𝟏𝟓 - 𝐏𝐚𝐭𝐫𝐢𝐜𝐤

Ich wollte nicht weinen! Nein, ich hatte mir fest vorgenommen, dass ich nicht los flennen würde, wie ein Baby und doch tat ich es nun. Ander hatte seine Arme um mich gelegt und ich meine um ihn. Eng presste ich ihn an meinen Körper, wollte den Lockenkopf nie mehr los lassen. Dass er noch immer misstrauisch war, wusste ich jetzt und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass es mir nichts ausmachte. Ander war mir eben nicht egal. Dennoch konnte ich es verstehen. Es war meine eigene Schuld. Sex ohne Ende und mich hatte nicht interessiert, was andere von mir dachten. Jetzt hatte sich das geändert. Ich wollte alles richtig machen, wäre plötzlich bereit, so treu zu sein, wie ein Hund.

Vorsichtig löste ich mich. Meine grünen Augen waren rot angelaufen und ich wischte mir verstohlen die Tränen weg, welche immer und immer wieder aus meinen Augen rannen, als wäre ein Damm gebrochen.
Ander stand vor mir und war sichtlich überfordert. Alles brach plötzlich aus mir heraus. Der Schmerz über das Fehlen meiner Mutter, der Schmerz darüber, dass Ander glaubte, er wäre nur einer von vielen, der Schmerz darüber, dass mir eigentlich niemand vertraute. Selbst meine Schwestern reden nicht wirklich oft über ernste Themen.

Ich spürte eine Hand an meiner Wange, die mich aufsehen ließ, da ich den Blick zuvor gesenkt hatte.
»Was ist los mit dir, hm? Da ist doch noch mehr. Ich bin nicht der einzige Grund«, sagte er so, als könne er in meinen Kopf hinein sehen. Ander kannte mich jetzt schon besser, als mein Vater. Warum? Weil Ander es wollte. Er wollte mich verstehen, interessierte sich für mich und ja, das tat gut. Langsam spürte ich, wie sich die Scherben meines gebrochenen Inneren wieder zusammen setzten.

Ich zog die Nase hoch und nickte langsam.
»Ehrlich gesagt ist mir das alles hier ziemlich peinlich. Ich meine, wir sind hier in einem Café. Es sollte unser erstes Date sein und ich flenne herum, wie ein Kind, das nicht das bekommen hat, was es will. Du denkst jetzt sicher, das ist eine Masche von mir, damit ich deine Aufmerksamkeit kriege, aber das ist nicht so.«
Die haselnussbraunen Augen Anders klebten auf mir, nahmen jedes Wort, welches über meine Lippen glitt gierig auf und er schüttelte schließlich langsam den Kopf.
»Patrick, rede keinen Scheiß. Das entspricht absolut nicht der Wahrheit. Ich weiß, dass das keine Show ist. Ich weiß, dass dich keiner dieser verdammten Lover je weinen gesehen hat. Ich kenne deine Geschichte. Das was mit deiner Mutter passiert ist, ist furchtbar. Das kann man nicht einfach weg lächeln und schon gar nicht auf Dauer. Dein Fass ist schon gefüllt gewesen. Es war randvoll und meine Anschuldigungen haben es eben zum überlaufen gebracht, aber bitte schäm dich nicht dafür. Du hast allem Grund dazu, zu weinen«

Mein Herz hämmerte wie ein Presslufthammer gegen meine Brust und Ander's Worte trafen direkt hinein und brachten es noch mehr zum schlagen. Etwas, das ich schon so lange nicht mehr erlebt hatte. Verständnis.
Dennoch wischte ich mir über die Augen, sagte mir in meinem Inneren, dass es nun reichte und rechte das Kinn ein wenig.
»Danke Ander. Du weißt gar nicht, wie viel mir das bedeutet«, sagte ich und Ander lächelte mich an. Das schönste Lächeln, das ich je auf der Welt gesehen hatte und plötzlich ging wieder die Sonne auf.

Sanft zog ich den Lockenkopf zu mir und küsste ihn. Ich musste seine Lippen spüren, wollte ihm so nochmal zeigen, wie dankbar ich dafür bin, dass er mich so glücklich machte und mich so gut fühlen ließ, wann immer er mich berührte oder einfach nur ansah.
Ander war in meinen Augen ein kleiner Zauberer und er hatte mich verzaubert, aber so richtig.
Der Lockenkopf erwiderte meinen Kuss. Ich stieß auf keinen Widerstand. Keine hart aufeinander gepresste Lippen. Nein, da waren nur zarte weiche Lippen, die mich anzubetteln schienen, weiter zu machen. Gierig öffneten sie sich und ich vergaß beinahe, dass wir uns in einem Café befanden. Zu gerne würde ich meine Zunge in den warmen Mund des anderen schieben, aber dann löste ich mich.
»Wir sollten uns dafür besser einen anderen Ort suchen«, flüsterte ich mit einem leichten Grinsen auf den Lippen.
Ander schien sprachlos zu sein. Er starrte mich bloß an und nickte dann wie in Trance.
»Ähm ja, natürlich. Wohnwagen?«
»Definitiv.«

Der Wohnwagen. Der Ort, wo es eigentlich so richtig begonnen hatte. Klar, die Gala durfte man nicht vergessen, doch im Wohnwagen waren wir plötzlich so intim miteinander gewesen, ohne überhaupt irgendwas in Richtung Sex gemacht zu haben. Ich hatte aber definitiv etwas fallen lassen. Meine Maske. Ander hatte mein wahres Ich gesehen und es machte mir nichts aus. Ander verstand mich. Ander unterstützte mich. Ander war einfach toll.
So gingen wir Hand in Hand durch die Gassen. Es war still zwischen uns. Ab und an sah ich zu ihm hinüber, um zu sehen, was er tat. Er schien nachzudenken. Gewiss war es auch für ihn ziemlich verwirrend und vielleicht auch anstrengend. Ich würde nämlich nicht unbedingt sagen, dass ich einfach war, aber für jemanden, der einen psychischen Knacks hatte, war das wohl normal.

Schließlich kamen wir auf den alten Campingplatz an. Es war nicht dunkel, anders als bei unserem ersten Mal, doch das machte den Ort nicht weniger magisch. Meterhohe Tannen bildeten eine Art natürlichen Zaun um das rechteckige Grundstück, auf dem genau nur noch ein alter Wohnwagen stand. Unser Wohnwagen.
Ander stupste die Tür an, welche sofort auf ging, uns schon förmlich einlud, herein zu treten.
Zielstrebig ging ich auf das Bett zu, strampelte meine Schuhe von den Füßen und ließ mich dann hinein sinken.
Es war echt gemütlich hier.
Plötzlich spürte ich einen Druck auf meinen Oberschenkel und als ich die Augen öffnete saß da Ander. Was hatte er vor? Wollte er mich komplett in den Wahnsinn treiben?
Mein Blick war wahrscheinlich eine Mischung aus Verwirrung und Gier. Ander sah verdammt heiß aus und wie er so auf meinem Schoß saß, brachte mich beinahe um den Verstand.
»Was hast du vor?«, flüsterte ich mit rauer Stimme, doch Ander grinste mir bloß entgegen.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top