Der Beobachter

Am nächsten Morgen war das Haus still. Ihre Eltern waren ungewöhnlich früh aufgebrochen, angeblich für Besorgungen. Normalerweise hätte sie das erleichtert, doch diesmal war es anders. Ihr plötzlicher Aufbruch, das flüchtige „Wir sehen uns später“ – alles fühlte sich wie ein Vorwand an. 

Lucy nutzte die Gelegenheit, um den Ordner aus seinem Versteck zu holen. Bevor sie sich mit Elias treffen würde, wollte sie noch einmal die Dokumente durchsehen. Es musste etwas geben, das sie übersehen hatte. Eine Fußnote, ein Name – irgendetwas, das ihr weiterhelfen konnte. 

Doch je länger sie blätterte, desto mehr fühlte es sich an, als würde sie sich im Kreis drehen. Bis sie auf ein unscheinbares Blatt stieß, das zwischen den anderen Seiten klemmte. Es war eine Adressliste – mit nur zwei Einträgen: 

1. **E.H. – Archivbüro, Stadtzentrum** 
2. **37-B Überwachungspunkt: Standort variabel** 

Ihr Herz setzte einen Schlag aus. „Standort variabel.“ Es klang, als würde jemand ihr folgen. Oder schlimmer: Jemand war *immer* in ihrer Nähe. 

Lucy ließ das Blatt sinken und spürte ein Ziehen im Nacken, als hätte sie plötzlich ein unsichtbares Auge im Raum gespürt. Warst sie wirklich allein? 

Ein Geräusch von draußen ließ Lucy zusammenzucken. Ein Auto, das vor dem Haus hielt. Panik durchströmte sie. War es Elias? Ihre Eltern? Oder jemand anderes? 

Sie schlich zum Fenster und späht vorsichtig hinaus. Ein dunkler Wagen stand am Straßenrand, die Fenster undurchsichtig. Niemand stieg aus. Lucy konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass jemand in diesem Wagen saß und sie beobachtete. 

Ihr Handy vibrierte plötzlich in ihrer Tasche. Sie zog es hervor – eine Nachricht von Elias: *„Treffpunkt in 30 Minuten. Sei vorsichtig.“* 

Sie packte den Ordner hastig in eine Tasche, ihr Blick wanderte immer wieder zu dem Wagen draußen. Er stand noch immer da, regungslos. Ihre Hände zitterten, während Lucy die Tür öffnete und nach draußen trat. 

Der kalte Wind schnitt ihr ins Gesicht, aber das Adrenalin ließ Lucy nicht anhalten. Mit schnellen Schritten ging sie die Straße hinunter, spürte die Last des Ordners auf ihrem Rücken. Doch sie war sich sicher, dass sie nicht allein war. 

Ein leises Brummen ließ sie erstarren. Der Wagen setzte sich in Bewegung – langsam, als würde er sie verfolgen. Lucy wagte nicht, sich umzudrehen. Stattdessen beschleunigte sie ihre Schritte, bis sie schließlich rennen musste. 

Die Wahrheit schien zum Greifen nah, doch mit jedem Schritt fühlte sie sich gefährlicher an. Wer immer sie beobachtete, wollte nicht, dass Lucy sie erfährt. 

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