Das Warten geht weiter
1. August 2019
Vor ungefähr zwei Wochen kam mein Bruder ins Krankenhaus. Schon wieder. Sein Zustand hat sich verschlimmert, jetzt kann er überhaupt keine Nahrung mehr bei sich behalten und kotzt danach sofort. Deswegen soll ihm bald bei einer Operation der entzündete Darm entnommen werden, das Übel all seiner Schmerzen.
Das geht aber nur in einem Krankenhaus in Heidelberg, einem 6 Stunden entfernten Ort. Und zwar während der Schulzeit, was bedeutet, da ich so wieso nicht mitfahren werde, dass ich knapp 5 Tage nur halbtags komplett alleine sein werde, weil ich vormittags in der Schule bin.
Für die, die gerade erst eingeschaltet haben eine kurze Info:
Mein Bruder leidet an diversen Krankheiten mit Hauptmerk auf dem Darm und schluckt schwere Medikamente, die fast wie Drogen wirken. Doch als er das erste mal im Krankenhaus für längere Zeit bleiben musste und wochenlang keinen Besucher empfangen konnte, bin ich natürlich mit und wollte ihn umarmen, aber er hat mich abgewiesen. Und das nicht das letzte mal. Jedes verdammte mal, wenn ich ihn im Krankenhaus besucht habe, war er fies zu mir und mich angemeckert. Deswegen habe ich entschieden, dass ich nie wieder mit ins Krankenhaus komme.
Als er das letzte mal, nach einem sehr langen Aufenthalt im Krankenhaus zurück gekommen war, war er für ein paar Tage total nett und hat mich sogar umarmt. Das erste mal, seit er nicht mehr 6 ist.
Da die Medikamente kaum noch anschlagen wurde er vor einigen Tagen ins Krankenhaus gebracht. Eigentlich sollte er nach ein paar Tagen wieder zurück sein, dann wurden daraus noch ein paar dran gehängte Tage und inzwischen sind 14 Tage rum. Er sollte eigentlich Freitag wiederkommen, aber die Ärzte haben ihn noch bis Sonntag da behalten.
Samstag ging ich zu meiner Tante, weil mir zuhause alleine langweilig wurde. Mama hat nämlich nur morgens und abends eine Mitfahrgelegenheit, deswegen bleibt sie den ganzen Tag im Krankenhaus und ich hüte Hund, Haus und Hof. Da haben wir uns bei meiner Tante über meinen Bruder geredet und ich meinte scherzhaft, dass sie ihn garantiert wieder länger behalten.
Ich glaubte nicht wirklich, dass er Sonntag wiederkommt und ich hatte Recht. Sonntag schrieb Mama mir aus dem Krankenhaus, dass er noch bis Montag bleiben muss. Seit Tagen steckt nämlich ein Schlauch in meinem Bruder. Vom Ellenbogen bis hoch zur Schulter. Sonntag sollte der Schlauch endlich raus und das ist bei anderen und bisherigen Eingriffen noch nie schief gegangen. Es steht eine 99 prozentige Chance, dass alles gut geht. Und selbstverständlich muss mein Bruder das eine Prozentchen sein, denn der Schlauch steckt tatsächlich fest.
Also, richtig fest.
Sogar der Chefarzt kam an und wusste nicht weiter. Jetzt wird das Gewurm verlegt, da soll der Schlauch dann entfernt werden. Zumindest versuchen sie es.
Und dann wurde mir mitgeteilt, dass seine Operation, wegen seines Zustandes vorverlegt wird. Jetzt ist sie nicht mehr während der Schulzeit, sondern nächste Woche Montag! Und da haben wir noch Ferien! Das bedeutet, sowohl Mama, als auch Papa fahren in ein Hotel ins 6 Stunden entfernte Heidelberg und warten 5 oder mehr Tage ab, bis die Operation vorbei ist und sie ihn irgendwann wieder mitbringen können.
Das heißt, über 5 Tage komplett alleine.
Wie handhaben das andere? Also, Teenager, deren Eltern öfter mal für ne Woche in den Urlaub fahren oder so? Was machen die den ganzen Tag?
Ich habe jetzt mit dem Putzen angefangen. Ich halte das Haus auf Vordermann, gehe Gassi und sorge dafür, dass ich nicht an Langeweile sterbe. Das ist nämlich der einzige Grund, wieso ich angefangen habe, das Haus zu putzen und ich muss sagen, es macht eigentlich Spaß.
Das Problem ist nur, anzufangen. Ich bin nämlich von Natur aus Faul und ich stehe auch dazu. Bevor ich anfange, das Haus zu putzen, muss mir seeeehr langweilig sein, aber wenn ich erst angefangen habe, macht es Spaß und ehe ich mich versehe bin ich fertig und langweile mich wieder. Aber nur mit Musik im Hintergrund.
Und nächste Woche werde ich ganz alleine sein. Bis jetzt kamen sie immer alle abends zurück, mit Ausnahme meines Brudergewurms. Ab nächste Woche bin ich ganz alleine und obwohl die Operation zu 99 Prozent gut ausgeht, ist da immer noch dieses eine kleine Prozent, dass alle verhöhnt.
Immerhin war mein Bruder vor gar nicht so langer Zeit auch das letzte Prozent, das schief gegangen ist.
Mich interessiert aber immer noch, was andere in meinem Alter machen, wenn sie alleine sind. Ich habe eine Mitschülerin, deren Eltern fahren auch gerne mal ohne Kind in den Urlaub. Aber sie sieht mir nicht danach aus, dass sie freiwillig das Haus putzt, um nicht der Langeweile zu verfallen. Was macht sie den ganzen Tag?
Dass sie zeichnet oder sonstigen kreativen Kram macht, kann ich mir schwer vorstellen. Auch nicht, dass sie Bücher liest oder schreibt. Dafür hat sie zu wenig Fantasie. Sie ist so eine, die nur individuell sein kann, wenn es andere auch tun und die andere Individualitäten mit schiefen Blick betrachtet. Feiert sie die ganze Zeit Party?
Was macht ihr denn so, wenn euch langweilig ist und ihr länger alleine zuhause bleibt?
Lest ihr Bücher? Oder zeichnet ihr die ganze Zeit? Geht ihr auch mal raus?
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