Kapitel 11 - Theresa Gray

Der nächste Tag verlief beinahe schon angenehm normal. Camille war mit der Temperatur ihres Morgentees zufrieden gewesen und sowohl das Frühstück, als auch das Mittagessen standen pünktlich auf dem Tisch.
Nun war der Hauslehrer von Liliths leiblichen Kindern zu Besuch und brachte Sebastian und Camille die verschiedenen Künste näher.

Magnus räumte gerade das Geschirr vom Tisch, aber er war nicht ganz bei der Sache. Viel mehr verlor er sich förmlich in einem weiteren Hoffnungsschimmer.

Vielleicht dürfte er ja doch auf den Ball, wenn er nur passend dazu gekleidet war. Dorothea hatte ihm schließlich gesagt, dass sie einen Anzug für ihn schneidern wollte. Er müsste auf diesem Ball doch noch nicht einmal tanzen! Ihm würde es schon reichen am Rand zu stehen und die Atmosphäre zu genießen. Er würde niemanden blamieren und hätte dennoch seinen Spaß.

Wer weiß, vielleicht traf er sogar auf Alexander und konnte nochmal mit ihm reden. Vielleicht könnte er dabei auch seine Hand halten? Er würde so gerne seine Hand halten. Er würde auch gerne mal testen, ob seine Haare wirklich so flauschig waren, wie sie aussahen oder ob seine Lippen wirklich so verführerisch schmeckten, wie sie wirkten.

Von seinen eigenen Gedanken überrascht, errötete er.
Reden. Ersteinmal Reden, nahm er sich schmunzelnd vor.

Ihm würde es beinahe schon reichen, wenn er Alexander nur sehen könnte, denn allein sein Anblick schien ihn zu beruhigen, aber auch auf positive Weise nervös zu machen.

~Jetzt hör endlich auf mit der Katzenmusik! Ich kann so nicht denken!~, drang Sebastians wütende Stimme aus dem Wohnzimmer.

Magnus lächelte erneut und seufzte erleichtert, als es endlich ruhig wurde. Camille saß gerade vor dem Flügel und sang irgendeine Ballade. Allerdings verzerrte sie die einzelnen Töne so sehr, dass man die Worte nur noch erahnen konnte und die eigentliche Geschichte dahinter vollkommend unterging.

Hinzu kam, dass jegliche Töne so schräg waren, dass sie beinahe schon in den Ohren schmerzten. Man hatte dem Klavier sein Leid förmlich angehört.

Nun zetterte sie~Du denkst? Jetzt überrascht du mich aber, Bruderherz!~

~Das kann durchaus überraschend sein, wenn man es selbst nie zuvor getan hat!~
~Ich denke sehr wohl!~
~Mit dem Make Up Pinsel vielleicht!~, konterte Sebastian.

Magnus konnte einfach nicht begreifen, warum sie ständig miteinander stritten.

Er selbst hatte sich immer Geschwister gewünscht. Einfach jemanden, mit dem er Reden konnte. Wenn es eine Schwester wäre, hätte er ihr wahrscheinlich die schönsten Frisuren geflochten und wenn es ein Bruder wäre, hätte er nur Unsinn mit ihm angestellt.

Zwar hatte er Sebastian und Camille, aber diese ignorierten ihn vollkommend oder beschwerten sich über ihn.

~Es reicht!~, schritt Lilith ein,~Wir haben einen Gast.~
~Sehr recht~, stimmte der Hauslehrer gelassen hinzu, bevor er fragte,~Also Sebastian, nennt mir das erste Zitat, das Euch zum Thema Liebe einfällt.~

Magnus lief mit einem Stapel benutzter Teller gerade durchs Wohnzimmer, weshalb er förmlich mitten in das Schweigen platzte.

Sebastian hatte die Stirn gerunzelt und schien nachzudenken, während er von seiner Mutter wütend angefunkelt wurde. Der Hauslehrer bedachte ihn mit einem kritischen Blick und Camille schien sich an der Ahnungslosigkeit ihres Bruders zu weiden.

Magnus kam nicht umhin, etwas Mitleid für seinen Stiefbruder zu empfinden, denn dieser stand unter stetigem Druck.

Alle wollten, dass er perfekt war und vor allem Lilith schien ihm immerzu das Gefühl zu geben, nicht gut genug zu sein. Magnus kannte diesen Druck selbst und wusste deshalb, wie grausam er oft sein konnte.

Da ihn die Stille selbst bedrückte, sagte er plötzlich~Die Liebe verändert dich. Die Liebe verändert die Welt. Solche Liebe kann man gar nicht verlieren, egal wie lange man lebt.~
~Theresa Gray.~, stellte der Haulehrer sichtlich überrascht fest.

Magnus nickte und spürte, wie seine Wangen heiß wurden. Dieses Zitat war einfach aus ihm herausgerutscht und nun im Mittelpunkt jeglicher Aufmerksamkeit zu stehen, war seltsam, aber nicht unangenehm, zumindest noch nicht.

~Woher weiß Eher Bediensteter so etwas?~, fragte der Hauslehrer Lilith.

Magnus zwang sich zu einer unbeteiligten Miene, denn wie immer verletzte es ihn, nicht als Teil dieser Familie anerkannt zu werden. Natürlich waren sie nicht blutsverwandt oder dergleichen, aber es versetzte ihm dennoch einen Stich.

~Wahrscheinlich hat er das irgendwo aufgeschnappt. Er sollte eigentlich nicht lauschen, aber wie will man so etwas denn schon überprüfen?~
~Das hat mir meine Mutter beigebracht.~, erklärte er schnell.

Er hatte sich zwar daran gewöhnt, dass man viel mehr über ihn als mit ihm sprach, aber irgendwie hatte er das Gefühl, sein Erlerntes zu verteidigen.
Wahrscheinlich lag es daran, dass Theresa Gray die Lieblingsphilosophin seiner Mutter gewesen war und er sie ebenfalls so schätzte, dass er eine der Mäuse nach ihr benannt hatte.

Was er sich aber genau davon erhoffte, wusste er selbst nicht.

~Dann hätte sie ihr wissen mal lieber mit dem jungen Sebastian teilen sollen, statt mit einem einfachen Bediensteten, der mit diesen Worten nichts anzufangen weiß.~

Magnus schluckte die Wahrheit, dass seine Mutter Sebastian noch nicht einmal kennen gelernt hatte, herunter und sah den Kommentar des Lehrers als Startsignal, dass er nun gehen durfte. Er entschuldigte sich also leise und floh dann förmlich in den Keller.

Als die Tür hinter ihm zugefallen war, atmete er erleichtert durch. Er hoffte, dass seine plötzliche Flucht keine Folgen nach sich zog, aber selbst wenn, würde er damit schon irgendwie fertig werden können. Er hatte es oben einfach nicht mehr ausgehalten, sondern wollte nur noch weg.

Hier unten ging es ihm schon besser und während er begann, die Teller zu säubern, gingen seine Gedanken wieder auf Wanderschaft.

Der bekannteste Pfad führte sie zurück zu tiefblauen Augen, die ihn gefangen genommen hatten, ohne ihn wirklich einzuengen.
Liebe verändert dich, hatte die Philosphin Theresa Gray einst zu einem alten Freund gesagt. Vielleicht veränderte ihn die Liebe ja auch. Vielleicht sogar so sehr, dass Alexander ... ihn so mögen würde, wie er war?

War er denn überhaupt verliebt?
Magnus war es bisher noch nie und kannte dieses Verliebtsein nur aus Büchern. Was er wusste, war, dass er Alexander einfach nicht aus dem Kopf bekam und sich stadessen nach ihm sehnte.

Magnus hoffte wirklich, dass seine Stiefmutter einmal Erbarmen zeigen und ihn mit zum Ball nehmen würde.

Theoretisch durfte er ja hin, denn auch er war gewissermaßen ein Bürger des Konigreichs. Er durfte zum Ball erscheinen. Aber er würde wahrscheinlich nicht hingehen, wenn ihm seine Stiefmutter das verbot.

Er hoffte, dass es nicht so weit kommen würde, denn er würde so gerne mal an so etwas teilnehmen. Nur einmal.

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