Kapitel 2

...wäre beinahe doch gefallen. aber ich werde gehalten. Da steht ein Junge, dem ich je begegnet bin, und hält mich wie ein Anker im Leben.

Ich drehe mich vorsichtig um, er passt seinen Griff an, aber lässt nicht los. Fast als wäre ich ein gefangener Vogel.
Jetzt kann ich ihn ansehen, ist er noch ein Junge oder schon ein Mann? Er sieht kaum älter als ich aus, wahrscheinlich ist er ein halber Kopf größer als ich, wenn wir nebeneinanderstünden.
Er trägt einen langen schwarzen Mantel. Den Kragen hat er hochgestellt, vielleicht wegen der Kälte , oder wegen schlimmeres.
Ich spüre die Kraft seiner schmalen Hände, mit denen er mich festhält. Er drückt so stark, dass meine Hand anfängt zu kribbeln.
Er sieht zu mir hoch, angespannt, als würde er versuchen in meinen Augen abzulesen was ich vorhabe. Braune, fast Kinnlange Strähnen fallen in sein schmales, blasses Gesicht. Kann man so eine Haarfarbe überhaupt haben? Sie ist anders als andere braune Haare. Mit seinen dunklen Augen sieht er aus wie ein Mangaprinz. Als er sicher aussah, dass ich nicht kämpfen werde, zieht er mich am Arm zu sich. Ich kämpfe nicht, nicht jetzt, nicht heute.
Viel zu gebannt bin ich vor Ihm, der so plötzlich wie aus dem Nichts aufgetaucht ist. Ich beuge die Knie, bis ich auf Augenhöhe bin. Beim runter springen auf die Plattform, verliere ich mein Gleichgewicht, knicke mit den rechten Fuß weg und stolpere, er fängt mich auf. Schnell wie ein zupackendes Tier, hat er seine Arme um mich.
Er sieht mich immer noch an, mit seinen schönen dunklen Augen. Doch er sagt nichts.
Ich stehe so nah an ihm, dass ich schon hören kann, wie er atmet.
Er riecht nach Wald, fällt mir auf. "versprich mir, dass du das nicht wieder versuchst! "sagte er mit seiner rauen, aber auch leisen Stimme.
Er hat aber eine so schöne Stimme, dass ich Gänsehaut bekomme.
Es ist lange her, dass jemand mit mir gesprochen hat, ausser meine Eltern. Nicht an mir vorbei, ausweichend, als könnte man mein Blick nicht ertragen , mit mir.
Es tut so gut. Es ist ein schönes Gefühl. Ich lächle ein wenig und auch er lächelt. Sein lächeln kommt mir vor, wie ein schmaler Sonnenstrahl, der nicht genug Wärme gibt, aber die Hoffnung auf mehr.
Er geht ein Schritt nach hinten. Langsam lockert er seine Arme, als müsste er jeden seiner Finger einzeln überreden loszulassen.
Seine Rechte Hand gleitet mein Arm runter, und umschließt meine Finger, ohne dass ich zugreife. Soll ich? Sein Blick hält mich fest. Das ist kein Händchenhalten. Er hat mein Versprechen noch nicht. Er wartet, ob ich wenigstens nicke. Ich will nicht. Er kennt mich doch garnicht.
"Warum sollte ich sowas versprechen? "frage ich. Mein Blick bricht den Bann. Ich schaue weg. Er folgt meinem Blick und versteht.
Wir beide wissen, dass ich tot wäre, wenn er mich nicht gehalten hätte. "Es wäre falsch! " Er hält meine Hand. Ich spüre die Anspannung in seinen Fingern. "Denk mal an die , die du zurück gelassen hättest."
"Mich würde keiner vermissen. Die haben alle genug mit sich selber Zutun "sagte ich.
"Glaub das mal nicht"
"Es ist mein Leben. Ich kann bestimmen, wann es zuende sein soll. "
Er seufzt "Wie heißt du? "
"Lilly" sagte ich leicht betont.
"Lilly" wiederholt er dann. Er überlegt kurz " Ich würde dich vermissen Lilly! "er wartet meine Antwort nicht ab.
Er zieht mich zur Treppe. Er öffnet Die Tür vorsichtig und geht voran. Ich höre wie sein Mantel an der Wand entlang streift. Draußen schlägt eine Autotür zu. Er wartet kurz, und geht weiter.

"Du kannst mich ruhig loslassen." sage ich ruhig. Er hält Mich nur fester "gleich!" dann sind wir an der Straße, er bleibt stehen.
Er guckt kurz, ob ein Auto kommt. Dann packt er mich an die Schultern und sieht mir direkt in die Augen .
"Und jetzt wirst du es mir versprechen! " verlangt er.
Ich fühle die Worte als Hauch in meinem Gesicht.
Ich mag es nicht wenn man mich zwingt, nicht mal, wenn man so fremdartig, so Geheimnissvoll und faszinierend ist, wie er. Nicht einmal dann. Er kann nicht in mein Kopf sehen. Auch wenn ich es verspreche, woher soll er wissen, dass ich es einhalte?
Aufeinmal war ich mir dann doch unsicher. Er ist anders als die anderen Menschen. Vielleicht kann er doch in meinem Kopf sehen. So blass. Vielleicht gelten keine normalen regeln für ihn.
"Wage es dich nicht! Ich beobachte dich!" sagt er und schaut mich mit einen genervten aber dennoch besorgten Blick an.

Ich schüttel ihn ab "Du beobachtest mich?" aufeinmal komme ich mir so überwacht vor. Hat er alle meine Schritte im Wald und im Turm gesehen? Ich habe mich schon gefragt wie er dort hoch kam. "Wie lange schon? " frage ich erschrocken. Er zuckt mit den Schultern "Ich weiß nicht. Ein Monat schon oder so"
Ich war wohl zu viel mit mir selbst beschäftigt, dass er mir nie aufgefallen ist. Der Hund fiel mir ein "Der Hund gehört zu dir, nicht wahr?" frage ich immernoch erschrocken. "Sozusagen" antwortet er mit einem leichten lächeln.
Er wartet immernoch auf meine Antwort "Bitte." sagte er leise.
Ich nicke. "Danke Lilly" haucht er dann.
So hat er meine Tür aus dem Leben zugeschlossen. Mein Notausgang. "Lilly geh nachhause und lebe!"  sagte er noch zum Abschluss. Dann dreht er sich um und geht. "Warte! " rufe ich "Treffen wie uns wieder?" frage ich als er stehen bleibt. Er überlegt kurz "Besser nicht." sagte er leise. Er geht weiter. " Wie heißt du? " rufe ich hinterher. Er bleibt erneut stehen und überlegt wieder " Luca!"
Ruft er und dann war er weg. Hinter dem Baum. Wahrscheinlich wartet dort auch sein kleiner Hund.

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