Negativität

5.9.2020

Negativität ist was feines.
Man spürt sie.
Auch wenn man sie nicht äußert, spürt man sie.
Sie liegt in den Gesten, in den Blicken, in den Worten.
Es ist nicht, was sie sagen. Sondern wie sie es sagen. Welche Wortwahl sie treffen. Man kann es fühlen, aber nicht richtig greifen.
Man weiß es, ohne zu wissen woher. Aber irgendwann ist man raus. Raus aus der Gruppe, raus aus den Gedanken, raus aus der Toleranz. Ohne zu wissen, wann es passierte. Oft sind es kleine Reaktionen, die dazu führten.

Kleine Situationen, in denen man die falschen Worte traf, in denen man nicht wusste, wie man sich verhalten sollte und aus Unsicherheit das falsche wählte. Vielleicht kann man sich noch dran erinnern. An eine dieser Situationen, als es einem zum ersten Mal aufgefallen war.

Aber man kann es nicht mehr ändern. Die Worte sind raus, egal wie unzufrieden und verzweifelt man ihnen nachschaut. Egal, wie bewusst einem die falsche Reaktion ist. Der Moment ist vorbei.
Und pflanzt sich in die Erinnerungen der Leute.
Und diese Situation wird man auch nicht mehr los. Sie haftet einem an.
Und wenn sie einen sehen, dann schleicht es sich wieder in ihren Sinn.
Und das lassen sie einen spüren.
Unbewusst.
Und diese vergeigte Situation lastet auf einem.

Erst will man es nicht wahrhaben. Man will nicht mitkriegen, wie sie einen anschauen.
Wie sie sich verhalten.
Wie sie auf einen reagieren.
Und man verhält sich normal weiter wie bisher. Versucht sich nichts anzumerken.
Aber die schwere Situation lässt sich nicht abschütteln. Wie ein klebriger Schatten.
Man spürt, man ist nicht mehr erwünscht.
Man wird manchmal noch geduldet, manchmal komplett verstoßen. Je nachdem was sie tun, wächst der klebrige Schatten.
Und zieht weitere falsche Situationen an.
Und sie kleben alle an einen. Egal wie viel man mitlacht, egal wie viel man versucht, dabei zu sein. Es macht alles nur noch schlimmer. Die Toleranz verkürzt sich. Man will einen Neuanfang, aber den kriegt man nicht.
Man versucht so zu tun, als wäre nichts.
Man hofft, dass es nur einzelne Vorfälle sind. Dass man doch irgendwie dazu gehört.
Aber irgendwann denkt man das schon längst nicht mehr.
Und ihre Reaktionen häufen sich.

Wenn man fragt, was sie im Golfkurs gemacht haben, wo man selber nicht dabei ist, und sie Sätze sagen wie: "Es ist Golf" oder "wir haben gegolft" und nicht verstehen wollen was man eigentlich meint.
Dass man nur eine Unterhaltung will.
Dass man teilhaben will.

Oft ist es nur eine Person. Einer, der diese Negativität auf einen ausstrahlt. Aber alle spüren es, ohne es zu merken. Wie ein Blitzableiter. Instinktiv halten sie sich raus oder bestärken die Person durch verwirrte Gesten und komische Gesichtsausdrücke, die einem die eigene Bedeutungslosigkeit klar machen sollen.
Und man merkt, sie wollen nicht verstehen, nicht erklären, nicht weiter ihre Zeit mit einem verbringen.

Was tut man dann, wenn man es gemerkt hat?
Was macht man mit dem Wissen?
Was macht dieses Wissen mit einem selbst?
Man lacht und gibt auf.
Doch innerlich zerbricht man immer weiter daran.

Ist es besser, nichts zu spüren?
Nichts zu merken?
Einfach weitermachen wie bisher?
Die Negativität zu ignorieren und weiterhin über ihre Witze lachen, verzweifelt, damit man endlich dabei ist?
Damit man zumindest für eine Sekunde ein Gefühl der Zusammengehörigkeit spürt?
Oder gibt man auf?
Lässt sich gehen, redet nicht mehr mit ihnen, lässt alle anderen einfach in Ruhe?
Ich weiß es nicht.
Ich wünschte, ich wüsste es.
Wie man sich verhält, wenn es passiert.
Denn sie merken es nie.
Sie wissen nicht, was sie einem damit antun.
Sie wollen es nicht wissen.
Denn das würde bedeuten, dass sie an einen denken, sich in einen hinein versetzen, sich mit einem identifizieren. Und das wollen sie nicht. Es ist anstrengend und zeitaufwendig und vor allem: Sie geraten zwischen die Fronten. Ziehen die Negativität der einen Person auf sich.

Dann geraten sie in den Fokus. Und wenn diese Negativität das nächste mal auftritt, rät der Instinkt dazu, sich der negativen Person anzuschließen. Denn sie hat die Macht, einen als dumm darzustellen. Einfach nur deswegen, weil sie genervt ist.
Genervt von der Art des Dummen, weil sie die falschen Reaktionen so oft gesehen hat, die Eigenarten so oft bemerkt und vielleicht waren die Eigenarten des Einen zu irgendeiner Zeit noch reizvoll und interessant gewesen, aber jetzt nicht mehr.
Jetzt nerven sie nur noch, mit jedem mal, dass man es wieder bemerkt. Sobald der eine nur den Mund aufmacht, nervt er.
Mit seinem ganzen Sein, seiner Art, seinen Macken, die doch eigentlich jeder hat.

Und diese Genervtheit muss raus.
Und sie lässt diese Negativität alle spüren.
Unbewusst.
Unregistriert.
Und unbemerkt fällt der eigene Stand von einem in der Gesellschaft.
Und spätestens dann, wenn man die Leute um eine Kleinigkeit bittet und die anderen es verwirrt hinterfragen und zerpicken, einfach nur, weil sie es nicht tun wollen, weil sie sich sofort denken, was sie davon haben, wenn sie es tun, dann weiß man, man ist ganz unten angekommen.

Was macht man, wenn man dort unten ist?
Weinen?
Lachen?
Hoffen?
Schreien?
Provozieren?
Trotzen?
...
Oder einfach
...
gar nichts
                       ...

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