Einsamkeit

1. August 2019

Und jetzt bin ich alleine.

Na, so ziemlich. Mein Brudergewurm ist wieder im Krankenhaus. Nichts besonderes, wegen seiner Krankheit muss er nämlich monatlich einen Tag im Krankenhaus verbringen. Aber nur einen!

Jetzt haben die blöden Krankenhausleute einen Darmvirus festgestellt, weshalb er 2 Wochen da bleiben muss. Das bedeutet, Mama muss, da er noch Minderjährig ist und immer wieder neue Medikamente bekommt, den ganzen Tag bei ihm bleiben. Morgens bringt Papa sie hin, spät abends, irgendwann ab 20 Uhr oder viel später, holt er sie wieder ab. Vormittags bin ich noch in der Schule und bekomme nichts mit.

Aber nachmittags bin ich die gesamte Zeit alleine. Dann muss ich mit dem Hund ganz schnell ne Stunde raus, mache Hausaufgaben (Oder auch nicht), muss Abwasch und den ganzen unnötig nervigen Kram machen, nochmal mit dem Tier raus und den Rest des langen Tages vor der Glotze im Wohnzimmer hängen und zeichnen.

Ich war noch nie so lange alleine.

Schon klar, Kinder von berufstätigen Eltern finden so etwas normal, aber ich kenne es halt anders. Mama war immer da. Das längste Mal, wo ich das Haus hüten musste, war 4 Tage. Da war ich 15 oder 16 oder so.

Hinzu kommt, dass dieser Virus, den mein Bruder hat, wie ich heute erfuhr, hoch ansteckend sein kann!!

Über Speichel und andere Flüssigkeiten übertragbar, weshalb ich nicht mehr von seinem Teller essen oder aus seinem Glas trinken kann. Aber eigentlich durfte ich das nie. Als er noch klein war, aß ich von seinem Teller und er von meinem. Was der eine nicht mehr wollte, aß oder trank der andere.

Bis er irgendwann zu der Entscheidung kam, dass es eklig ist und er nichts mehr von mir annahm. Dasselbe erwartete er auch selbstverständlich von mir, ich war verdammt, wenn ich was von ihm aß oder trank. Wie eine gute große Schwester nun mal ist habe ich mich selbstverständlich nicht daran gehalten und ihm wie aus Trotz das Essen und Trinken weg geklaut. Fand er nicht gut und er hat immer geschimpft.

UND JETZT HATTE DER KLEINE GIFTZWERG AUCH NOCH RECHT!!!

Da sein Speichel den Virus überträgt und ich ihm immer das Essen geklaut habe, bin ich jetzt vielleicht auch infiziert! Und das Schlimmste, DER GIFTZWERG HATTE VERDAMMT NOCHMAL RECHT!!!

Aber Entwarnung kam gleich, den Virus hat fast jeder, bei meinem Bruder wurde er nur wegen seinem schlechten Immunsystem geweckt. Was mich wieder zur Einsamkeit bringt. Eine Bekannte von Mama, mit der ich mich beim Gassigang unterhielt, meinte, ich sei ja fast schon erwachsen, da ist das nicht so schlimm für mich.

Das fand ich fies. Vor allem, weil sie selber eine erwachsene Tochter etwa in den 20er Jahren hat, die auch noch Zuhause wohnt. Warum wohl? Ich bin nicht mal Volljährig und lebe quasi alleine. Vor allem alleine in so einem großen Haus ins Bett zu gehen ist fies. Die meisten in meinem Alter werden sicher in ihrem eigenen Zimmer schlafen, so auch ich. Aber trotzdem ist da das Wissen, nicht alleine zu sein im Haus.

Jetzt habe ich nur noch den armen, süßen Köter. Seit ich abends nämlich als einziger Mensch in unserem Haus schlafen gehe, nehme ich ihn immer mit ins Zimmer. Hab ihm sogar ein Körbchen aus einem Schafsfell und Kissen gebastelt.

Schlimm hat es wohl auch mein Bruder, der nachts alleine in einer fremden Umgebung schlafen muss. In der Woche ist tagsüber Mama die ganze Zeit dabei und an Wochenenden kommt sogar Papa mit. Ich nicht. Ich weigere mich.

Ich kann mich noch an meine erste Klassenfahrt erinnern. 5 Tage alleine weg. Als ich nach hause kam, habe ich vor Freunde fast geweint und habe alle umarmt. Auch meinen Bruder.

Aber der 7-jährige Wicht hat mich tatsächlich von sich gestoßen!!

5 Tage getrennt und er hat mich nicht mal vermisst!!

Ich war tagelang noch sauer auf ihn. Jahre später, als er für ein paar Wochen in die geschlossene Klinik musste und wir ihn besucht haben, war ich total glücklich, dass ich ihn nach Wochen endlich wieder sah. Aber er hat weder mit mir gesprochen, noch mich umarmt, stattdessen war er garstig zu mir!

Das war das letzte mal, dass ich ihn an solchen Orten besuchte.

Und noch heute weigere ich mich, ihn dort zu besuchen. Er war jedes mal fies zu mir, wenn ich es tat, und auch wenn Mama sagt, dass er mich schon vermisst, es aber nicht so zeigen kann, bin ich zutiefst verletzt. Das war das schlimmste, was er mir je antun konnte und er weiß es nicht mal.

Deswegen bleibe ich lieber auch an Wochenenden alleine Zuhause und sorge dafür, dass das Haus nicht geklaut wird.

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