Kapitel 14 - Enttäuschung

~Was willst du hier in diesem Aufzug?~, fragte Sebastian misstrauisch, der sich als erster wieder gefangen hatte.

Camille, die neben ihm stand, verdrehte nur die Augen.
~Du bist so dumm, dass es schon wehtun müsste.~

Er ignorierte sie und wandte sich stadessen an seine Mutter~Was will er hier?~

Magnus atmete tief durch, denn das Herz schlug ihm bis zum Hals. Er hoffte so sehr, dass sie einverstanden war. Diese Hoffnung war beinahe schon gefährlich stark.

~Kann ich euch nicht vielleicht doch zum Ball begleiten? Es würde euch nichts kosten und ich würde euch auch nicht blamieren. Ich will nur dabei sein.~, trug er ungefragt sein Anliegen vor und knetete dabei nervös seine Hände.

Kurz herrschte schockiertes Schweigen, bevor Camille leise loskicherte.
~Unglaublich! Er denkt wirklich, wir nehmen ihn mit!~, gakerte sie.

Magnus kniff die Augen zusammen im Versuch, ruhig zu bleiben. Natürlich hatte er nicht gerade Freude erwartet, aber dass man ihn deswegen auslachte ... Das verletzte ihn mehr, als er zugeben wollte.

Dennoch wollte er sich nichts anmerken lassen, denn immerhin war das letzte Wort hier noch nicht gesprochen.
Vielleicht teilte Lilith die Meinung ihrer Tochter ja nicht und gewährte ihm stadessen seinen Wunsch.

Vielleicht hatte sie seinen Geburtstag doch nicht vergessen und das hier war nun sein Geschenk. Er hatte das zwar nicht erwartet, aber dennoch hoffte er es.

Noch immer brannte diese Hoffnung in ihm wie ein Leuchtfeuer. Er wollte sie nicht aufgeben, denn wozu sonst gab es schließlich das Sprichwort: Die Hoffnung stirbt zuletzt?

Mit eleganten Schritten kam Lilith auf ihn zu und ging langsam um ihn herum, während sie ihn beobachtete. Magnus fühlte sich unwohl, aber das versteckte er so gut wie möglich.

~Hast du den Anzug geklaut?~, fragte sie ihn abrupt, aber mit einem harten Unterton in der Stimme.

Überrascht, dass sie ihm so etwas zutraute, schnappte er nach Luft.
~Natürlich nicht! Die Schneiderin hat ihn für mich gemacht.~, antwortete er unsicher.

Sie kam vor ihm zum Stehen und schon spürte er eine kühle Hand unter seinem Kinn, welches sie gewaltsam hochdrückte. Wieder sah er in diese dunklen Augen, die irgendetwas zutiefst Bedrohliches an sich hatten.

Magnus hatte sich nie vor der Dunkelheit gefürchtet, aber da hatte er auch noch nie in solche Augen gesehen.

Seine Gedanken schwenkten plötzlich um, sodass er, statt in schwarze, in tiefblaue Augen zu blicken schien, die ihm so wunderschön vorkamen.

Er verlor sich viel zu gerne in Alexanders Augen, selbst wenn er sie sich nur in seinem Kopf ausmalte. Sie schienen ihm wie der sonnenbeschienene Ozean. So tief und geheimnisvoll, stürmisch und gleichzeitig sanft. Wie sehr er diese Augen doch wiedersehen wollte ...

Liliths Worte jedoch rissen ihn aus seinem zuckersüßen Tagtraum und zerrten ihn zurück in die Realität.
~Du glaubst, dass wir dich mitnehmen, nur weil du ein ordentliches Gewand trägst? Oh Magnus, wie falsch du doch liegst.
Du kannst dich so anziehen wie wir und doch kannst du damit dein wahres Wesen nicht verstecken. Du bist und bleibst eine Enttäuschung. Ich dachte, das hätte ich dir bereits erklärt. Ich hätte dich nach dem Tod deines Vaters auf die Straße werfen können, denn dort gehört Abschaum wie du hin. Stadessen habe ich dich aufgenommen und stets gut behandelt. Und das obwohl du eine ekalhafte Enttäuschung bist.
Du kannst versuchen, dich so zu verhalten wie wir und doch täuscht das nicht darüber hinweg, dass du ein tollpatschiger Bauerntrampel bist, der alles um sich herum zerstört. Warum sonst solltest du dich nur hier im Haus aufhalten? So jemanden wie dich kann man doch niemanden zumuten. Selbst hier ist es eine Folter
dich zu ertragen.
Du kannst so tun, als wärst du wie wir, aber das bist du nicht. Allein mit deiner Herkunft widerst du Fremde an und dann auch noch dein abstoßendes Aussehen und dieser schreckliche Charkater dahinter. Man könnte meinen, du wärst von einem Monster erzogen worden.
Sie es endlich ein, Magnus, du bist und bleibst Abschaum. Du verpestest alles und jeden um dich herum. Wie Unkraut gehörst du nicht hierher und das ist der Grund, wieso du nicht mitgehen wirst.~, sagte sie so laut, dass es ihre Kinder hörten und doch so leise, dass es ihn mitten ins Herz traf.

Er war traurig, verletzt, angsterfüllt und er fühlte sich zeitgleich so gedemütigt, hoffnungslos und ... krank.

War er krank?
Wusste ein Kranker überbaupt, wenn er krank war?
Hatte sein Stiefmutter recht?
Log sie ihn doch an?
Log Lilith überhaupt?

Seine Gedanken rasten so schnell wie sein Herz. Er erwischte lediglich Fetzen dieses Wirbelsturms, aber plötzlich schien selbst dieser zu zerfallen, als er das Geräusch von reißendem Stoff hörte.

Lilith hatte einen Teil seines Jacketts abgerissen.

~Selbst deine Kleidung verpestest du.~
~Sie nur. Es zerfällt alles.~, stimmte Camille kichernd mit ein, während sie sein weißes Hemd zerriss.

Sebastian war nun ebenfalls aus seiner Starre erwacht und stand nun hinter ihm.
~Das muss doch bestimmt eine Krankheit sein. Es zersetzt sich förmlich!~
Im nächsten Moment war sein Hosenbein eingerissen.

Magnus ließ diese Tortur still über sich ergehen, während er begann vor unterdrückten Emotionen zu zittern. Sie hätten ihm auch ebensogut Messer in den Leib rammen können. Für ihn schien das plötzlich keinen Unterschied mehr zu machen.

Als sie endlich von ihm abließen, war der schöne Anzug völlig zerstört, aber genauso schien es seine Würde und seine Hoffnung zu sein, die irgendwo zwischen den roten und weißen Fetzten am Boden lagen.

~Während unserer Abwesenheit denkst du über dein Verhalten nach. So etwas wird nicht wieder vorkommen oder es hat ernsthafte Konsequenzen.~, sagte Lilith noch, bevor sie, gefolgt von ihren Kindern, das Haus verließ.

Magnus wartete noch, bis die Tür zugefallen war, bis er seinem Trieb endlich nachgab und floh. Erst in den Keller und dann durch die Hintertür ins Freie.

Die Sonne stand bereits so niedrig, dass der Garten im tiefen Schatten lag, aber zum ersten Mal interessierte er sich nicht für diese Schönheit. Er interessierte sich für überhaupt nichts mehr.

Er wollte nur hier weg, aber dem Schmerz würde er wohl nicht entkommen können. Jedes von Liliths Worten hatte ihn ohne Vorwarnung direkt ins Herz getroffen. Sie hatten jegliches Licht in ihm ausgelöscht, sodass nun alles viel dunkler und trostloser wirkte.

Dass er nicht mit zum Ball durfte, war gerade seine geringste Sorge, denn mit Erschrecken stellte er fest, dass alles Positive plötzlich vor ihm verborgen lag. Nirgends war etwas von der guten Sicht auf die Dinge, die ihm seine Mutter immer gepredigt hatte, übrig geblieben. Die Hoffnung war fort.

Auch das Wunder, das Wunder in jedem Tag ... Es war weg. Er fand es nicht mehr.

Er hatte den Auftrag seiner Mutter nicht erfüllen können. Liliths Worte hatten ihn um das Licht ihrer Worte gebracht und nun fühlte er sich so schrecklich einsam.

Er hatte seine Mutter enttäuscht. Das hatte er nie gewollt. Er hatte all das nie gewollt.

Ungehindert liefen ihm die Tränen übers Gesicht. Es war lange her, dass er das letzte Mal geweint hatte. Normalerweise wirkte sein ruhiger Optimismus gegen diese Art der Traurigkeit, doch nun war dieser fort.

Er schluchzte leise. Wieso nur? Warum musste er hier so leiden? Was hatte er verbrochen, um das zu verdienen? Hatte er es überhaupt verdient?
Möglicherweise, jedoch ...

Ein vertrautes Wiehern riss ihn aus seinem Gedankenkarussell. Es war Cat, aber sollte sie nicht längst in der Scheune sein?
Wie war sie rausgekommen?

Sie wieherte erneut und rief somit nach ihm. Er folgte dem Geräusch bis in die hinterste Ecke des großen Gartens hinein, bis er sie an einem Baum fand.

Der Anblick, der sich ihm dort bot, war gleichermaßen überraschend wie faszinerend.

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