Kapitel 22 - Unter der Weide
Vor ihnen öffnete sich eine versteckte Lichtung, die nur von vereinzelten Laternen erhellt wurde. Das weiche Gras war von zarten Wassertropfen übersäht, die das Licht der Himmelskörper so reflektierten, dass es selbst wie ein heruntergebrochenes Stück des Nachthimmels wirkte. In der Mitte der Lichtung stand eine Weide, deren schlanke, herabhängende Äste im Wind leicht hin und her schaukelten.
Es war vollkommend still. Der Lärm aus dem Palast drang nicht bis hierhin vor und selbst das Grillenzirpen schien von ganz weit weg zu kommen.
Es war wunderschön.
Lächelnd drehte Magnus sich zu seinem Begleiter um.
~Das ist wunderschön.~
~Dann ist ja gut. Ich habe diesen Ort nämlich noch nie jemanden gezeigt.~
Dann legte er einen Arm sanft um Magnus' Taille und führte ihn unter den Weideästen hindurch. Hier war es sogar noch dunkler, aber auch irgendwie intimer. Sie waren versteckt von der ganzen Welt, denn niemand würde sie hier finden.
Vor dem faltendurchzogenen Stamm lag eine kleine Decke, auf die sie sich niederließen, damit sie sich an den Baumstamm lehnen konnten.
Irgendwann hielt es Magnus nicht mehr läner aus und er fragte~Warum berührst du mich andauernd?~
Sofort verschwand der Arm von seiner Taille und nun war es Alexander, der errötend den Blick abwandte.
Hastig griff Magnus wieder nach seiner Hand und verschränkte ihre Finger.
~Nicht, dass es mir nicht gefällt, nur wieso?~
Alexander atmete erleichtert auf.
~Ich muss wohl einfach sicher gehen, dass du wirklich da bist und das nicht nur ein zuckersüßer Traum ist. Ich habe nämlich so gehofft, dass du kommst und sich das Opfer gelohnt hat.~
~Du meinst den Ball, auf dem du eine Braut finden sollst?~, fragte Magnus und konnte nicht verhindern, dass seine Stimme einen zittrigen Unterton bekam.
~Ja~, seufzte er,~Aber eigentlich will ich das gar nicht. Ich würde viel lieber mit einem netten Mann das Königreich regieren, aber mein Vater ist da anderer Meinung. Er will nur das Beste für mich, das weiß ich, aber dazu presst er mich in eine Form, in die ich einfach nicht passen kann.~
~Mein Vater wollte immer, dass ich glücklich bin. Natürlich war er selten daheim, sondern immer auf Reisen, aber wenn er bei mir war, war er der beste Dad, den man sich wünschen konnte.~, murmelte Magnus gedankenverloren, während er mit Alexanders bleichen Fingern spielte.
~Ist dein Vater ...~
~Gestorben? Ja und ich vermisse ihn jeden Tag.~, antwortete er, ohne aufzusehen.
~Das tut mir leid. Deine Mutter ist darüber bestimmt untröstlich.~
Magnus kniff die Augen zusammen. Alexander meinte es bestimmt nur gut, aber mit seinen Worten kratzte er nur weiter an seinem wunden Punkt herum. Es war schon so lange her und doch spürte er immernoch einen Kloß im Hals, wenn sich das Gesprächsthema dorthinwandte.
~Nicht, wenn sie auch schom fort war.~
~Ich kenne deinen Schmerz und es tut mir sehr leid, dass du da auch durchgehen musst. Das sollte niemand.~, sagte Alexander mit einem traurigen Lächeln und legte einen Arm um ihn.
Magnus seufzte leise, während er seinen Kopf auf dessen Schulter ablegte.
Er genoss diese Fürsorge sehr, auch wenn ihn das Thema unendlich traurig machte. Doch gleichzeitig hatte er das Gefühl, dass er mit Alexander über alles reden könnte und ihn dieser dabei immer stützen würde. Das war ein tröstlicher Gedanke.
~Da hast du recht.~
~Und wo lebst du jetzt?~
~Stiefmutter und Stiefgeschwister.~, antwortete er und bereute es, dass seine Stimme dabei so unglücklich klang.
~Sie behandeln dich wohl nicht so gut, oder?~
~Sie tun ihr bestes.~
~Darf ich dich noch etwas fragen?~, fragte Alexander nach einer Weile, in der er ihn still gehalten und über seine Hand gestreicht hatte.
~Tust du das nicht bereits?~
~Stimmt. Ich- Gibt es einen Grund, warum du diese Handschuhe trägst?~, fragte er arglos.
Ruckartig setzte Magnus sich auf und schüttelte so den Arm von sich ab.
Das Herz schlug ihm bis zum Hals und das Gefühl der Geborgenheit war dahin.
Stadessen raste pure Panik durch seine Adern, denn was sollte er jetzt darauf antworten? Dass es einen Grund dafür gab und dieser abscheulich war?
Oder sollte er doch besser lügen? Aber er wollte Alexander nicht anlügen. Nicht wenn dieser so aufrichtig und lieb zu ihm war.
Auch dieser setzte sich auf und musterte ihn besorgt.
~Es gibt also einen Grund. Nur willst du ihn nicht mit mir teilen.~
~Nein. Doch. Ich weiß nicht~, stammelte Magnus und sah ihn hilflos an,~Ich will nur nicht die Stimmung verderben.~
~Aber du könntest doch gar nichts verderben. Es ist alles wundervoll.~
Weil du es noch nicht kennst, widersprach er gedanklich, aber kein Wort davon kam ihm auch über die Lippen.
Behutsam griff Alexander wieder nach seiner Hand und strich leicht über die Fingerknochen.
Magnus verlor sich in seinen Augen und seine Panik ebbte ein wenig ab. Sein rasendes Herz konnte sich aber nicht beruhigen und am liebsten hätte er die Hand weggezogen, aber er konnte nicht. Er wollte Alexander nicht loslassen.
Dieser würde es gleich ohnehin von alleine tun. Da wollte er die letzten Momente noch auskosten, denn selbst durch den Handschuh spürte er das Kribbeln, das durch seinen ganzen Körper ging und die Schmetterlinge in seinem Bauch mir zusätzlicher Nahrung versorgte.
~Darf ich nachsehen, was sich darunter verbirgt?~
~Du wirst nicht aufgeben, ehe du es getan hast, oder?~, fragte er im Gegenzug.
Alexander schüttelte den Kopf.
~Wahrscheinlich nicht.~
~Ok.~, hauchte er und schloss kurz die Augen, um sich zu sammeln.
Gleich würde zwar alles vorbei sein, doch die Erinnerungen an diese Nacht würde ihm keiner mehr nehmen können. Deshalb schloss er sie vorsorglich ein, als Alexander sanft den weißen Handschuh von seiner Hand zupfte.
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