I
Das Wachkoma-Mädchen
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„Ach fuck, gibt es heute schon wieder Spaghetti?", fragte Tom genervt, als er den Speiseplan des Casinos las. „Jeden Montag der gleiche Scheiß, immer die verkochten Spaghetti."
„Ja, Tom, jetzt reg dich lang auf, Gericht V sind Germknödel, die sind immer ganz gut", lachte Lena, seine Kollegin. Nachdem sie sich die Mehlspeise geholt hatten, setzten sie sich zu ihrem Freund Oliver. Er und Tom kannten sich schon seit dem Medizinstudium, nun arbeiteten sie in derselben Klinik als Assistenzärzte, Tom war Internist, Oliver Unfallchirurg. Lena hatten sie hier kennen gelernt, sie war Gynäkologin und ganz cool drauf, deshalb durfte sie bei ihnen am Tisch sitzen.
„Wo seit ihr heute eingeteilt?", fragte Lena die beiden.
„Ich hab Dienst, und Montagvormittag ist wie immer viel los, weil niemand in der Woche arbeiten will. Bei der Übergabe hat mir Sepp erzählt, dass in der Nacht eine gekommen ist, die ein Weißbierglas im Arsch stecken hatte."
„What the fuck!?", rief Tom erstaunt aus.
"Zum Glück nicht in ihrer Fud, sonst wär die jetzt sicher bei mir", sagte Lena erleichtert. „Und wo bist du, Tom?"
„Auf der Dreier, Stationsdienst bis Mittwoch und am Donnerstag dann Nebendienst."
„Ihr habt es so gut mit dem Nebendienst, ich bin die ganze Nacht allein", beschwerte sich Oliver. „Ach ja, wenn du eh auf der Dreier bist, ich hab dir ein Konsil reingeschrieben, heute Morgen hab ich eine tausendjährige Frau mit Weberfrak raufgeschickt, die hat so ein komisches EKG."
„Also Oliver, wenn das EKG eine Nulllinie hat, musst du sie reanimieren", lachte der Internist.
„Ja, danke für den Tipp. Also, schau sie dir bitte an, EKG ist in der Kurve."
„Gleich nach dem Mittagess" Tom wurde unterbrochen, da sein Telefon klingelte. „Ja? – Ok, mach ich dann, aber davor muss ich noch zum Konsil."
„Was war jetzt?", fragte Lena.
„Maria hat angerufen, gibt oben einen Neuzugang, Mädchen mit apallischem Syndrom. Bäm!"
„Mit was?", wollte Oliver wissen.
„Oli, lernt's ihr eigentlich irgendwas, außer wie man einen Akkuschrauber verwendet?", antwortete Tom genervt.
„Manchmal muss ich auch einen Schraubenzieher verwenden." Er zeigte ihm den Mittelfinger. „Zumindest kann ich meine Patienten heilen und muss ihnen nicht nur beim Abkratzen zuschauen."
„Jeden Montag die selbe Leier", sagte Lena zu sich selbst, als sie den beiden beim Streiten zuhörte. Sie nippte an ihrem Kaffee, dann widmete sie sich ihrem Germknödel.
Eine viertel Stunde später waren die beiden Männer in Zimmer 315, wo die arme alte Dame mit dem gebrochenen Fuß lag. Tom studierte das EKG und die Kurve, während Oliver gespannt neben ihm stand.
„Und? Ist das schlimm?", fragte er vorsichtig. „Ich mein, die Zacken haben unterschiedliche Abstände, das ist wohl eine Arrhythmie."
„Der Chirurg erhält 99 Punkte, bei 100 hätt's eine Nacht mit Schwester Julia gegeben."
„Knapp daneben ist auch vorbei. Aber sie hat heute Nachtschicht, vielleicht geht ja was."
„Haha, lol. Jedenfalls bezeichnet man diese Form der Arrhythmie als Karl-Brixen-Syndrom, sie kann jederzeit in Kammerflimmern abgleiten. Also viel Spaß heute Nacht."
„Ach fuck, wieso immer bei mir", beschwerte sich nun Oliver.
„Alter, du Depp, das ist ganz normales Vorhofflimmern, und wie du aus der Akte entnehmen kannst, nimmt sie deswegen Phenprocoumon."
„Nö, das hab ich abgesetzt, ich kann ihr doch nicht das Bein aufschlitzen, wenn die Marcumar intus hat. Deswegen hab ich ihr die Bauchspritzen aufgeschrieben."
„Du hast gerade was Sinnvolles gesagt, dass ich das noch erleben darf. Dann gibt's wohl doch 100 Punkte für dich."
„Jo, geiler Dienstsex mit Schwester Julia, bäm!", freute sich Oliver.
„Wer ist denn diese Julia?", fragte nun die Patientin. Die beiden Männer standen mit aufgerissenen Augen und erröteten Wangen da.
„Das ist die Nachtschwester heute. Und er ist ein guter Chirurg. Und ich muss jetzt zum Wachkoma-Mädchen." Tom verließ schnell und kichernd den Raum.
„Dann schnappen Sie sich die heute", zwinkerte die Dame noch Oliver zu.
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