62. Kapitel

Meister Jinn hatte mich jetzt etwa zwei Stunden lang alleine gelassen. Ich lag noch immer auf meinem Bett und dachte über das Geschehene nach. Mir war soeben klar geworden, was eigentlich hinter dem Grundsatz stand, seine Vergangenheit loszulassen und plötzlich verstand ich vieles, was geschehen war, besser. Erst war da diese Situation, als wir die Ratssitzung über Shili belauscht hatten. Es war ziemlich komisch, erst jetzt zu begreifen, was Meister Yoda damals eigentlich gemeint hatte, als er gesagt hatte, Tashina solle ihre Vergangenheit loslassen. Er hatte gewollt, dass sie sich mehr auf die Gegenwart konzentrierte und nicht, dass sie alles vergaß, was sie einmal erlebt hatte, dass sie nicht ihrer Zeit auf Shili nachtrauerte, sondern sich hier und jetzt darauf konzentrierte, zu lernen, um später selbst helfen zu können. All das prasselte erst jetzt auf mich ein, Jahre danach. Und mir fielen einige Situationen ein, in denen ich andere Jedi diese Regel hatte befolgen sehen und ich mich darüber gewundert hatte. Der Flug nach Ilum, bei dem Meister Yoda und Meister Kenobi nicht hatten wissen wollen, was wir getan hatten, sondern überlegt hatten, was jetzt zu tun war. Meisterin Gallia, die erst Tashinas Wunde geheilt hatte, ehe sie gefragt hatte, wo wir gewesen waren. Dann hatte sie auch nicht weiter nachgeforscht, als wir nichts hatten sagen wollen, sondern uns befohlen, uns zu setzen und uns Küchendienst gegeben, statt Meister Yoda zu erzählen, was vorgefallen war. Sie musste gehofft haben, dass wir auch so über unser Verhalten nachdachten. So vieles, was ich erst jetzt verstand, doch es ergab nun Sinn.

Es klopfte an der Tür und Meister Jinn kam herein.
"Du kannst die nächsten zwei Wochen lang Meister Yoda begleiten. Du gehst mit zu drei Clans und unser Training fällt dann auf den Nachmittag. Wir werden uns dann hauptsächlich auf Lichtschwertkampf konzentrieren, meditieren wirst du auch mit den Jünglingen", sagte er. "Hier ist dein Stundenplan."
Ich nahm das Blatt entgegen, sah es aber nicht weiter an, sondern fragte:"Was ist mit Leia?"
"Sie muss in der Medi-Station aushelfen", sagte Meister Jinn. "Aber habt ihr noch nicht geredet?"
"Nein, ich war die ganze Zeit hier", sagte ich.
"Wie kommt das denn? Normalerweise seid ihr doch nur am Reden", zwinkerte Meister Jinn.
"Ich weiß auch nicht, irgendwie wollte ich lieber in Ruhe nachdenken", sagte ich.
"Das ist auch wichtig", sagte Meister Jinn mit wissendem Blick. "Also, möchtest du noch weiter nachdenken oder mit zum Meditieren kommen?"
"Ich komme schon", sagte ich augenrollend und stand auf. Irgendwie hatte ich das Gefühl, ein Stück gewachsen zu sein. Wahrscheinlich kam es nur von der Erkenntnis, sie ich gerade gehabt hatte, doch ich fühlte mich einfach größer. Ich folgte Meister Jinn zum nächsten Meditationsraum, wo wir uns hinsetzten und ich begann einfach mit der Meditation. Ich merkte nur kurz darauf, dass ich auch dort eine Grenze überschritten hatte. Ich war tiefer gekommen, in einen Bereich, der sich komplett anders anfühlte, irgendwie noch fester und gleichzeitig fern von mir. Es war ein großer Sprung, den ich gemacht hatte, doch irgendwie war er schon fest und ich musste ihn nicht erst festigen. Ich konnte sogar von diesem Punkt aus schon vor und zurück springen und alles. Es war noch nie vorgekommen, dass ich das sofort konnte, doch ich vermutete einfach, dass das auch mit diesem Gefühl zusammenhing, plötzlich größer zu sein als vorher. Aber ich sollte es schon Meister Jinn zeigen. Ich unterbrach also meine Meditation und sah, dass Meister Jinn sich nur gesetzt hatte und mich beobachtete.
"Du hast einen Sprung gemacht?", vermutete er.
"Ja, aber irgendwie ist er schon fest. Es ist einfach da, als wäre es schon ewig da", erklärte ich.
"Lass mal sehen!", sagte Meister Jinn. Ich nickte und begann wieder mit der Meditation, als ich Meister Jinns Hand auf meiner Schulter spürte. Ich konnte problemlos in den neuen Bereich gehen und dort die Grenzen austesten. Da bemerkte ich plötzlich, dass ich noch ein Stückchen Raum hatte. Ich konnte nicht sagen, ob es gerade schon da gewesen war, aber es fühlte sich nicht so sicher an wie der Rest des neuen Teils. Es musste gerade eben noch ein Stück frei geworden sein. Wieso auch immer. Ich zog mich wieder daraus zurück in den festen Bereich und schlug die Augen auf.
"Das war ein wirklich großer Sprung. Und es ist interessant, zu sehen, wie es bei dir aussieht, wenn du Sprünge machst. Das letzte kleine Stück kam ja jetzt erst dazu", sagte Meister Jinn.
"Aber dass es gleich fest ist", wunderte ich mich. "Also, das letzte Stück nicht, aber das davor."
"Das kann vorkommen, wenn einem etwas klar wird. Ich habe es mir schon fast gedacht, als du gesagt hast, dass du die ganze Zeit über nachgedacht hast", sagte Meister Jinn. Wieder beruhigt meinte ich:"Dann hattet Ihr wohl Recht."
"Du solltest jetzt jedenfalls das letzte Stück noch festigen und dann kannst du zu Leia gehen", sagte Meister Jinn. Ich nickte und meditierte erneut los. Das letzte Stück zu festigen dauerte eine ganze Weile, aber schließlich war ich zufrieden und fühlte mich sicher darin und brach daher ab. Meister Jinn hatte auch eine Meditation begonnen, also wartete ich, bis er fertig war.
"Gut, dann kannst du jetzt zu Lyn und Leia. Sie sind in Lyns Zimmer", sagte Meister Jinn.
"Okay, danke!", sagte ich und ging nach draußen auf den Gang. Lyns Zimmer war ziemlich nah, also war ich schnell da. Als ich herein kam, blickten die anderen auf.
"Askuria, endlich! Wir dachten schon, du musst deine Strafe gleich machen oder so!", sagte Lyn.
"Wie hat er reagiert?", fragte Leia. "Und was musst du machen?"
Ich setzte mich zu Leia aufs Bett und erzählte, was Meister Jinn zu mir gesagt hatte.
"So ist diese Regel gemeint? Und ich dachte immer...", sagte Leia.
"Ich glaube, wir denken zu viel, ohne zu wissen", sagte ich. Die anderen beiden nickten.
"Und was ist dann gewesen? Was ist mit der Bestrafung?", fragte Leia nach kurzem Schweigen.
"Naja, danach habe ich auch gefragt und er meinte nur, dass ich selbst nachdenken soll, was angemessen ist", sagte ich.
"Und?", fragte Lyn.
"Ich vermute, er wollte wissen, ob ich es verstanden habe. Ich habe dann vorgeschlagen, dass ich zu den Jünglingen gehen kann", sagte ich.
"Zu den Jünglingen? Man, du hast es gut! Ich muss in der Medi-Station aushelfen!", sagte Leia.
"Aber ich wette, Meisterin Secura hat mit dir keine halbe Unterrichtsstunde daraus gemacht, sondern sich kurz gefasst", sagte ich.
"Das stimmt allerdings", sagte Leia.
"Und was ist mit dir, Lyn?", fragte ich.
"Meisterin Swan hat den Machtstoß bemerkt, den ich geschickt habe und mir aber nur gesagt, dass ich nächstes Mal gleich sagen soll, wo ihr seid, damit sie nicht so lange suchen müssen", antwortete Lyn.
"Na dann", sagte ich erleichtert. "Wie lange musst du in die Medi-Station, Leia?"
"Eine Woche", antwortete sie.
"Ich muss zwei Wochen", sagte ich. 
"Oh", sagte Leia.
"Macht nichts, ich glaube, mir wird das Spaß machen", meinte ich.

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