𝟏𝟑 - 𝐏𝐚𝐭𝐫𝐢𝐜𝐤

Ich lag in unserem Garten entspannt auf der Liege. Auf meiner Nase ruhte eine Sonnenbrille. Hohe Hecken rund um das Haus nahmen neugierigen Menschen die Sicht auf unsere Privatsphäre.
Während ich so da lag, stellte ich mir vor, dieses Haus würde mir und Ander gehören. Wir könnten hier im Garten liegen, uns an den Händen halten und nie wieder los lassen. Oder wir könnten in meinem riesigen Bett liegen. Er könnte meine Haut streicheln, wie es zuvor kein anderer getan hatte. Ja, das alles könnten wir machen, doch ich wusste, dass ich vorher noch durch eine Prüfung musste. So ganz schien Ander mir nämlich nicht zu vertrauen. Ich konnte es ihm nicht verübeln. Jeder, der meinen Namen hörte, dachte automatisch an Sex. Dennoch wollte ich beweisen, dass ich mehr bin, dass ich es wert bin, mir wirklich echte und ehrliche Aufmerksamkeit zu schenken. Ich konnte so viel mehr, als bloß Sex haben und das würde ich Ander zeigen, denn ich war bereit, ihm alles zu zeigen.

Nach ein paar Minuten, die ich für meine Gedankenexpedition gebraucht hatte, griff ich nach meinem Handy und sah auf die Uhr. Wann wollten wir uns eigentlich treffen? Der hübsche Junge hatte keine Zeit genannt. War das etwa Absicht? Wollte er nicht, dass dieses Treffen statt fand oder war das bloß wieder so ein bescheuerter Test, um zu sehen ob ich wirklich wollte, denn wenn ich Lust auf das Treffen hatte, dann brauchte ich auch eine Uhrzeit. Ich blies die Luft aus meinem Körper und schüttelte leicht den Kopf. So ein Blödsinn. Dennoch ging ich auf den noch leeren Chat mit Ander, um ihm eine Nachricht zu schreiben. Eigentlich eine Schande, dass das die erste Nachricht an ihn war.

Hey Ander. Wegen dem Treffen. Wann soll ich denn im Café da sein?

Lange musste ich nicht auf eine Antwort warten, denn schon hatte er mir zurück geschrieben.

Ich kann in einer halben Stunde da sein. Passt das für dich?

Ob das passte? Natürlich! Je schneller ich diese Schönheit wieder sah, desto besser. Deshalb tippte ich noch ein schnelles „ja" zurück und stand auf. Ich musste mich ja noch umziehen. Etwas überfordert stand ich vor meinem Schrank und überlegte, was ich anziehen sollte, entschied mich dann aber für ein weinrotes Hemd, eine dunkelblaue Jeans und meine geliebte Jeansjacke.
Zufrieden mit meinem Outfit machte ich mich dann auf den Weg zu unserem Café. Ja, ich hatte es als „unser Café" bezeichnet, weil gleich das erste Date an diesem Ort stattfinden würde. Es würde etwas besonderes werden und hoffentlich hatte Ander danach nicht genug von mir.

Mit einem leisen Bimmeln öffnete sich die Tür und ich trat ein. Sofort suchten meine Augen die Umgebung nach dem hübschen Lockenkopf ab, aber offensichtlich war er noch nicht da. Im ernst? Versetzte er mich jetzt absichtlich?
Sofort schüttelte ich den Kopf, um diese negativen Gedanken aus meinem Kopf zu befördern. Ander würde so etwas nie tun. Vielleicht wurde er von seinen Eltern aufgehalten oder stand im Stau. Als sich zwei Hände auf meine Hüften legten, begann ich automatisch zu lächeln.
»Ander?«, fragte ich vorsichtshalber doch sanft nach. Ich wollte nicht, dass ein unglücklicher Moment entstand, wenn Ander mich mit einem anderen Typen sah. Dann wäre das Vertrauen vermutlich komplett weg. Dabei war ich doch schon auf der richtigen Spur. Ich wollte das, was wir hatten auf keinen Fall zerstören, auch wenn es noch namenlos war.
»So ist es. Schön, dass du da bist«, sagte er und ich schauderte bei seiner Stimme so nahe an meinem Ohr.
Ich drehte mich um und nahm mir kurz Zeit, um ihn zu mustern. Er sah mal wieder unglaublich aus, aber Ander konnte auch gar nicht hässlich aussehen.
»Komm, wollen wir uns hinsetzen? Zum starren hast du noch Zeit genug«, meinte der Lockenkopf mit einem frechen Grinsen und ich folgte ihm.
Wir setzten uns an einen runden Tisch in der Ecke. Ander legte seine Jacke auf die Bank und ich hängte sie über den Stuhl. Leicht beugte ich mich nach vorne, legte meine Hände auf den Tisch und war bereit, mich in den wunderschönen haselnussbraunen Augen zu verlieren.
»Erzähl mir was über dich, Patrick. Nicht das, was alle wissen. Du kannst mir vertrauen. Deine Geheimnisse sind bei mir sicher«, sprach der Lockenkopf sanft und nahm meine Hände in seine. Schweigend betrachtete ich unsere verschränkten Finger einige Zeit lang, bis ich zu sprechen begann.
»Wo soll ich anfangen? Es gibt so viele Dinge, die niemand von mir weiß. Zum Beispiel, dass ich meine Mutter verloren hab, aber das hab ich dir schon im Wohnwagen erzählt. Hör zu Ander, ich möchte nicht, dass du glaubst ich will nur Mitleid von dir, wenn ich dir die Wahrheit sage. Ich will nur ehrlich sein okay?«
Ander nickte und fing nun an, meinen Handrücken sanft zu streicheln. Tatsächlich machte mir das Mut und ich fing wieder an zu erzählen.

»Ich hab zuhause zwei Schwestern und ich liebe sie. Das tue ich wirklich, aber momentan ist es eine Qual, zu Hause zu sein. Ständig gibt es Zoff mit unserem Vater, den man nun eigentlich kaum mehr so nennen kann. Er schaut nur darauf, dass seine Firma gut läuft und den ganzen Scheiß. Wir sind nur die dummen Kinder, die sich nicht benehmen können und ihn regelmäßig die Geschäfte kaputt machen. Zuhause ist es so kalt geworden, seit unsere Mutter nicht mehr da ist und ja, es tut weh. Ich kann sagen, was ich will, aber es tut weh.«
Ich schluckte schwer und sah dann zu Ander, der mich aufmerksam ansah.
»Es tut mir wirklich leid, dass du das erleben musstest. Das verdient keiner. Kann ich etwas für dich tun?«
Ein leichtes Lächeln legte sich auf meine Lippen. Ein ehrliches Lächeln. Ich hob unsere Hände an und hauchte einen leichten Kuss auf Anders Handrücken.
»Glaub mir, du musst nichts machen. Du tust schon so viel, indem du einfach nur da bist«, flüsterte ich und nun lächelte auch Ander. Wer hätte gedacht, dass es so einfach sein würde, jemand anderem meine Geschichte zu erzählen, die Maske fallen zu lassen. Doch bei Ander fiel mir ohnehin vieles sehr leicht und dafür war ich verdammt dankbar.

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