Bericht aus der Schule 05.02.2015
22.05.2020
Bericht aus dem ersten Halbjahr der 7. Klasse: (überarbeitet von meinem Ich von 2020)
Die erste Pause hat begonnen. Ich gehe, wie in fast jeder Pause sonst auch, zur steinernen Tischtennis-Platte. Das massive Ding bei den Fahrradständern neben der Garage, in der der Hausmeister der Schule seine Gerätschaften verstaut. Wie immer stehe ich bei den altbekannten Leuten. Allen voran Denise, Leif, Bjarne und Bjarne mit den unterschiedlichen Nachnamen und Marieken. Außer den beiden Bjarnes mag ich die anderen nicht wirklich. Aber ich werde geduldet und gehe einer Konfrontation aus dem Weg. Warum ich nicht weg gehe und mir einen Ort suche, wo ich nicht mit solch doofen Leuten wie Denise herum stehen muss? Ich will nicht allein sein. Klar, kann ich jederzeit in die Bücherei und ich halte mich auch gerne dort auf, aber ich will Gesellschaft.
Ich will mich unterhalten oder wenigstens bei den Unterhaltungen der anderen zuhören und daraus schlau werden. Damit ich nicht völlig vereinsame. Deswegen lasse ich mich auch nicht vertreiben, wenn Denise, Marieken oder Leif wieder einen scheiß Tag hatten und es an mir auslassen.
Während die anderen neben mir stehen und sich unterhalten, sitze ich auf der Tischplatte, ein klein wenig abseits, und höre zu. Mitreden kann ich nicht. Ich habe auch kein großes Interesse an ihren Themen. Deswegen höre ich nur mit halbem Ohr zu und mache mich so gut es geht unsichtbar.
Bis sich plötzlich Denise an mich wendet. Mit einer Frage, bei der ich mal wieder an ihrer nicht-existenten Intelligenz zweifeln muss.
,,Ey, sag mal,", meint sie und ich gerate in ihren Fokus, ,,Wieso stehst du eigentlich jede Pause bei uns rum?"
Als wäre es ihre Ecke. Das elende Großmaul. Auch die anderen mustern mich, halten sich aber raus. Ihnen ist es unangenehm. Sie haben alle nichts gegen mich, aber wenn sie genervt waren, wenn ihnen zuhause Stress gemacht wurde oder wenn sie schlecht gelaunt waren, ließen sie diese Laune an mir aus, wie jetzt Denise. Auch, wenn ich ihre Beweggründe irgendwo verstehen kann, ist es noch lange keine Entschuldigung. Es ist pure Schikane gegen eine Mitschülerin, die einfach immer nur zur falschen Zeit am falschen Ort eine Frage an die falsche Person stellt.
Auf ihre Frage reagiere ich deswegen nicht gereizt, das ist wie Benzin in die Glut werfen. Aus dem Grund bleibe ich neutral, naiv und freundlich. Das regt diese Idioten immer am meisten auf und sie geben schnell wieder auf.
,,Wieso? Sonst hat es dich auch nie gestört.", entgegne ich daher.
Wie erwartet fehlen ihr die Worte. Genervt dreht sie sich wieder weg. Doch die Ruhe wärt nur kurz. Ich störe sie. Ganz genau jetzt! Mit meiner bloßen Anwesenheit!
,,Ernsthaft, warum stehst du immer hier?"
,,Wo soll ich denn deiner Meinung nach sonst stehen?", entgegne ich, ,,Ich kann stehen und gehen wo ich will. Du kannst mir nicht sagen, wo ich hingehen darf und wo nicht."
,,Man, was kann ich dafür, wenn du so ein behindertes Kind bist!", schimpft sie plötzlich einfach los. Ihr fehlen ganz klar Worte und Argumente. Ich kneife verwirrt meine Augen zusammen.
,,Hä?", mache ich, ,,Was hab ich denn bitte jetzt gemacht?"
,,Na, du bist hier!", begründet sie ihren Ausbruch.
,,Und?", hake ich nach. Ich verstehe nicht, was das eine mit dem anderen zu tun hat.
,,Was geht es dich an, wo ich stehe?", füge ich hinzu und springe schnell vom Tisch runter um ihr den Rücken zuzudrehen, weil ich mich nicht mehr mit ihr beschäftigen will. Auf Hilfe von anderen ist nicht zu warten. Es ist fast so, als fürchten sie sich vor Denise. Ich kann hören, wie Denise sich lautstark bei Marieken beschwert. Schön laut, damit ich es auch ja höre.
,,Echt ey, was kann ich dafür, wenn die so ein scheiß behindertes Kind ist!", wettert die Kuh mit dem Gehirn einer verblödeten Amöbe.
Marieken erwidert irgendwas darauf, aber ich höre es nicht mehr. Ich stehe jetzt auf der kleinen, vereisten Pfütze mitten auf dem Pausenhof. Nicht weit weg von meinem vorherigen Standort und ich habe auch nicht vor, ihrem Willen nachzugeben und mich zu verpissen. Sie ist weder der Chef vom Hof, noch der Chef von mir! Also beschäftige ich mich mit der vereisten Pfütze, kaum 5 Meter von den anderen entfernt. Nur weil ich ein Stück weggegangen bin, will ich ihr auf gar keinen Fall den Triumph lassen, sie hätte gewonnen.
Als sie vermutlich keine Mitstreiter findet, heute scheint ein guter Tag für die anderen zu sein, denn sie halten sich raus, kommt Denise wieder hinter mir her. Sie schimpft auf mich, ich wäre mit meinen knapp 1,40m viel zu klein und gehöre nicht in die Klasse. Ich erwidere, ich wäre lieber zu klein, als mit dem Kopf über den Wolken und bin irgendwie stolz, dass ich diesen Spruch, den ich mal im Internet gelesen habe, endlich mal abfeuern kann.
Anschließend drückte ich meine Hände auf die Ohren, um sie nicht mehr hören zu müssen, und habe laut vor mich hergepfiffen, um sie auch ja zu übertönen. Um sie auch nicht mehr sehen zu müssen, wende ich der meckernden Ziege den Rücken zu. Für mich ist die Auseinandersetzung beendet. Für sie nicht, wie ich im nächsten Moment feststelle. Das nächste, was ich fühle, ist ein Tritt in den eigenen Arsch.
Vollkommen geschockt drehe ich mich um. Es war nicht doll. Eher ein verzweifelter Versuch, damit ich sie wieder beachte. Aber trotzdem ein Schock für mich. Mir stehen die Tränen in den Augen die ich bis dahin erfolgreich verdrängt habe. Denise ist beleidigt. Auch die anderen sind schockiert. Sie hat mich noch nie getreten. Und auch, wenn ich für viele aus meiner Klasse der pure Fußabstreifer bin, wenn sie wieder schlechte Laune haben, haben sie es noch nie nur im Ansatz gewagt, Hand an mich zu legen. Sie haben immer Angst, mich zu verletzen, was ich wiederum immer als Beleidigung meiner Prügelkünste aufgefasst habe.
Aber über diesen Tritt sind sie genauso geschockt wie ich. Ich weine. Es klingelt. Und es passiert was, was noch nie passiert ist. Sie setzen sich für mich ein. Leif, ein vorlauter Junge, der meistens nur sein eigenes Recht vertritt, wettert lautstark über Denise und beschimpft sie, wie sie so etwas tun kann. Von ihm angestachelt mischen sich auch die anderen ein und ich mache, dass ich davon komme. Ich will nicht, dass sie meine Tränen sehen. Es ist mir überhaupt verdammt unangenehm, dass sie mich jetzt so heftig verteidigen, obwohl es sonst sie sind, die auf mir herum hacken und mich piesacken.
Während alle Schüler, inklusive mir, das Schulgebäude anstreben, schimpfen die anderen aus der kleinen Gruppe über Denise. Die Bjarnes und sogar Marieken, die sonst genauso gehässig sein kann, wie Denise und sonst auch zu einem engen Freundeskreis von ihr zählt. Erst im Klassenraum fühle ich mich sicher. Ich wische meine Tränen vom Gesicht, schlucke den Rest runter und versuche nicht mehr dran zu denken.
Im Klassenraum ist alles wie immer. Denise ignoriert mich. Ich setze mich auf meinen Platz und ignoriere sie auch. Plötzlich ruft der Lehrer mich und Denise nach vorne. Leif hat ihm alles erzählt. Der Klassenlehrer will es aus unserer Sicht hören. Ich berichte, wie es sich zugetragen hat und Denise unterbricht mich sofort laut mit den Worten, ich hätte angefangen und sie beleidigt. Als wäre alles meine Schuld und sie wäre nur das Opfer, dass sich mit einem Tritt in den Arsch gewehrt hat. Ehe ich mich verteidigen kann, mischt sich lauthals Leif ein und verkündet, dass alles gelogen sei. Er war immerhin dabei. Marieken unterstützt ihn, Bjarne R. reißt blöde Witze über ihre Situation und Denise schimpft wie von der Tarantel gestochen. Sie behauptet, es sei alles meine Schuld gewesen und wiederholt im Grunde immer nur dieselben Sätze. Ich sei ein dummes und behindertes Kind, wäre geistig zurück geblieben, eine Missgeburt und viele weitere grobe Unterstellungen ohne Beleg oder Beweis.
Stattdessen stehen die Zeugen zu mir und die Geschworenen, die restliche, neugierig gewordene Klasse, ist tatsächlich auf meiner Seite. Ich weine nur noch. Ich kann nicht mehr sprechen. Alle unterdrückten Emotionen kommen raus und ich bekomme Taschentücher und ungewollte Umarmungen von Mitschülern, die mich sonst keines Blickes würdigen, erstrecht keine Unterstützung geben. Ich verteidige mich nicht mehr gegen Denise, das haben meine verpflichteten Zeugen übernommen. Es ist laut in der Klasse. Im Grunde alle lautstark gegen Denise.
Den Rest der Stunde wurde ich betüddelt und verteidigt, während ich mir nichts mehr gewünscht habe, als in Ruhe gelassen zu werden. Es kam zu dem Schluss, dass Denise sich offiziell bei mir entschuldigen soll. Aber ich will keine Entschuldigung. Ich will auch nicht mehr so komisch behandelt werden. Wie eine Porzellan Puppe. Ein kleines Kind. Das arme Opfer, dem man beistehen muss, weil es sich nicht verteidigen kann. Ich will normal behandelt werden. Wie jeder andere auch. Ich will kein falsches Mitleid von Leuten, die mich morgen wieder vergessen haben. Ich möchte echte Freunde, die bedinungslos hinter mir stehen.
Einfach mal dazu gehören als das, was ich bin und nicht als schwaches Opfer, dass nicht für sich selber kämpfen kann.
Dieser Vorfall erignete sich vor genau 5 Jahren. Damals war ich 12. Heute bin ich 18 und fand den Text beim Aufräumen. Ich schrieb ihn damals im Auftrag der Sozialarbeiterin, die meinte, dass ich es so besser verarbeiten kann. Nach diesem Ereignis war das Fass zum Überlaufen gebracht worden. Meine Mutter ging noch am selben Tag zum Direktor und innerhalb weniger Wochen war ich bereits in die Parallelklasse versetzt worden, in der nur ein Jahr später der Satz fiel 'Die letzte Klasse hat sie raus gemobbt. Diese Aufgabe müssen wir jetzt übernehmen.'
Wäre ich ein Arsch, würde ich ihre vollen Namen erwähnen und eine Hasstriade auf sie hetzen. Verdient hätten sie es. Aber es bringt mir nix. Sie haben mich bereits zerstört und ich bin aus eigener Kraft neu zusammen gewachsen. Es ist zu spät für sie, sich zu entschuldigen und für mich, ihnen zu vergeben. Ich schreibe dieses Kapitel, weil es da draußen so viele Denises gibt. Vielleicht heißen sie anders, vielleicht haben sie andere Geschlechter, aber vielleicht sind die Situationen doch ähnlich. Vielleicht erkennt ihr etwas wieder. Einen Charakterzug, eine Handlung, ein Satz gegen euch. Ich will euch sagen, dass ihr nicht alleine seid. Und als kleiner Tipp, wenn ihr jemanden wie Denise kennt, haltet euch an die Devise 'Lächel einfach, denn du kannst sie nicht alle töten. Aber vielleicht so verwirren, dass sie vor einen Bus laufen'.
Geht nicht auf die Provokation ein. Denise ist ein armes Licht mit dem Verstand von Donald Trump. Sie wollte Aufmerksamkeit, bis zum 10. Schuljahr wollte sie das. Und wenn man dann nicht mit Wut auf ihre blöden Sprüche reagiert, sondern mit einem unschuldigen Lächeln und naivem Hinterfragen ihres Daseins, dann schlägt man ihnen mit unsichtbaren Waffen die Worte aus dem Mund. Aber begeht dann bloß nicht den Fehler und dreht ihnen den Rücken zu. Wie wir ja festgestellt haben, ist das keine so gute Idee ;)
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