Julius als Weihnachtswichtel im Zoo

Was Tiere wohl von Weihnachten halten? Wetten, es geht ihnen an den Hufen vorbei? Dieser Briefeschreiber scheint nicht mehr alle Futterraufen im Stall zu haben, wenn er mich mit Geschenken für Tiere in den Zoo schickt. Olly und Caro fanden ihre Aufgaben im Nachhinein toll. Wenig überraschend, denn wessen Herz würde beim Anblick glücklicher alte Leute oder Kinder nicht schmelzen? Meine Zielobjekte dagegen wissen es wahrscheinlich nicht zu schätzen, dass ich meinen wertvollen Mittwochnachmittag statt beim Basketballtraining bei ihnen verbringe. 

Wie erwartet ist es im Zoo relativ leer, als ich dort eintreffe. Mal ehrlich, was will man da an einem frostigen Dezembertag unter der Woche auch? Es gibt hundert Dinge, die bei den Temperaturen viel mehr Spaß machen. Mit Freunden auf dem Weihnachtsmarkt Glühwein kippen, in eine dicke Decke eingekuschelt Computerspiele spielen oder schreckliche Sachen fürs Schrottwichteln suchen zum Beispiel. Meine Oma hat mir letztes Jahr einige pinke Sushi-Matten geschenkt, die ich loswerden muss und meine Tante einen sprechenden Wecker, der "es ist zehn Uhr, mach hinne, du Faulpelz!" schreit. Leider können Tiere weder mit Sushi-Matten noch mit Weckern viel anfangen, also muss ich dafür andere Abnehmer finden. 

Wenn die Tierpfleger mich erwischen, halten die mich bestimmt für völlig durchgeknallt! Ich lehne mich am Gatter des Zebrageheges an und atme tief durch. Mein Atem lässt weiße Wölkchen durch die Luft schweben und ich muss auf der Stelle hin- und herwippen, weil es so kalt ist. Oder noch schlimmer, sie denken, ich möchte ihre Tiere vergiften und rufen die Polizei! Mist, diese Idee ist hirnrissiger als hirnrissig. Ich bin zu jung, um Weihnachten im Knast zu verbringen.

Mein Herz fängt schneller an zu schlagen und mir wird schwarz vor Augen. Gerde noch schaffe ich es zu einer eingeschneiten Bank und lasse mich darauf nieder. Brr, ist das kalt! Ich zwinge mich, langsamer zu atmen und öffne meinen Rucksack, um mir die mitgebrachten Geschenke anzusehen. Hoffentlich lenken sie mich ein paar Minuten lang von der verrückten Aktion, die ich gleich durchziehen werde, ab. Mal sehen... Hier haben wir frisch aus dem Kühlschrank gemopstes Gemüse, vor allem Karotten, Paprika und einen Salatkopf sowie einige Bananen. Dann wären da einige Spielzeugbälle, von denen einige mit Futter gefüllt sind und andere beim Rollen klingeln, aus Stroh geformte Radieschen und Baumwollspielseile. Sogar ein Windspiel, das beim Anstupsen Klanghölzer aneinanderstoßen und Töne erzeugen lässt, ist dabei. Und ein gefrorener Truthahn, das Prunkstück meiner Geschenkesammlung.

Wow, du hast dir wirklich Mühe gegeben, Juli!, lobe ich mich selbst und endlich beruhigt sich mein Atem. Trotzdem werde ich dem anonymen Briefeschreiber gerne einen Tritt in den Hintern verpassen, wenn ich ihm je über den Weg laufe. Weihnachtswichtel im Zoo spielen, wer kommt denn auf so eine beknackte Idee? Die Mädchen werden mich bestimmt auslachen, wenn sie das rausfinden. Olly hat seinen Ruf dank seines collen Weihnachtsrapps gerettet, aber wie soll man es cool aussehen lassen, ein Nashorn zu beschenken? Naja, jetzt stecke ich schon mitten drinnen und es ist zu spät, die ganze Sache abzublassen. Caro und Olly haben schließlich auch nicht gekniffen. Wo ist denn mein Plan? Genial wie ich bin, habe ich mir nämlich eine Route zurecht gelegt, um alle Geschenke bei ihren Empfängern abzuliefern. Ah, da ist er ja.

Ich fische den Zooplan aus meiner Jackentasche und betrachte stolz die rote Linie, die ich darauf gezogen habe. Zuerst liefere ich ein paar Leckerli bei den Zebras ab, dann sind die Kleintiere im Streichelzoo dran, gefolgt von den Menschenaffen und als Krönung steht noch ein Besuch beim Sumatra-Tiger an. Hektisch werfe ich einen Blick auf meine Uhr. Schon fast 16 Uhr. Ich muss in die Hufe kommen, wenn ich fertig sein will, bevor der Zoo schließt.

Rasch verstecke ich ein paar Karotten unter meiner Jacke und pirsche mich ans Zebragehege an. Da die Tiere nicht blöd sind und nicht einfach so auf einen Fremden zukommen, winke ich sie mit meinem schwarz-weiß gestreiften Schal heran. Und es funktioniert! Zwei besonders neugierige Exemplare möchten herausfinden, was für ein seltsamer Artgenosse da am Zaun steht und kommen auf mich zugetrabt. Sofort halte ich ihnen die Karotten entgegen-und sie beißen zu. Je ein Zebra kaut an einer Karotte. Schade, dass ich keine Hand frei habe, um ein Selfie zu schießen! Sieht bestimmt zum Schreien aus! Und jetzt kommt auch die restliche Zebraherde auf mich zu, um sich Leckerli abzuholen. Es sind schöne Tiere und sie scheinen friedfertig zu sein, zumindest schnappt keines nach mir und angespuckt wie ein Lama haben sie mich auch noch nicht. Langsam werde ich mutiger und tätschele einem davon den Hals. Wie weich sich das Fell anfühlt! Kaum zu glauben, dass alle Hunde als Haustiere haben wollen. Zum Dank spüre ich plötzlich etwas schlabbriges, warmes auf meinem Gesicht. Uah, das Zebra hat mich abgeschleckt!

"Hey! Finger weg! Tiere füttern strengstens verboten!", unterbricht mich plötzlich eine schrille Stimme. Ich zucke zusammen, woraufhin die Zebras Fersengeld geben und drehe mich um. Eine junge Tierpflegerin kommt mit bösem Blick auf mich zugestampft. Okay, Zeit abzuhauen, ansonsten ist mein Zooausflug schneller vorbei als ich "Oh Tannenbaum" sagen kann. Das Basketballtraining macht sich bemerkbar, denn ich sause in Windeseile den Weg zum Streicheltiergehege entlang und nach ein paar Minuten höre ich, wie die Tierpfelegerin keuchend stehend bleibt. Um sie in die Irre zu führen, renne ich im Zick Zack an der richtigen Abzweigung vorbei und schleiche auf einem anderen Weg von hinten zum Gehege. 

Keuchend suche ich die klingelnden Spielzeugbälle und die Paprikastückchen heraus und halte sie den Kaninchen und Meerschweinchen hin, während ich gegen ihren Stall gelehnt im Streicheltiergehege sitze. Die Kleintiere kommen sofort angewuselt, da sie Besucher gewohnt sind und stupsen mich an. Von einem Fellknäuel angestupst zu werden, kitzelt, da ihre langen Schnurhaare über die Haut streichen. Kein Wunder, dass so viele Leute Haustiere haben wollen, sie sind wirklich knuffig. Gerne wäre ich länger im Streichelgehege gesessen, aber plötzlich nähern sich Schritte. 

Mist, ich muss weg! Ohne mich gebührend von den Tieren zu verabschieden, springe ich über den Zaun und haste meinem nächsten Ziel entgegen, den Menschenaffen. Diesmal scheint mir die Tierpflegerin nicht gefolgt zu sein, denn selbst nach fünf Minuten Warten taucht niemand im Affenhaus auf. Stattdessen erhöhen die Orang Utans selbst dieses Mal den Schwierigkeitsgrad, denn sie wollen sich die Bananen nicht holen, die ich ihnen durch die Stäbe ihres Innengeheges zuschieben möchte. "Jetzt kommt schon!", flehe ich sie an, doch sie dösen weiterhin in ihren Hängekörben oder kratzen sich am Kopf, als kapierten sie nicht, was ich von ihnen will. Ich scharre mit den Füßen und werfe einen Blick auf mein Handy. Schon viel zu spät, ich muss die Bananen schnell an die Affen bringen. Aber moment mal, wozu hat man schon neue Technologie, wenn man sie nicht verwendet? Rasch suche ich auf Youtube nach einem Clip, der nach Familienangehörigen rufende Orang Utans im Dschungel von Borneo zeigt und tatsächlich: Die Affenlaute locken die Zoo-Bewohner zum Handy hin. Jetzt darf ich ihnen endlich die Bananen überreichen, die sie mir aus den Händen reißen und wünsche ihnen in Pantomime Frohe Weihnachten, da sie die menschliche Sprache nicht so toll verstehen (ist einfacher, als man denkt, für einen Weihnachtsbaum bildet man mit den Händen ein Dreieck über dem Kopf und für einen Engel wirbelt man seine Arme hin und her, als hätte man Flügel). Gerade als ich zum Abschied ein davonfliegendes Rentier nachmache, knirscht die Eingangstür. Verdammt, diese Tierpflegerin hat immer noch nicht aufgegeben! Aber da ich so oft im Zoo war, weiß ich, wo sich der Hinterausgang befindet. 

Dieses Mal laufe ich einen großen Umweg durchs Reptilienhaus, um meine Verfolgerin abzuhängen. Scheint eine wahre Detektivin zu sein, wenn sie mich bis zum Affenhaus verfolgt hat. Oder... Mich beschleicht eine böse Vorahnung, die durch einen Griff in meine Jackentasche bestätigt wird. Ich Idiot habe den Plan verloren, auf dem ich meine Weihnachtswichtel-Runde eingezeichnet habe! Kein Wunder, dass ich diese Tierpflegerin nicht abhängen kann. Meine einzige Chance ist meine Schnelligkeit, ich muss fertig sein, bevor sie hier ankommt. Am besten, ich werfe den Truthahn einfach zum Sumatra-Tiger ins Gehege. Ein weiterer Vorteil des Basketballtrainings ist ein guter Wurfarm, sollte also kein Problem sein. Eins, zwei und...

"Stopp, keine Bewegung!" Fluchend drehe ich mich um, die Arme hoch erhoben wie in einem Polizeifilm. Der Truthahn baumelt neben meinem Kopf und haut mir beinahe eine runter. 

Die Tierpflegerin zeigt mit einer Schaufel auf mich und schnauft wie ein wild gewordener Ochse. "Was denken Sie sich eigentlich? Füttern verboten! Wollen Sie über Weihnachten kotzende Zebras haben? Oder betrunkene Orang Utans? Oder war ihnen einfach langweilig?" Nun schnappt sie nach Luft, denn sie ist ziemlich massig und dem wirr unter ihrer Mütze heraushängendem Haar nach zu urteilen, hat die Verfolgungsjagd sie erschöpft.

"Hey, mal langsam!", versuche ich die Angestellte zu beruhigen und lege den Truthahn langsam neben mir ab. "Ich wollte nur nett sein und den Tieren zu Weihnachten Geschenke bringen! Ist doch blöd, wenn sie immer vergessen werden, wenn die Menschen sich vollstopfen. Und den Tieren im Streichelzoo wird ohne Besucher bestimmt langweilig!"

"Das glauben auch nur Idioten, Tiere kommen sehr gut ohne Menschen klar und brauchen keinen Babysitter. Sie Idiot haben mir eine Stunde meiner wertvollen Arbeitszeit geraubt, weil ich Sie durch den halben Zoo jagen musste! Seien Sie froh, wenn ich nicht die Polizei rufe!"

"Sie können sich gerne versichern, dass es den Tieren gut geht und ich ihnen kein Haar gekrümmt habe!", plappere ich weiter, da die Wut der Tierpflegerin nachzulassen scheint. "Und wenn Sie die Polizei rufen, raubt das noch mehr von Ihrer wertvollen Arbeitszeit, wollen Sie das?"

Endlich lehnt die Tierpflegerin die Schaufel an eine Bank. "Na schön, ich glaube Ihnen, dass Sie nichts Böses tun wollten. Aber in Zukunft lassen Sie diesen Schwachsinn, verstanden? Nun schnappen sie sich die Schaufel da und helfen Sie mir, bei den Nashörnern nebenan auszumisten. Schließlich muss ich die verlorene Stunde wieder reinholen."

Uff, das ging noch mal gut. Ich sammle den Truthahn vom Boden auf und will ihn auf der Bank ablegen, als... 

"Groar!" Etwas knallt mit einem metallischen Geräusch gegen den Zaun hinter uns. Schreiend drehe ich mich um und blicke direkt einem Sumatra-Tiger in die Augen. Zu meiner Erleichterung fletscht er nicht die Zähne, sondern schleckt sich mit seiner rosa Zunge ums Maul. 

"Na, da hat jemand den Truthahn wohl doch gerochen. Dann müssen Sie ihm den Vogel wohl geben!", gibt die Tierpflegerin nach und ich hole zum Wurf aus. Der Tiger folgt dem fliegenden Vogel mit den Augen und stürzt sofort hinterher, als der Truthahn ein ganzes Stück hinter dem Zaun aufschlägt. 

"Beeindruckend!", lobt mich die Tierpflegerin und deutet auf meine muskulösen Oberarme. "Nun aber an die Mistschaufel! Das wird für die Nashörner das schönste Geschenk von allen!"



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