Kapitel 19 - Hoffnung und Zweifel
Alexanders Sicht
~Suchst du nach jemand Bestimmtes?~, fragte ihn Izzy neugierig.
Alec stand auf einem Balkon, der in den großen Ballsaal hineinragte, der langsam immer voller wurde. Überall waren Menschen in den prachtvollsten und schönsten Kleidern zu sehen, aber noch bewegte sich niemand zu der zarten Musik im Hintergrund. Der Ball begann schließlich erst mit dem Eröffnungstanz des Prinzen, der sich allerdings sehr viel Zeit bei der Wahl seiner Tanzpartnerin ließ.
Statt ernsthaft nach einer Frau zu suchen, starrte Alec nämlich lieber auf den Eingang des Saals, durch den kontinuierlich Besucher hindurchströmten. Die Ansager, die die verschiedenen Namen der Neuankömmlinge in den Saal ruften, kamen kaum hinterher.
Alec hatte nicht damit gerechnet, dass so viele heute kamen, aber das erhöhte seine Chancen, auf seinen schönen Fremden zu treffen. Wenn dieser denn kommen würde ...
Die ganzen letzten Tage hatte er nahezu durchgehend an ihn gedacht. An seine leicht verwuschelten tintenschwarzen Haare, die tiefbraunen Augen mit den faszinierenden Tupfern und die karamellfarbene Haut, die sich so unfassbar weich auf seiner angefühlt hatte. Und dann dieses bezaubernde Lächeln ...
~Um ehrlich zu sein, ja~, gab er so leise zu, dass ihn nur seine Schwester verstand,~Aber noch ist er nicht aufgetaucht.~
~Dein Fremder?~
Alec nickte, während er sich nervös auf die Unterlippe biss. Wenn er nicht kommen würde, wäre sein Opfer umsonst. Dabei wollte er ihn so gerne wiedersehen.
Er beobachtete wie drei neue Gestalten den Tanzsaal betraten. Es war eine hochgewachsene Frau in einem schwarzen Kleid und zwei jüngere Personen, wahrscheinlich ihre Kinder.
Hatte man sie nicht mit Lady Lilith vorgestellt?, fragte sich Alec, aber er wusste es beim besten Willen nicht mehr. Er konnte sich kaum konzentrieren.
~Du machst das nur für ihn, oder? Dass du jedem gewährt hast, auf den Ball zu kommen. Das machst du, weil du hoffst, ihn wiederzusehen.~, stellte sie ungerührt fest.
Alec lächelte ein unglückliches Lächeln, während er zu seiner Schwester sah, der das silberne Kleid sehr gut stand. Er hingegen fühlte sich in seinem goldenen Anzug mehr als unwohl, aber das konnte er sich schlecht anmerken lassen. Er war der Prinz und eine seiner Verpflichtungen war es, immer den Schein der Perfektion zu wahren.
~Du weißt, dass du nach diesem Ball eine Verlobte hast und die Hochzeit unmittelbar bevorsteht?~
~Ja, aber anders konnte ich Vater nicht überzeugen.~
~Hast du schonmal gedacht, ihn ...~
Alec war ihr zutiefst dankbar, dass sie den Rest der Frage in der Luft hängen ließ, denn allein der Gedanke war bittersüß.
~Das werde ich nicht tun. Ich werde mit ihm keine Affäre anfangen. Das werde ich ihm nicht antun.~, antwortete er ruhig.
Dazu erscheint er mir viel zu wertvoll und rein, fügte er gedanklich hinzu.
Natürlich hatte er einmal darüber nachgedacht, den Fremden als Affäre hinter seinen Schlafzimmertürem zu behalten, aber so schön die Vorstellung auch sein mochte, mit dem Fremden Zeit zu verbringen, so wusste er auch, dass es ihnen auf Dauer beiden nicht gut tun würde.
Er kannte ihn nicht, aber er war sich sicher, dass sein schöner Fremder viel mehr war, als eine einfache Affäre.
~Mein Sohn? Darf ich dir jemanden vorstellen? Prinzessin Lydia.~
Bei dem Namen drehte Alec sich ruckartig um und blickte direkt in Lydias bekannte blaue Augen. Sie sah hübsch aus in ihrem hellblauen Kleid und den lockigen blonden Haaren, aber bei ihrem Anblick empfand er nichts außer das Bedürfnis, die Augen zu verdrehen.
Mit einem gespielten Lächeln sah er zu seinem Vater und dessen Berater Valentin.
~Ich durfte bereits die Bekanntschaft mit ihr machen, Vater~, sagte er zuckersüß, bevor er sich an die Frau vor ihm wandte,~Schön, Euch wiederzusehen.~
~Die Freude ist ganz meinerseits.~, antwortete Lydia und senkte ergeben den Kopf.
Sie fügte sich perfekt in ihr Prinzessinnen-Dasein ein und verhielt sich auch ansonsten tadellos. Seinem Vater gefiel sie dadurch bestimmt sehr, aber Alec wollte genau das nicht.
Seiner Meinung nach verlor man sich selbst, wenn man zu sehr versuchte, perfekt zu sein. Man verlor seine eigene Identität, indem man sich verbog und genau das wollte er nicht.
Er wollte jemanden an seiner Seite, der zwar seine Pflichten erfüllte, aber auch zu sich selbst stand. Jemanden, mit eigener Meinung und Persönlichkeit.
Und am liebsten war dieser Jemand keine Frau.
Vielleicht sein schöner Fremder?
Er wusste es nicht, aber er mochte den Gedanken irgendwie.
Magnus' Sicht
~Ich bin so nervös, Cat! Vielleicht sollte ich doch nicht hineingehen.~, zweifelte Magnus.
Die Kutsche fuhr gerade am großen Lake-Lyn vorbei, an dessen anderem Ufer der Palast lag. Mit jedem Meter, den sie zurücklegten, stieg seine Nervosität und mittlerweile war ihm so schlecht, dass er froh war, seine letzte Mahlzeit schon vor einer Weile eingenommen hatte.
Er wollte auf den Ball. Natürlich wollte er das.
Aber die Zweifel wurden immer größer und ließen ihm immer unsicherer werden.
Zum Glück hatte er Catarina an seiner Seite, die ihn erfolgreich vom Umkehren und Kneifen abhielt.
~Doch, es ist eine gute Idee. Das sind nur die Zweifel, die da aus dir sprechen. Du schaffst das! Konzentrier dich enfach ganz auf Alexander.~
Magnus befolgte ihren Rat und schloss kurz die Augen. Wie von selbst blitzte ein Bild von Alexander in seinem Gedanken auf, der ihn anlächelte. Sofort entspannte er sich sichtlich, während er sich seine wunderschöne blauen Augen vorstellte, die ihn warm anblickten.
Doch im nächsten Moment verschwand dieses schöne Bild und stadessen hallten die Worte seiner Stiefmutter in seinen Gedanken wider.
Er war eine Enttäuschung. Er verpestete alles um sich herum. Er gehörte nicht auf so einen Ball. Er war Abschaum.
Panisch riss er die Augen wieder auf und sein Herz trommelte ängstlich in seiner Brust.
~Aber was ist, wenn mich Lilith erkennt? Ich darf doch gar nicht auf den Ball. Wenn sie mich entdeckt, dann ...~
~Du hast noch nicht in den Spiegel gesehen, oder?~, unterbrach ihn Cat sanft.
Irritiert schüttelte er den Kopf.
Seine beste Freundin warf ihm ein geheimnisvolles Lächeln zu, als die Kutsche plötzlich stoppte.
Sie waren da. Auf dem kreisrunden Hof, von dem eine lange Treppe zu den großen Toren des Palastes führte.
Im nächsten Moment, wurde die Kutschentür geöffnet und sie konnten aussteigen.
Die kühle Nachtluft tat Magnus gut und verwischte seine Gedanken für einen Augenblick. Sie waren allein auf dem Platz, denn der Ball hatte eigentlich schon vor einer Weile begonnen.
Beim Gedanken an die vielen tanzenen Leute dort wurde Magnus erneut übel. Er hatte so gut wie noch nie getanzt. Nur ein zwei Mal mit seiner Mutter, aber da war er noch ein Kind gewesen und es hatte eher der Spaß als die Technik gezählt.
Er würde sich blamieren! Am besten blieb er einfach hier draußen, oder?
Plötzlich packte Catarina ihn am Arm und zog ihn wortlos in die Mitte des Platzes, wo ein großer Springbrunnen lag. Sie führte ihn bis zum Rand, wo er sein Spiegelbild im Wasser sah.
Er konnte es erst nicht glauben, aber als er mit seiner Hand seine Wange berührte und das Spiegelbild genau dasselbe tat, wurde es zur Realität.
Sein Gesicht sah ... anders aus.
Seine Augen waren von etwas Dunkelblauem umrandet, sodass sie größer, aber auch geheimnisvoller wirkten. Zudem glitzerten sie genauso wie seine Haare, die jemand zu Spitzen hochgegelt hatte. Ein paar seiner Haarsträhnen glänzten blau und weiß.
Auch seine Lippen schimmerten leicht, aber das konnte genauso gut am Mondlicht liegen.
Er sah gut aus, auch wenn er sich selbst kaum wiedererkannte.
~Wie ... ?~
~Als Ragnor dir deinen neuen Anzug hergezaubert hat. So wird dich niemand erkennen. Also kannst du gefahrlos auf diesen Ball gehen.~, antwortete Cat lächelnd.
Magnus konnte nicht anders, als ihr erneut um den Hals zu fallen. Dieser ganze Abend war so unwirklich und obwohl er schlimm begonnen hatte, jetzt so wunderschön.
Schon bald löste sich Cat von ihm und scheuchte ihn weg.
~Und jetzt geh schon. Einen Alexander lässt man nicht warten.~
~Und was ist mit dir?~
~Ich bleibe hier und passe auf die Kutsche auf.~, meinte sie, auch wenn es sich nicht wie die ganze Wahrheit anhörte.
~Ok, wünsch mir Glück.~
~Immer.~
Mit dieen Worten begann er die Treppen zu erklimmen, um hoffentlich die schönste Nacht seines Lebens zu erleben.
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