Der letzte Zug
Es war eine kalte, stille Nacht, als hastig durch die dunklen Straßen der Stadt eilte. Der Regen peitschte mir ins Gesicht und mein Blick wanderte immer wieder auf die Uhr an meinen Handgelenk: 23:45 Uhr. Der letzte Zug würde gleich abfahren, ich musste mich beeilen.
Am Bahnhof wirkte alles ruhig, als ich schließlich die Treppen zum Gleis hinunter hastete. Der Lärm der Stadt oben, war hier unten kaum zu hören und das Geräusch des heulenden Windes war das einzige, das die düstere Stille durchbrach. Die Bahnhofshalle war schwach beleuchtet, und die alten Neonröhren flackerten unruhig, als ich den Bahnsteig erreichte.
Aber kaum hatte ich dem Bahnsteig betreten, bemerkte ich, dass ich nicht alleine war.
Weiter vorne, nahe der Kante des Bahnsteigs, stand eine kleine Gruppe Menschen. Sie standen still da, den Blick in den dunklen Tunnel gerichtet, aus dem gleich der Zug kommen würde.
Ich konnte ihre Gesichter nicht erkennen, da sie alle Kapuzen oder Hüte trugen, aber ich spürte, wie mich ein merkwürdiges Unbehagen beschlich.
Zögernd näherte ich mich der kleinen Ansammlung, hielt jedoch auch ein paar Schritte Abstand. Die Leute standen wie versteinerd da, ohne sich zu bewegen oder miteinander zu reden.
Normalerweise hätte ich abgenommen, dass sie lediglich auf den Zug warteten, doch irgendetwas war seltsam an der Situation, das ich nicht genau bestimmen konnte.
Ich warf einen erneuten Blick auf meine Armbanduhr: 23:55 Uhr. In wenigen Minuten sollte der Zug kommen. Außer den Personen vor mir war keine weitere Seele zu sehen.
Plötzlich hörte ich es, ein leises, stetiges Rattern, das aus dem Tunnel drang. Der Zug näherte sich und ich atmete erleichtert auf. Doch als der Zug aus dem Tunnel auftauchte, spürte ich, wie mein Herz schneller schlug. Etwas stimmte nicht.
Der Zug sah alt und heruntergekommen aus, die Fenster waren verschmutzt und die Lichter flackerten unregelmäßig.
Als der Zug stehen blieb, öffneten sich die Türen mit einem zischenden Geräusch und ohne zu Zögern betrat die kleine Gruppe vor ihm die Waggons.
Ich zögerte, aber der Gedanke, hier allein zurückzubleiben und bis zum Morgen auf den nächsten Zug zu warten, ließ mich ihnen mit klopfendem Herzen folgen. Kaum hatte ich den Waggon betreten, schlossen sich die Türen hinter mir mit einem lauten Zischen.
Der Zug war von innen genauso heruntergekommen, wie von außen. Die Sitze sahen ausgenutzt aus und die Luft roch modrig. Die Personen, die den Zug vor mir betreten hatten, waren verschwunden.
Ich ging zielstrebig zu einem der freien Plätze und setzte mich. Ich versuchte mich zu entspannen, obwohl mich das Unbehagen nicht losließ. Doch irgendwie schaffte ich es wohl trotzdem einzuschlafen.
Ich hatte keinerlei Ahnung, wie viel Zeit vergangen war, als ich von einem seltsamen Geräusch geweckt wurde. Es war ein scharrendes, unheimliches Geräusch, das ganz sicher aus einem der Waggons kam. Ich konnte eine leichte Vibration, die von dem Zug auszugehen schien spüren. Und noch etwas hatte sich verändert. Die Lichter flackerten stärker, als zuvor. Auch das Scharren wurde von Sekunde zu Sekunde lauter.
Ich richtete mich ganz in meinem Sitz auf und spähte vorsichtig den langen Gang entlang. Schnell fasste ich den Entschluss, sobald der Zug an der nächsten Haltestelle hielt, auszusteigen.
Gerade wollte ich von meinem Platz aufstehen, als es einen plötzlichen Ruck gab und der Zug bremste.
Gott sei Dank! dachte ich, Nichts wie raus hier!
Doch kaum, dass ich stand, gingen alle Lichter in meinem Waggon aus. Von einem auf den nächsten Moment war alles in eine tiefe Dunkelheit gehüllt. Mein Atem ging schneller und ich konnte spüren, wie mein Herz raste.
Dann hörte ich es: Schritte. Langsame, schwere Schritte, die sich - wie ich vermutete - über den Gang von einer Seite aus näherte. Ich konnte nicht genau sagen, aus welcher Richtung sie kamen, doch ich war ganz sicher, dass ich sie mir nicht einbildete.
Die Schritte kamen immer näher, aber ich schien nicht in der Lage zu sein, mich zu bewegen. Es war als wäre ich zu Stein erstarrt.
Auf einmal spürte ich eine eine eiskalte Hand wie aus dem Nichts auf meiner Schulter. Ich trug einen dicken Mantel und doch drang diese Kälte bis auf meine Haut und ließ mich schaudern.
"Sieh mich an," flüsterte eine heißer klingende Stimme hinter mir.
Langsam, fast wie in einem Albtraum, drehte ich mich um, bis ich in ein Paar leuchtend roter Augen blickte, die aus der Dunkelheit herausragten. Den Rest der Gestalt konnte ich in der Finsternis nicht ausmachen. Aber ich wusste instinktiv, dass das vor mir kein Mensch aus Fleisch und Blut war.
"Du gehörst jetzt mir," flüsterte das... Monster vor mir. Es hatte die Stimme eines Menschen, aber sie klang nicht richtig. Der Satz klang eher so, als hätte ihn jemand gesagt, der noch nie irgendetwas ähnliches wie ein verständliches Wort gesagt hatte. Da war keine tiefe und keine Emotionen. Und vielleicht war es genau das, was mich so in Todesangst versetzte.
Ein erneuter Ruck ging durch den Zug, als dieser sich wieder in Bewegung setzte.
Ich war mir sicher, dass es jetzt vorbei war. In diesem Moment, als ich mich geschlagen gab, schloss ich meine Augen.
Doch sobald ich dies getan hatte, schien die Dunkelheit um mich herum in einem grellen Lichtblitz zu explodieren.
Zögernd öffnete ich die Augen wieder und erkannte, wo ich mich befand.
Zu meiner Verwunderung stand ich wieder am Bahnsteig. Der Zug war verschwunden. Doch etwas war anders. Der Bahnhof wirkte alt, verlassen, als ob er seit Jahren nicht mehr benutzt worden wäre. Die Uhren waren stehen geblieben, die Schilder zerfallen, kein Mensch weit und breit.
Verwirrt und verängstigt lief ich durch den Bahnhof. Mein Handy war tot und jede Tür, die ich versuchte zu öffnen, war verschlossen. Die Stille um ihn herum war erdrückend und jedes kleine Geräusch, das er verursachte, wirkte doppelt so laut.
Schließlich, nach langem Suchen, fand ich endlich einen Ausgang. Ich stolperte auf die Straße und blickte in die Nacht hinaus. Doch auch hier sah es nicht viel anders aus, als drinnen.
Alles sah alt und verlassen aus und die Autos standen zurückgelassen am Straßenrand.
Ich wanderte weiter durch die dunklen Gassen, doch je weiter ich ging, desto verzweifelter wurde ich.
In einer abgelegenen Gasse, deren Ende durch dunkle Schatten nicht genau zu erkennen war, sah er plötzlich den Zug wieder. Es war, als würde er mich auf Schritt und Tritt verfolgen, seit ich ihn zum ersten Mal betreten hatte.
Die Türen öffneten sich langsam, mit einem lauten Zischen, als wollten sie mich dazu ermutigen einzusteigen.
Ich fühlte mich, als würde der Zug mich auf eine bedrohliche Weise magisch anziehen und ich gab diesem Gefühl nach, da ich nicht wusste, was ich ansonsten tun sollte.
Je weiter ich sich dem Ungetüm näherte, desto klarer wurden die Erinnerungen des Monsters, das mir dort begegnet war.
Dennoch betrat ich den Waggon und sogleich schlossen sich die Türen hinter mir wieder. Doch in dem Moment, als der Zug losfuhr, wusste ich instinktiv, dass ich nicht mehr entkommen konnte. Ich hatte keine Ahnung, wohin mich dieser Geisterzug bringen würde. Aber mein Schicksal wae bereits besiegelt gewesen, als ich ihn zum ersten Mal betreten hatte.
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