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23/24.Dezember.1997
Julie ist seit einem Jahr tot.
Die Therapie hat mir wirklich geholfen, zudem ich auch sagen muss, dass es nicht einfach war. Am schwierigsten war es Emelie zu erklären, dass ihre Mutter jetzt im Himmel ist. Erst recht nicht, wenn man ein alleinerziehenden der Vater ist. Dieses Jahr bin ich Assistenzarzt. Das bedeutet nicht genug Gehalt, Überstunden, die natürlich nicht bezahlt werden, Fresse halten und arbeiten bis man erschöpft ist. Aber ich denke, dass ich es ganz gut im Griff kriege. Zudem bietet das Krankenhaus gute Betreuungsplätze ein, sodass Emelie gut versorgt ist. Auch hilft mir meine Mutter.
Es ist der dreiundzwanzigste Dezember und in ein paar Stunden hat Emelie Geburtstag. Ich habe ihr versprochen dieses mal bei ihr zu sein, aber ich bin ein Assistenzarzt und die Notaufnahme ist überfüllt. Assistenzärzte arbeiten nun mal an besonderen Feiertagen. Seattle ist eine kalte Stadt und die Straßen sind rutschig. Das heißt, viele Autounfälle und viele verletzte Menschen. Gerade versorge ich ein kleines Mädchen, dass einen Autounfall nur mit leichten Verletzungen davon gekommen ist, als mich der leitende Trauma Chirurgen Dr.Wallace ruft.
,,Johnson herkommen!", ruft er durch die Menge. Verwirrt schaue ich ihn an.
,,Ich brauche Sie hier. Eine Schwester kümmert sich um das Kind." Die Schwester nimmt mir ab und ich renne zu Dr. Wallace, der nach Bett drei zu beschäftigt ist.
,,Sie haben nach mir gerufen, Sir", sage ich und sehe einen bewusstlosen verletzen Mann hier auf der Liege liegen.
,,Das ist der Vater des Mädchens. Bereiten Sie schnell OP drei vor und piepen Sie den Herz-Thorax Chirurgen an. Sie assistieren mir", sagt er in eine monotone Stimme. Ich nicke und renne zu OP drei. Auf den Weg sehe ich auf der Tafel, dass OP drei besetzt ist. Ich rufe dort an, um sicherzugehen. Da heute mein Glückstag ist, ist diese OP nicht nur besetzt, sondern auch der Leitende Herz-Thorax Chirurg ist am Operieren und wird noch zwei Stunden dauern müssen.
,,Das ist nicht gut", sagt Dr.Wallace, als ich zu ihm zurückgerannt kommen bin, ,,Wir machen ihn hier auf."
,,Hier? Sind Sie sich sicher? Ohne Dr. Begemann?", ungläubig sehe ich Dr.Wallace an.
,,Wir haben keine Wahl. Das Mädchen hat schon ihre Mutter verloren. Sie darf ihren Vater auch nicht verlieren." Einen Schlag ins Gesicht. Die Pfleger bereiten alles schnell vor, aber in mir wächst eine große Angst und meine Gefühle kehren zurück. Auf einmal muss ich an die Worte meines Bruders denken, aber auch, denke ich an Emelie, die bei meiner Mutter ist und hofft, dass ich morgen nach Hause komme. Mir wird ein steriles Kitten angezogen und ich schlüpfe in die Handschuhe hinein, stehe aber nervös vor dem Patienten.
,,Dr.Johnson geht es Ihnen gut?", fragt mich der Arzt mit einem unzufriedenen Blick, ,,Oder sind Sie nicht in der Lage Ihre Gefühle zu kontrollieren?" Ich sehe ihn an. Emotionslos sieht er mich an. Ich sehe, dass es ihm nicht interessiert, wie es mir geht, sondern ob ich in der Lage bin, dem Patienten das Leben zum retten.
,,Mir geht es gut", log ich. Er erkennt die Lüge, geht aber weiter nicht darauf ein.
,,Gut", sagt er, ,,10 Skalpell."
Man sagt Glück im Unglück. Ein anderer Herz-Thorax Chirurg kam und hat es geschafft einen Bypass zu legen, sodass der Patient vorerst bis zur OP stabil ist. Der Raum sah katastrophal aus, aber der Patient ist stabil und wird durchgekommen.
Trotz der dicken Jacke, ist es draußen so verdammt kalt. So kalt, dass ich mir keine Zigarette anzünden kann, da meine Hände in der Jackentasche steckt. Verdammt! Ich hätte die Wirklich gebraucht. Eine schlechte Angewohnheit nach Julies tot.
,,Dr.Johnson", höre ich eine männliche Stimme. Ich drehe mich auch rechts und sehe da Dr.Wallace, ,,Sie sind ja hier."
,,Ja, ich wollte nur kurz frische Luft nehmen", sage ich.
Dr. Wallace lächelt mich an. ,,Ich hoffe, Ihnen geht es jetzt besser?"
Man, der muss ja unbedingt auf mir herumtrampeln
,,Ich denke schon", antworte ich unsicher. Er nickt. ,,Sie sind ein toller Arzt. Es ist schade, wenn sie es versammeln."
Dazu sage ich nichts. In den letzten Monaten habe ich überlegt, ob ich die Chirurgie Ausbildung abbrechen soll und etwas anderes machen sollte. Aber bis jetzt habe ich meinen Kündigungsschreiben nicht geschrieben. Mein Herz hält mich davon ab.
,,Nein natürlich nicht."
,,Wissen Sie", beginnt der Mann, ,,Ein Trauma endet nie. Egal was oder wie man es erlebt. Ich war in Afghanistan jahrelang als Arzt tätig und als ich zurück zu meiner Frau und meinen beiden Söhnen war, war alles so ruhig und friedlich, aber das Trauma im Kopf hat nie aufgehört. Ich trank soviel Alkohol, dass ich dachte, ich sterbe. Ab da beschloss ich mein Leben zu ändern, suchte mir Hilfe und machte meine Facharztausbildung zum Trauma Chirurgen Ich brauchte dieses Adrenalin. Diesen Stress, denn nur so komme ich damit klar. Ich habe gehört, dass Sie jemanden verloren haben, den sie lieben und jetzt haben Sie Angst."
Zum ersten Mal lächelt er mich an. Ich denke an seine Worte nach und erst jetzt wird mir klar, dass das mein Problem war. Diese ständige Ruhe. Seit dem Unfall hat mich das verfolgt und gestresst. Ich weiß, was das ist und wie nervig es nur sein kann. Dr.Wallace geht zurück ins Krankenhaus und lässt mich hier allein.
Ich schaue auf meiner Armbanduhr und sehe, dass wir genau 00.50 Uhr haben. Emelie Geburtstag. Mist. Schnell gehe ich ins Krankenhaus und versuche den Chef der Assistenzärzte zu finden, den ich laut der Krankenschwester in OP eins vorfinde.
Ich ziehe mir die Haube und trage eine Mundschutzmaske, als ich den OP betrete. Dr.Greyson sieht mich mit einem Herablassenden Blick an und verdreht schon die Augen.
,,Was wollen Sie, Johnson", fragt er genervt, bevor er sich wieder zu seinem Patienten widmet.
,,Ich wollte Bescheid geben, dass meine Schicht zu Ende ist... es ist der 24", sage ich schüchtern und versuche so selbstbewusst, wie nur möglich zu sein. Mein Chef seufzt laut, bevor er einer Assistenzärztin, die mit mir im selben Jahrgang ist, befehlt zu saugen. Ich habe extra schon Wochen vorher Bescheid sagt und so viele Überstunden gemacht, damit ich heute frei nehmen kann.
,,Dafür müssen Sie meinen OP stören?" Dr.Grayson sieht mich kurz mit seiner Brille an. An seinem Blick sehe ich, wie sehr er mich doch erwürgen will.
,,Es t-tut mir Leid. Ich wusste nicht-"
,,Schon klar. Sie wissen es nie. Gehen Sie, Dr.Johnson. Ich möchte jetzt keine billigen Ausreden." Ich bedanke mich schnell und verlasse die OP.
Die Haube und den Mundschutz ziehe ich aus, während ich in die Umkleide gehe und versuche die Oberärzte zu ignorieren. Nicht, dass einer meint mich noch schnell als Babysitter eines Teenagers zu arrangieren.
Ich öffne den Spind, wo ein Bild von Julie und Emelie hängt. Anschließend ziehe ich meine Klamotten an.
Draußen ist es immer noch verdammt kalt, weswegen ich zum Parkplatz renne und schnell ins Auto steige. Ich starte den Motor und öffne die Heizung volle Pulle, weil Scheiße was ist das. Anschließend fahre ich langsam nach Hause, da die Straßen eisig sind und ich keinen Unfall machen will, sonst gehe ich noch zurück ins Krankenhaus.
Auf den Weg nach Hause überlege ich nochmal die Worte von Dr.Wallace nach. Das Trauma endet nie.
Die Notaufnahme ist immer die lässigste Stelle der Assistenzärzte. Wir wollen immer die besten Fälle und da behandeln wir Menschen, die immer nur mit Bauchschmerzen kommen. Viele wollen in die Neurologie oder Orthopädie.
Aber was ich heute erlebt habe, hat mir gezeigt, dass die Notaufnahme auch Menschen retten kann und das man dafür, kein krasser Neurochirurg sein muss. Vielleicht... Aber nur vielleicht könnte das hier mein Leben verbessern.
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