𝟏𝟕 - 𝐏𝐚𝐭𝐫𝐢𝐜𝐤
Wow. Anders konnte ich es nicht beschreiben. Ander hatte eingeschlagen, wie eine Bombe, hatte mein Leben durcheinander gebracht und nun auch meinen Verstand. Wie er sich bewegt hatte. Anmutig, wie eine Gazelle. Dieser Junge war unglaublich.
Vorsichtig zog ich ihn an mich heran, wollte ihm die Nähe geben, die jeder sich nach dem Sex wünschte. Normalerweise wäre jetzt der Moment, an dem ich gehen würde, doch das tat ich nicht. Nicht bei Ander.
Sanft glitt meine Hand durch seine braunen Locken. Sie waren ein kleines bisschen verschwitzt und zu wissen, dass er nur wegen mir so geschwitzt hatte, brachte mich zum grinsen.
Ander hatte seine schönen Augen genüsslich geschlossen. Er sah so wunderschön aus. Wie ein Gott. Zu schön um wahr zu sein.
Langsam schloss auch ich die Augen. Ich drehte mich auf die Seite, legte ein Bein um Ander, so dass ich ihn wärmen konnte. Zusätzlich zog ich die dünne Decke über uns, denn heute würden wir nicht mehr heim gehen. Dieser Ort hier war zu unserem geworden. Egal, ob Ander hier zuvor mit seinen Freunden gechillt hatte. Nun würde er immer, wenn er hier war daran denken müssen, was wir hier tolles erlebt haben. Zumindest hoffte ich, dass er an mich dachte.
Hatte ich es geschafft? Hatte ich nun endlich die wahre Liebe gefunden? Ander war ein Engel, aber was war, wenn er mich doch nicht wollte? Ich galt als Fuckboy. Nicht jeder wollte mit so jemanden zusammen sein. Alleine das Wissen, dass der eigene Freund schon mit der halben Stadt was hatte, musste schlimm sein. Vielleicht dachte Ander aber auch nicht so.
Zu viele Dinge rasten durch meinen Kopf. Ich glitt in einen Strudel, aus dem ich alleine nicht mehr raus kommen würde. Im Normalfall würde ich mich nun abschießen. Alkohol, Drogen. Egal was. Einfach irgendwas, damit ich nicht mehr denken musste, aber das ging jetzt nicht. Was sollte ich tun? Ich war hilflos.
Schließlich ertrug ich es nicht mehr. Ich konnte nicht mehr still liegen bleiben und bevor ich meinen Engel weckte, stand ich lieber auf. Schweigend trat ich auf die Tür des Wohnwagens zu, welche wie immer nur angelehnt war. Ich stieg den Absatz nach unten ins Freie, spürte den kalten feuchten Boden unter meinen nackten Füßen. Ja, es war kalt. An meinem Körper war kein Stofffetzen, aber das war gut. Ich spürte mich, spürte die Kälte. Ich lebte.
Tief atmete ich durch, sog die kalte Luft in meine Lungen, bis es weh tat. Der Mond schien hell vom Himmel und erleuchtete meinen Körper mit seinem bläulichen Licht. Ein wenig fühlte ich mich wie Adam, nur dass meine Eva friedlich schlief. Dachte ich zumindest, bis ich das Laub hinter mir rascheln hörte.
»Was tust du hier?«
Ander trat neben mich. Auch er war völlig nackt. Auf seiner Haut zeichnete sich eine Gänsehaut ab. Ihm war kalt.
»Geh wieder rein«, sagte ich ruhig und sah in die Ferne.
Der Lockenkopf schnaubte, schüttelte leicht den Kopf und sah ebenfalls in den dunklen Wald hinein.
»Und dich soll ich hier draußen erfrieren lassen? Ganz tolle Idee«, brummte er nur.
»Ich muss mich spüren.« Eine Antwort meinerseits, die selbst nicht ganz verstand, doch die Kälte half mir dabei, dem Strudel zu entkommen.
»Und vorhin? Hast du dich da nicht gespürt?« Ander sah zu mir hinüber und musterte mich. Bestimmt hielt er mich für einen komplett Irren.
»Natürlich hab ich das. Wie könnte ich mich da nicht gespürt haben«, flüsterte ich und griff ohne hinzusehen nach der Hand von Ander. Sanft drückte ich sie und schwor mir in dem Moment, ihn nie wieder los zu lassen. Ganz egal, was kommen würde.
»Was tust du denn dann hier draußen? Ich kapiere es nicht.« Ander wurde ungeduldig. Ihm war kalt und wollte wieder nach drinnen. Das merkte ich.
»Das tut niemand, aber manchmal, da...da brauche ich was. Normalerweise Alkohol oder Drogen, aber ich möchte mich bessern. Für dich. Deshalb suche ich einen anderen Weg. Die Geister in meinem Kopf sind manchmal so laut. Sie wollen mich mit sich in die Tiefe reißen und wenn ich nichts tue, um sie zum schweigen zu bringen, gewinnen sie«, sprach ich ruhig. Ander zitterte ein wenig und wenn ich ehrlich war, dann fragte ich mich, warum ich das nicht auch tat.
»Das klingt furchtbar. Warum holst du dir denn nicht Hilfe. Richtige Hilfe meine ich.«
Ander trat einen Schritt zurück und für einen Moment glaubte ich schon, er würde mich alleine hier stehen lassen, doch er wollte mich bloß mit sich in Richtung Wohnwagen ziehen.
Leicht zuckte ich mit den Schultern.
»Ich will das nicht. Diese blöden Sitzungen, bei denen ich die alten Geschichten durchkauen muss. Ich will die Vergangenheit endlich ruhen lassen und ich hasse mich dafür, dass ich dazu nicht im Stande bin«, sagte ich und kniff meine Lippen fest aufeinander. Der Strudel fing wieder an, sich zu drehen und wollte mich überrollen. Ich war wütend auf mich selbst. Ander sollte sich jemanden suchen, der nicht so krank im Kopf war, wie ich.
Jedoch hatte der Sturm die Kraft von Ander unterschätzt. Dieser hatte nämlich plötzlich seine Arme von der Seite um mich geschlungen, presste mich fest an sich und gab mir das Gefühl, endlich wieder den Boden richtig fassen zu können.
»Es tut mir so leid, dass du das alles durchmachen musst, aber du darfst nicht aufgeben. Du bist toll. Mach dich nicht immer so schlecht«, hauchte er in mein Ohr und als sein warmer Atem auf meine Haut traf, schauderte ich. Nun sehnte ich mich wieder nach der Wärme und ich zog Ander kurzerhand wieder nach drinnen.
»Danke. Ander, wirklich. Was du machst ist toll. Das hat bisher noch niemand getan«, sagte ich, als wir wieder auf dem Bett saßen. Wir hatten uns in die Decke eingewickelt und Ander sah mich aufmerksam an. Sanft legte er eine Hand an meine Wange und streichelte mich.
»Weil du es nicht zulässt. Du lässt Menschen nicht an dich ran, aber ich danke dir, dass du mich dich sehen lässt«, flüsterte er und in dem Moment wusste ich, dass Ander mich nicht verlassen würde.
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