübsche Lockenkopf beinahe fluchtartig das Weite suchte. Nachdenklich sah ich ihm hinterher und überlegte, was ich wohl falsch gemacht hatte.
Seufzend begab ich mich an den Rand der tanzenden Leute, sah ihnen zu und dachte an Ander. Sollte ich ihm nach gehen? Er schien vor mir wegzulaufen, also war das vermutlich keine so gute Idee, doch ich war noch nicht bereit dazu, aufzugeben.
Ich nahm mir noch ein Glas Champagner und trank einen Schluck. Genüsslich ließ ich die Flüssigkeit meine Kehle hinunter rinnen, schloss die Augen, denn wenn ich dies tat, konnte ich mir vorstellen, überall auf der Welt zu sein. Ganz egal wo, auch wenn ich gerade nur in Gesellschaft des hübschen Spaniers sein wollte.
Ich ertappte mich dabei, wie meine grünen Augen die Gegend absuchten in der Hoffnung, ihn doch noch zu finden.
Plötzlich tauchte meine Schwester neben mir auf. Sie sah mich nicht an, als sie zu sprechen begann.
»Musste das sein? Kannst du dich denn nicht ein einziges Mal zusammen reißen und dich nicht wie ein hormongesteuerter Idiot verhalten?«
Ich kniff meine Lippen zusammen. Wäre doch bloß meine Mutter noch hier. Die hat mich geliebt. So wie ich war. Klar, früher war ich nicht so. Ich hatte an die wahre Liebe geglaubt, tat es eigentlich auch immer noch, doch irgendwie musste ich mich ablenken. Alles andere würde zu sehr weh tun.
»Danke, eigentlich reicht es mir schon, dass Benjamin immer auf mir herum hackt und versucht, mich in eine Rolle zu drängen, wo ich gar nicht hinein will. Musst du jetzt allen Ernstes auch damit anfangen?« Ich blickte Ari von der Seite an, sah, wie sie schwer schluckte. Wir alle hatten unser Päckchen zu tragen. Es war nicht leicht. Für keinen von uns, aber diese ständigen Streitereien innerhalb unserer Familie machten mich noch kaputt.
Wortlos ging ich davon. Ich wollte gar nicht wissen, was sie zu sagen hatte. Bestimmt war es bloß Geschwafel, um mich wieder zu beruhigen, damit ich am Ende doch brav das tat, was Benjamin und sie von mir erwarteten. Nein, ich wollte nicht nachgeben. Diesmal nicht.
So schnell meine Beine es zuließen, ging ich durch den Saal in Richtung Ausgang.
Die kühle Luft auf meiner Haut tat gut. Es beruhigte mein überhitztes Gemüt, war wie Balsam für meine Seele. Plötzlich erkannte ich aber unter den wenigen Leuten, die hier draußen waren einen bekannten Hinterkopf.
Ander.
Hier stand tatsächlich Ander und blickte nach oben in den Sternenhimmel. Was er sich wohl gerade dachte?
Kurz betrachtete ich ihn einfach nur. Ich wollte ihn nicht stören bei was auch immer er da gerade tat, doch dann trat ich neben ihm.
Ich blickte ebenfalls nach oben in den Himmel und musterte die Sterne, die wie kleine Kristalle funkelten. Die Nacht war dunkel, aber gleichzeitig wunderschön.
»So sieht man sich also wieder«, sagte ich schließlich doch und aus dem Augenwinkel konnte ich erkennen, wie Ander seinen Blick mir zuwandte.
»Ja, sieht ganz danach aus«, antwortete er mir. Dann war es wieder vorbei das Gespräch.
Ich seufzte auf. Normalerweise kommunizierte ich nicht. Meine Taten sprachen für sich, doch jetzt schien ich damit nicht weiterzukommen.
Ander war besonders. Ich konnte bei ihm nicht so vorgehen, wie bei jedem anderen x-beliebigen Typen. Ich musste mir etwas neues überlegen.
»Kannst du den großen Wagen sehen?«, fing ich schließlich wieder an.
Schweigen.
Vorsichtig blickte ich zu Ander und musterte sein Seitenprofil. Wer hätte gedacht, dass es so wundervoll sein konnte, Sternbilder zu suchen?
»Du kennst dich damit aus?« Verwunderung war in seiner Stimme zu hören und ich musste grinsen.
»Na vielen Dank. Du denkst wohl auch, ich hätte kein Hirn was?«
Ander schnaubte leise und schüttelte leicht den Kopf.
»So war das nicht gemeint. Es ist nur... Es überrascht mich eben«, gab er ehrlich zu und zuckte mit den Schultern.
Ich nickte langsam, bevor ich neben ihn trat. Dann zeigte ich ihm den großen Wagen und verdammt, in diesem Moment hätte ich ihm wohl jeden einzelnen Wunsch erfüllen wollen. Ich wollte, dass er glücklich war, wollte mir vornehmen, dafür zu sorgen. Sowas hatte ich noch nie gespürt. Schon gar nicht nach so kurzer Zeit.
Ander's Augen funkelten wie die Sterne, als er mir zuhörte und ich fand es beinahe schade, als ich meinen kurzen Vortrag über Sterne beendete. Ich hätte ewig so weiter reden können. Alleine nur wegen dieses Blickes.
Tief atmete ich durch, ehe ich zu Boden sah. Eine Geste der Verlegenheit, die ich sonst nie machte. Ich war nicht verlegene. Nie.
Was also stellte Ander mit mir an? War er ein Zauberer?
Ich konnte es mir nicht erklären, aber plötzlich schienen meine Probleme, die wie Zementsäcke auf meinen Schultern hingen, davon zu fliegen. Ich fühlte mich leicht, schwerelos, glücklich. Es fühlte sich toll an, also bettelte ich innerlich an den Zauberer Ander: „Hör niemals auf!"
Als Ander auf seine Uhr sah, ahnte ich böses. Würde er nun gehen? Nein! Das durfte er nicht. Er sollte hier bleiben. Bei mir! Ich brauchte ihn doch.
Plötzlich grinste Ander in sich hinein und wandte sich zu mir, so dass ich ihn wieder ansah.
»Komm, lass uns abhauen.«
Irritiert sah ich ihn an. Damit hatte ich nun am allerwenigsten gerechnet.
»Was?«
»Na, du hast hierauf offenbar genauso wenig Bock wie ich, sonst würdest du mir wohl kaum hier draußen einen Vortag über Sternenbilder halten«, meinte Ander mit einem leichten Schmunzeln.
»Für dich würde ich über so einiges einen Vortrag halten«, schnurrte ich und griff nach seiner Hand, um ihn sanft zu mir zu ziehen. Gott, er roch so himmlisch. Am liebsten wäre ich seine Kleidung, damit ich den ganzen Tag seinen unglaublichen Duft einatmen konnte.
Ander wehrte sich nicht, was mich ungemein erleichterte. Er blieb bei mir. Mein Seelenklempner...
»Gut, du hast absolut recht. Also? Wohin geht die Reise?«, fragte ich ganz leise in sein Ohr, damit nur er es hören konnte, so als wäre es unser Geheimnis.
Ander sah sich um, so als hätte er Angst, uns könnte jemand sehen. Dann griff er nach meiner Hand und wir gingen in die Dunkelheit.
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